Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach DDR-Studium
Leitsatz (NV)
- Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung ist nicht der Abschluß eines Studiums i.S. der §§ 5 und 5a DRiG, sondern lediglich ein rechtswissenschaftliches Studium, das seinem wissenschaftlichen Inhalt und seiner Intensität nach vergleichbare systematisch rechtswissenschaftliche Befähigungen wie ein in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium vermittelt.
- Die Maßgaben des EinigVtr über den Zugang zum Richteramt bzw. zu dem juristischen Vorbereitungsdienst sind bei der Entscheidung über die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht, auch nicht entsprechend anwendbar.
- Fehlt es an einschlägigen Regelungen des Kultusrechts über die Gleichwertigkeit eines Ausbildungsganges mit den in § 36 Abs. 1 StBerG benannten Ausbildungsgängen, so hat die Zulassungsbehörde die Prüfung der Gleichwertigkeit selbständig vorzunehmen.
Normenkette
EinigVtr Anl. I Kap. III A. III Nr. 8 Buchst. y UAbschn. gg; StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 1; DRiG § 5 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) erstrebt die Zulassung zur Steuerberaterprüfung auf der Grundlage des von ihm von 1985 bis 1989 an der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche absolvierten, durch den Erwerb des akademischen Grades "Diplomjurist" abgeschlossenen Studiums. Die Beklagte und Beschwerdeführerin (die Senatsverwaltung) hat den Zulassungsantrag aufgrund der dazu ergangenen Entscheidung des Zulassungsausschusses abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte mit dem Ergebnis Erfolg, daß das Finanzgericht (FG) feststellte, daß die Ablehnung der Zulassung des Klägers zur Steuerberaterprüfung 1997 rechtswidrig war. Zur Begründung führt das FG sinngemäß aus, die Senatsverwaltung habe zu Unrecht allein aufgrund der im Einigungsvertrag --EinigVtr-- (BGBl II 1990, 889, 931) in Anlage I Kap. III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 8 Buchst. y Unterabschn. gg getroffenen Regelung angenommen, daß der Kläger die Zulassungsvoraussetzung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) --abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium-- nicht erfülle. Denn die im EinigVtr über die Juristische Hochschule Potsdam-Eiche getroffene Regelung gebe den Absolventen der genannten Hochschule zwar --anders als Absolventen rechtswissenschaftlicher Studien an anderen Hochschulen der ehemaligen DDR-- nicht die Möglichkeit zur Aufnahme des juristischen Vorbereitungsdienstes nach dem Deutschen Richtergesetz (DRiG), besage aber nichts über die Vergleichbarkeit des Studieninhalts mit dem Inhalt eines normalen rechtswissenschaftlichen Studiums an einer deutschen Universität und darüber, ob Absolventen dieser Hochschule zur Steuerberaterprüfung zuzulassen seien. Dies sei vielmehr vom Zulassungsausschuß im einzelnen aufgrund der inhaltlichen Gestaltung des vom Kläger absolvierten Studiums zu prüfen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Senatsverwaltung, mit der grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht wird. Die Rechtsfrage, ob der Abschluß der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche die Zulassungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG erfüllt und entgegen den Festlegungen im EinigVtr den übrigen Abschlüssen rechtswissenschaftlicher Studien in der ehemaligen DDR gleichzustellen ist, sei von allgemeinem Interesse, weil das FG des Landes Sachsen-Anhalt sie in seinem Urteil vom 27. Januar 1995 I 277/95 anders als das FG beantwortet habe, die Zulassung solcher Kandidaten jedoch nach einheitlichen Rechtsregeln erfolgen müsse.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Der beschließende Senat kann dahinstehen lassen, ob allein mit dem Hinweis auf eine abweichende Entscheidung eines anderen FG und auf die von der Senatsverwaltung offenbar unterstellte praktische Bedeutung der in der Beschwerdebegründung formulierten Rechtsfrage für andere, noch offene oder zukünftige Zulassungsanträge die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausreichend dargelegt ist. Denn selbst wenn das anzunehmen sein sollte, könnte die Revision nicht zugelassen werden, weil die Rechtssache entgegen der Auffassung der Senatsverwaltung keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat.
