Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG nicht auf Tauschvertrag anwendbar
Leitsatz (NV)
Auf einen Tauschvertrag über Grundstücke in den neuen Bundesländern, bei dem einer der Tauschpartner Grundstücke hergibt, die ihm von Organen der DDR entzogen und von Behörden der Bundesrepublik zurück übertragen worden waren, ist § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG nicht deshalb entsprechend anwendbar, weil der andere Tauschpartner die Grundstücke zwischenzeitlich auf Grund eines "Vertrages für die Überlassung eines volkseigenen Grundstücks an Bürger für Erholungszwecke" bebaut hatte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; GrEStG 1997 § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 20.01.2004; Aktenzeichen 3 K 125/01) |
Tatbestand
I. Mit notariell beurkundetem Grundstückstauschvertrag vom 6. Mai 1999 gab der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Flurstücke 102, 103 und 104 sowie das 655 qm große Flurstück 106 der Flur 8 in der Gemarkung … mit einer Gesamtfläche von 1 343 qm hin und erhielt dafür eine Teilfläche von 620 qm des Flurstücks 96. Die Tauschpartner hielten diese Teilfläche sowie das Flurstück 106 für gleichwertig, bewerteten die Flurstücke 102, 103 und 104 mit 3 DM/qm --dies ergab bei 688 qm einen Betrag von 2 064 DM-- und vereinbarten, dass dieser Betrag bar an den Kläger auszuzahlen sei. Die vom Kläger hingegebenen Flurstücke waren diesem von den Organen der DDR entzogen und von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland 1998 zurückübertragen worden. Zwischenzeitlich --nämlich am 1. Februar 1990-- hatte der Tauschpartner mit dem Rat der Stadt bezüglich der vom Kläger hingegebenen Flurstücke einen "Vertrag für die Überlassung eines volkseigenen Grundstücks an Bürger für Erholungszwecke" auf unbestimmte Dauer und bei einem jährlichen Nutzungsentgelt von 249 M geschlossen und das Flurstück 106 teilweise überbaut und mit einer Garagenzufahrt versehen. Dieses Nutzungsverhältnis blieb trotz der Rückübertragung bestehen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2000 auf 4 230 DM fest. Dabei hatte er die hingegebenen Grundstücke des Klägers mit 90 DM/qm --also insgesamt mit 120 870 DM-- bewertet. Dagegen erhob der Kläger Klage und trug vor, der angesetzte gemeine Wert sei zu hoch und wäre bei einem Verkauf nicht erzielbar gewesen. Die Grundstücke seien nur in primitiver Weise erschlossen und im Übrigen mit dem Nutzungsrecht des Tauschpartners belastet gewesen, das wie ein Nießbrauch wertmindernd zu berücksichtigen sei.
Das Finanzgericht (FG) setzte die Steuer auf 1 376 € herab, nachdem es ein Gutachten des Gutachterausschusses des Landkreises eingeholt hatte. Dieser hatte die hingegebenen Grundstücke des Klägers als baureifes Land angesehen und den gemeinen Wert auf 55 000 € geschätzt. Das FG beurteilte die Grundstücke als Rohbauland und nahm daher entsprechend Tz. 4.3.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend die Bewertung von unbebauten Grundstücken nach dem Vierten Abschnitt des Bewertungsgesetzes (BewG) vom 15. April 1997 (BStBl I 1997, 394) einen Abschlag von 25 v.H. auf 41 625 € vor. Diesen Betrag teilte es im Verhältnis des gemeinen Werts des erworbenen Grundstücks zur Zuzahlung von 1 055,31 € auf und gelangte so zu einer Gegenleistung von 39 320,39 €.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger neben Verfahrensfehlern geltend, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung zu, und zwar wegen der Fragen
1. ob bei der Bewertung eines Grundstücks nach § 9 BewG der Preis unberücksichtigt bleiben darf, der beim Verkauf dieses Grundstücks tatsächlich erzielt wurde;
2. ob bei der Bewertung eines Grundstücks nach § 9 BewG der Preis unberücksichtigt bleiben darf, der beim Verkauf gleichwertiger Grundstücke tatsächlich erzielt wurde;
3. ob das FA bei der Bewertung eines Grundstücks nur zu Lasten des einen Tauschpartners die zu 1. und 2. genannten Preise unberücksichtigt lassen dürfe, nicht aber zu Lasten des anderen Tauschpartners;
4. ob § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) entsprechend auf Tauschvorgänge wie im Streitfall anzuwenden sei, die im Ergebnis einer Umlegung gleichkämen.
