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BFH Beschluss vom 14.05.1986 - VII B 25/86

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Leitsatz (amtlich)

Es liegt eine Zolltarifsache i.S. des § 116 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung vor, wenn das FG über die Auslegung und Anwendung einer Anmerkung zur Tarifnr. 27.01 des Deutschen Teil-Zolltarifs entschieden hat. Das gilt auch dann, wenn es nicht um die Einordnung einer Ware in das Tarifschema ging.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 2; DZT Tarifnr 27.01

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte im Februar 1981 zwei Partien Steinkohle in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein, meldete als Ursprungsland Belgien an und legte ein Ursprungszeugnis vor, in dem von dem Unternehmen A in G (Belgien) erklärt wird, daß die Waren in G (Kohlenmine) erzeugt worden seien. Das dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) unterstehende Zollamt (ZA) erkannte das Ursprungszeugnis nicht an und erhob bei der Abfertigung zum freien Verkehr Zoll und anteilige Einfuhrumsatzsteuer.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung des Steuerbescheids und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Nach § 1 des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe (ZKG) in der Neufassung vom 15.Oktober 1980 (BGBl I 1980, 1945) werde für Steinkohle der Tarifnr. 27.01 die zolltarifliche Begünstigung des innergemeinschaftlichen freien Warenverkehrs nur dann gewährt, wenn sie in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gewonnen oder erzeugt worden ist und ein mit den Mitgliedstaaten der EGKS vereinbartes Ursprungszeugnis vorgelegt werde. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt, da nach Auskunft des belgischen Wirtschaftsministeriums das von der Klägerin vorgelegte Ursprungszeugnis zu Unrecht für diese Ware benutzt worden sei.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 10.Januar 1986 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung macht sie u.a. geltend, es habe nicht der Zulassung der Revision bedurft, da der vorliegende Rechtsstreit als eine Zolltarifsache i.S. des § 116 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) anzusehen sei; der Rechtssache komme auch grundsätzliche Bedeutung zu.

Das HZA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Es führt u.a. aus: Der vorliegende Rechtsstreit sei keine Zolltarifsache i.S. des § 116 Abs.2 FGO. Es gehe nicht um die tarifliche Einordnung einer Ware, sondern um eine andere Zollangelegenheit. Im vorliegenden Fall sei die Erhebung von Zoll für eingeführte Steinkohle nach dem ZKG streitig. Die Rechtssache habe auch keine grundsätzliche Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fehlt es für eine Nichtzulassungsbeschwerde an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis und ist diese Beschwerde daher unzulässig, wenn die Revision ohnehin als zulassungsfreie Revision statthaft ist. Die Revision ist im vorliegenden Fall ohne ausdrückliche Zulassung gegeben, da es sich um eine solche gegen Urteile in Zolltarifsachen i.S. des § 116 Abs.2 FGO handelt.

Eine Zolltarifsache in diesem Sinne liegt nur vor, wenn das FG durch sein Urteil über eine zolltarifrechtliche Frage entschieden hat (Beschluß des erkennenden Senats vom 22.März 1977 VII R 39/74, BFHE 121, 400, BStBl II 1977, 430). Zolltarifrecht ist das Recht des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) und des Deutschen Teil-Zolltarifs (DTZT).

Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung und Anwendung der Anmerkung, die durch § 1 ZKG in die Tarifnr. 27.01 DTZT eingefügt worden ist. Nr.2 dieser Anmerkung lautet:

"Waren der Tarifnr. 27.01 (EGKS) genießen die zolltarifliche Begünstigung

des innergemeinschaftlichen freien Warenverkehrs nur, wenn

a) sie in einem Mitgliedstaat der EGKS gewonnen oder erzeugt worden sind und

b) ein mit den Mitgliedstaaten der EGKS vereinbartes Ursprungszeugnis vorgelegt wird.

Andernfalls wird ein Differenzzoll von 9,50 DM für 1 000 kg Eigengewicht erhoben. ..."

Über die Frage der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift des DTZT hat das FG entschieden. Es hat damit ein "Urteil in Zolltarifsachen" i.S. des § 116 Abs.2 FGO erlassen.

Nicht zu folgen ist der Gegenauffassung des HZA, eine Zolltarifsache sei nur gegeben, wenn es um die tarifliche Einordnung einer Ware gehe. Es mag zwar sein, daß der Gesetzgeber beim Erlaß des § 116 Abs.2 FGO allein die Fälle im Auge hatte, in denen Streit über die eigentliche Tarifierung einer Ware besteht. Denn in solchen Fällen ist die --vom Gesetzgeber in der Regelung des § 116 Abs.2 FGO unterstellte-- grundsätzliche Bedeutung der Sache i.S. des § 115 Abs.2 Nr.1 FGO im Regelfall gegeben (vgl. auch BFHE 121, 400, 401, BStBl II 1977, 430). Die zulassungsfreie Revision ist aber nach dem Wortlaut des § 116 Abs.2 FGO nicht auf diese Fälle eingeschränkt. Sie umfaßt vielmehr auch FG-Urteile in Streitigkeiten, in denen die Anwendung oder Auslegung von Vorschriften des Zolltarifrechts streitig ist, die mit der tariflichen Einordnung von Waren nicht unmittelbar zusammenhängen (z.B. Streitigkeiten über die Höhe eines einer bestimmten Tarifstelle zugeordneten Zollsatzes). Einer einengenden Auslegung der Vorschrift des § 116 Abs.2 FGO steht schon die Erwägung entgegen, daß dies zu einer Verringerung des Rechtsschutzes des einzelnen führen würde.

Dieser Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, damit sei im Gegensatz zu Sinn und Zweck des § 116 Abs.2 FGO ein Großteil zollrechtlicher Streitigkeiten zu den Zolltarifsachen zu rechnen. Soweit das Zolltarifrecht auf andere Vorschriften des Zollrechts (z.B. zollwertrechtliche Vorschriften) unmittelbar oder mittelbar verweist und Auslegung oder Anwendung dieser Vorschriften Gegenstand eines Rechtsstreits ist, ist keine Zolltarifsache gegeben. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Regelung der Nr.2 der Anmerkung zu Tarifnr. 27.01 DTZT ist abschließend und verweist allenfalls insoweit auf andere Bestimmungen, als sie für die Inanspruchnahme der Zollvergünstigung die Vorlage eines mit den Mitgliedstaaten der EGKS vereinbarten Ursprungszeugnisses verlangt. Im vorliegenden Fall besteht aber kein Streit darüber, ob das vorgelegte Ursprungszeugnis die vorgeschriebene Form hatte. Streitig ist vielmehr allein, ob es sich auf die eingeführte Ware bezieht und welche Anforderungen an den entsprechenden Nachweis zu stellen sind. Das aber sind Fragen, die durch Auslegung der genannten Anmerkung zu entscheiden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61142

BFHE 146, 312

BFHE 1986, 312

HFR 1986, 467-468 (ST)

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