Dabei mag ebenfalls dahinstehen, ob ein allgemeines, über den Einzelfall hinausgehendes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Frage besteht, ob die eingangs bezeichnete Maßgabe des EinigVtr zur Überleitung des DRiG eine Regelung trifft, die auch bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG einschlägig ist. Denn diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie jedenfalls nicht anders beantwortet werden kann, als sie das FG in dem angefochtenen Urteil beantwortet hat. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Nach der eingangs bezeichneten Vorschrift des EinigVtr wird der Abschluß eines rechtswissenschaftlichen Studiums als Diplomjurist an der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche oder einer vergleichbaren Einrichtung der ersten Staatsprüfung i.S. der §§ 5 bis 6 DRiG nicht gleichgestellt. § 5 Abs. 1 DRiG regelt, wie die Befähigung zum (Berufs-)Richteramt an einem deutschen Gericht erworben wird; er schreibt dazu vor, daß diese Befähigung erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Staatsprüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt. Wie sich aus diesem Zusammenhang ergibt und das FG zutreffend erkannt hat, regeln die Maßgaben des EinigVtr also den Zugang zum Richteramt bzw. zu dem juristischen Vorbereitungsdienst, der vor Berufung in ein Richteramt absolviert werden muß. § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG, der die Zulassung zur Steuerberaterprüfung regelt, nimmt auf die §§ 5 bis 6 DRiG nicht Bezug; er verlangt für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht den vorherigen Erwerb der Befähigung zum Richteramt (unter Verzicht auf den Abschluß eines Vorbereitungsdienstes), sondern den Abschluß eines "rechtswissenschaftlichen Studiums". Wie der Senat bereits entschieden (Urteil vom 8. Juni 1993 VII R 125/92, BFHE 172, 261, BStBl II 1994, 665) und das FG ebenfalls zutreffend erkannt hat, verlangt diese Vorschrift nicht den Abschluß eines Studiums i.S. der §§ 5 und 5a DRiG, sondern lediglich ein rechtswissenschaftliches Studium, das seinem wissenschaftlichen Inhalt und seiner Intensität nach vergleichbare systematisch rechtswissenschaftliche Befähigungen wie ein in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium vermittelt. Die im EinigVtr zu den §§ 5 ff. DRiG getroffenen Maßgaben sind folglich für die Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ohne Bedeutung. Sie im Rahmen des StBerG anzuwenden, fehlt es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, zumal der EinigVtr in Anlage I Kap. IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 9 die von den Vertragsparteien für die Überleitung des StBerG für erforderlich gehaltenen Maßgaben festgelegt, dabei jedoch den Ausschluß der Absolventen der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche von der Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht vorgesehen hat.
Allerdings ist der Gesetzgeber --worauf ebenfalls bereits das FG richtig hingewiesen hat-- davon ausgegangen, daß die Juristische Hochschule Potsdam-Eiche die Aufgabe hatte, den juristischen Nachwuchs des Staatssicherheitsdienstes der DDR zu schulen, und daß diese Ausbildung nur dem Namen nach, nicht aber ihrem Inhalte nach ein juristisches Studium darstellte (Erläuterungen zu den Anlagen des EinigVtr, BTDrucks 11/7817 S. 23). Entgegen der vom FG in seinem Urteil angedeuteten Auffassung beruht die Nichtanerkennung des von der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche verliehenen Abschlusses "Diplomjurist" als (vorbehaltlich des Vorbereitungsdienstes) ausreichender Nachweis der Befähigung zum Richteramt erkennbar nicht darauf, daß die Absolventen aufgrund ihrer Verstrickung in die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und einer ihnen deshalb etwa vom Gesetzgeber unterstellten Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze i.S. des Art. 19 EinigVtr für die Ausübung eines Berufes, der die Befähigung zum Richteramt verlangt, ungeeignet erschienen wären, sondern weil ihre Ausbildung einem rechtswissenschaftlichen Studium, wie es Prüfungskandidaten an einer Hochschule in den alten Ländern oder an den übrigen juristischen Hochschulen der ehemaligen DDR absolviert haben, nicht vergleichbar ist. Angesichts dieser Bewertung des EinigVtr hätte es für den Gesetzgeber kaum in Betracht kommen können, das Studium an der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche als ein rechtswissenschaftliches Studium i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG anzuerkennen, wenn er diese Frage im EinigVtr geregelt hätte. Dies hat er indes nicht getan. Eine gesetzliche Regelung dahin, daß der Abschluß an der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche "generell ohne Rechtswirkungen bleiben" solle, vermöchte der beschließende Senat dem EinigVtr anders als das FG Sachsen-Anhalt, auf das sich die Senatsverwaltung berufen hat, nicht zu entnehmen.
