Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdvergleich, Einzelfall-Umstände, Verstoß gegen Denkgesetze, fehlerhafte Rechtsanwendung; Erheblichkeit des Verfahrensmangels, materiell-rechtlicher Standpunkt des FG
Leitsatz (NV)
1. Der sog. Fremdvergleich dient der Feststellung, ob der zu beurteilende Sachverhalt dem privaten Bereich oder dem Bereich der Einkunftserzielung zuzuordnen ist. Maßgebend dafür ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten; dabei kann einzelnen dieser Beweisanzeichen je nach Lage des Falles im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus.
2. Entsprechend kommt es bei der Prüfung der Fremdüblichkeit eines Mietverhältnisses auf die konkreten Umstände im Einzelfall an, die das FG im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung als Tatfrage zu beurteilen hat. Das schließt es nicht aus, dass die gleichen Beweisanzeichen in verschiedenen Fällen bei der Gesamtwürdigung (insbesondere im Zusammenhang mit anderen Umständen) unterschiedlich gewichtet und gewürdigt werden können.
3. Setzt der Kläger seine eigene Ansicht anstelle der des FG, wendet er sich gegen die unzutreffende Auslegung von Verträgen und macht einen Verstoß gegen Denkgesetze geltend, rügt er damit lediglich die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreicht werden.
4. Soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungs- und der Hinweispflicht sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, ist die erforderliche Erheblichkeit des Verfahrensmangels hinreichend unter Beachtung des insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkts des FG darzulegen. Daran kann es bei einer auf ein einzelnes Indiz abstellenden Rüge fehlen, da dies nicht notwendig die vorgenommene Gesamtwürdigung in Frage stellt.
Normenkette
BGB § 387; FGO § 76 Abs. 1-2, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3; EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 19.06.2007; Aktenzeichen 12 K 2733/05) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es bleibt dahingestellt, ob ihre Begründung den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht; jedenfalls sind die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vorgebrachten Zulassungsgründe nicht gegeben.
1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) nicht erforderlich.
a) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung dient der sog. Fremdvergleich der Feststellung, ob der zu beurteilende Sachverhalt dem privaten Bereich oder dem Bereich der Einkunftserzielung zuzuordnen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Januar 2003 IX B 94/02, BFH/NV 2003, 617). Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten; dabei kann einzelnen dieser Beweisanzeichen je nach Lage des Falles im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (BFH-Urteile vom 17. Dezember 2003 IX R 7/98, BFH/NV 2004, 1270; vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349; vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, m.w.N.). Auf der Basis dieser Grundsätze ist das Finanzgericht (FG) zu dem Ergebnis gelangt, dass das abgeschlossene Mietverhältnis mangels Fremdüblichkeit nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden könne. Es hat dabei im Rahmen der erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände maßgeblich auf die wegen fehlender Gegenseitigkeit unzulässige Aufrechnung (vgl. Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., § 387 Rz 4, 5; Bamberger/Roth/ Dennhardt, BGB, Bd. 1, 2. Aufl., § 387 Rz 20, m.w.N.) hinsichtlich der Mietzahlung als Hauptpflicht, die unklare Nebenkostenvereinbarung bzw. deren Durchführung sowie die Unkündbarkeit des Mietverhältnisses und die sich auch auf die Erben erstreckende, abbedungene Mieterhöhungsmöglichkeit abgestellt.
b) Soweit sich der Kläger gegen die Auffassung des FG zur Aufrechnungslage wendet, setzt er seine eigene Ansicht anstelle des FG und rügt damit lediglich die "fehlerhafte Rechts- und Rechtsprechungsanwendung", also materiell-rechtliche Fehler. Das gilt gleichermaßen für den hinsichtlich der Unklarheit der Nebenkostenvereinbarung gerügten Verstoß gegen Denkgesetze; denn ein solcher Verstoß ist der Anwendung materiellen Rechts zuzuordnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2002 X B 144/01, BFH/NV 2002, 1336; vom 5. Januar 2007 II B 31/06, BFH/NV 2007, 972). Derartige Einwände können aber die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (siehe auch unter 1. c).
Des Weiteren liegt die hinsichtlich des Fremdvergleichs gerügte Divergenz zu den Urteilen der Finanzgerichte Berlin vom 15. April 1997 5355/96 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 1517) und Baden-Württemberg vom 21. Juni 2005 4 K 250/01 (EFG 2005, 1943) schon deshalb nicht vor, weil es bei der Prüfung der Fremdüblichkeit eines Mietverhältnisses auf die konkreten Umstände im Einzelfall ankommt, die das jeweilige FG im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung als Tatfrage zu beurteilen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. September 2002 IX B 14/02, BFH/NV 2003, 191; vom 15. Mai 2003 IX B 30/03, BFH/NV 2003, 1206). Das schließt es nach der unter 1. a zitierten Rechtsprechung insbesondere nicht aus, dass die gleichen Beweisanzeichen in verschiedenen Fällen bei der Gesamtwürdigung (insbesondere im Zusammenhang mit anderen Umständen) unterschiedlich gewichtet und gewürdigt werden. Daraus lässt sich jedoch keine Divergenz ableiten.
c) Letztlich rügt der Kläger mit seinen --zum Teil nach Art einer Revisionsbegründung gehaltenen-- Einwänden die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; vom 29. Dezember 2006 IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084, unter 4.).
2. Soweit der Kläger hinsichtlich der (vom FG angenommenen) Unklarheit der Nebenkostenabrede eine Verletzung der Sachaufklärungs- und der Hinweispflicht (§ 76 Abs. 1, 2 FGO) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügt, reicht das Beschwerdevorbringen nicht aus, die erforderliche Erheblichkeit des Verfahrensmangels hinreichend zu belegen. Denn zum einen wird mit einer derartigen, auf ein einzelnes Indiz abstellenden Rüge nicht notwendig die vorgenommene Gesamtwürdigung in Frage gestellt, zumal angesichts der übrigen vom FG als gewichtig angesehenen Indizien. Zum anderen kommt es auch in diesem Kontext grundsätzlich auf den insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an (z.B. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2005 III B 13/04, BFH/NV 2005, 1065). Zum Dritten ist auch die fehlerhafte Auslegung von Verträgen im Rahmen der Urteilsfindung grundsätzlich kein verfahrensrechtlicher, sondern ein materieller Fehler, der als solcher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. März 2007 X B 146/05, BFH/NV 2007, 1125; vom 29. Januar 2004 IV B 95/02, BFH/NV 2004, 949).
Fundstellen
Haufe-Index 2005672 |
BFH/NV 2008, 1340 |