Für eine danach allenfalls in Betracht zu ziehende entsprechende Anwendung der im EinigVtr zum DRiG getroffenen Maßgaben auf das StBerG besteht kein Anlaß, weil die Zulassung von Absolventen der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche ohnehin davon abhängig ist, daß ihre Ausbildung einem rechtswissenschaftlichen Studium im Sinne des DRiG, wie es Kandidaten mit einer Ausbildung in den alten Ländern absolviert haben, nach Maßgabe der dazu von dem beschließenden Senat in seinem Urteil in BFHE 172, 261, BStBl II 1994, 665 aufgestellten Anforderungen "vergleichbar" ist, wogegen die Beurteilung dieses Studiums durch den EinigVtr spricht, ohne daß bislang für die Vergleichbarkeit sprechende Anhaltspunkte vom FG festgestellt worden sind. Einer solchen Prüfung steht nicht entgegen, daß das StBerG allerdings die Bildungswege, die zu den in § 36 Abs. 1 StBerG geforderten Vorbildungsvoraussetzungen führen, dadurch bezeichnet, daß es grundsätzlich an die einschlägigen Regelungen des Ausbildungs- und Prüfungsrechts anknüpft (Senatsurteil in BFHE 172, 261, BStBl II 1994, 665) und dessen Einstufung eines Ausbildungsganges als für die Anwendung des StBerG verbindlich hinnimmt; im Rahmen des § 36 Abs. 1 StBerG ist daher im allgemeinen nicht zu entscheiden, inwieweit Studiengänge den in dieser Regelung benannten materiell gleichwertig sind (Senatsurteil vom 3. März 1998 VII R 88/97, BFHE 185, 341, BStBl II 1998, 408). Fehlt es indes an solchen einschlägigen innerstaatlichen Regelungen des Kultusrechts --wie mitunter bei ausländischen Ausbildungsgängen oder wie hier im Hinblick auf die vom Kläger in der DDR absolvierte Ausbildung--, so haben die Zulassungsbehörde bzw. das FG die Prüfung der Gleichwertigkeit selbständig vorzunehmen.
Ob sich das FG gleichwohl darauf beschränken durfte festzustellen, daß die von der Senatsverwaltung für die Ablehnung der Prüfungszulassung gegebene Begründung diese Entscheidung nicht trägt, bedarf freilich keiner Entscheidung; denn dies betrifft lediglich die sachlich-rechtliche Richtigkeit des Urteils des FG, ohne daß sich dazu eine rechtsgrundsätzlich bedeutsame klärungsbedürftige Frage stellte. Auch die Beschwerde hat eine solche nicht angegeben.
Die Frage schließlich, ob das Studium an der Juristischen Hochschule Postdam-Eiche einem rechtswissenschaftlichen Studium an einer Hochschule in der Bundesrepublik in dem vorgenannten Sinne vergleichbar ist, vermag der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu verleihen; denn sie liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Eine rechtliche Grundsatzfrage ist dazu in der Beschwerde der Senatsverwaltung jedenfalls nicht bezeichnet; die von dieser hervorgehobene Notwendigkeit einer gleichmäßigen Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG gegenüber Absolventen der ehemaligen Juristischen Hochschule Postdam-Eiche ersetzt die nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegungen nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 422618 |
BFH/NV 2000, 234 |