Zwar sollten freiwillige Umlegungen nicht mehr von der Besteuerung ausgenommen werden; im Streitfall sei der Tauschvorgang jedoch durch die Grundstücksvorgeschichte hoheitlich veranlasst. Geschehensabläufe, wie sie zu dem vorliegenden Tauschvorgang geführt hätten, habe der Gesetzgeber des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG nicht vorausgesehen. Als Verfahrensfehler rügt der Kläger Verletzungen seines Rechts auf Gehör sowie Verstöße gegen § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und mangelnde Sachaufklärung. Eine Verletzung des Rechts auf Gehör liege darin, dass das FG nicht auf folgenden Klagevortrag eingegangen sei:
1. Das eingetauschte Flurstück 106 sowie das vergleichbare Nachbargrundstück 107 seien am 22. Juni 2000 für 3,50 DM/qm verkauft worden.
2. Die drei Flurstücke 102, 103 und 104 seien nicht Teil des Grundstückstauschs gewesen, sondern kaufvertraglich übertragen worden, und zwar zum Preis von 3 DM/qm.
3. Am 2. Juni 1990 seien Grundstücke für 1,50 DM/qm verkauft worden.
4. Der Tauschpartner sei grunderwerbsteuerrechtlich anders, und zwar günstiger, behandelt worden.
Hinsichtlich der vorgetragenen Punkte 1 bis 3 liege auch ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO vor und hinsichtlich des ersten Punktes zusätzlich ein Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO. Schließlich habe das FG den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt, indem es trotz fehlender eigener Sachkunde unterlassen habe, ein neues Gutachten darüber einzuholen, wie die hingegebenen Flurstücke als nicht baureifes Land zu bewerten seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Bezüglich der Fragen von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zu 1. bis 3. ist die Beschwerde unzulässig, da es an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit fehlt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, wie der gemeine Wert unbebauter Grundstücke zu ermitteln ist. Nach den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. September 1980 III R 21/78 (BFHE 132, 101, BStBl II 1981, 153) sowie vom 21. Mai 1982 III B 32/81 (BFHE 136, 141, BStBl II 1982, 604) ist zunächst eine Wertermittlung durch den unmittelbaren Vergleich mit Kaufpreisen für Grundstücke gleicher Verkehrslagen, gleichen Erschließungsgrades und gleicher baulicher Nutzungsmöglichkeiten zu versuchen und erst dann, wenn es an einer ausreichenden Zahl stichtagsnaher Veräußerungen vergleichbarer Grundstücke im gewöhnlichen Geschäftsverkehr fehlen sollte, eine Wertermittlung durch Ableitung aus Durchschnittswerten (Richtwerten) oder --in Einzelfällen-- durch Gutachten vorzunehmen, wobei auch für den Gutachter die Kaufpreise vergleichbarer Grundstücke als Grundlage dienen sollen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, weshalb insoweit weiterer oder erneuter Klärungsbedarf bestehen solle. Vielmehr handelt es sich bei den drei ersten herausgestellten Rechtsfragen um eine in Frageform gekleidete Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung.
2. Bezüglich der vierten Frage ist die Beschwerde unbegründet. Mit Beschluss vom 6. September 1988 II B 98/88 (BFHE 154, 240, BStBl II 1988, 1008) hat der BFH ausgesprochen, dass sich die Ausnahme von der Besteuerung für den Übergang von Grundstücken im Umlegungsverfahren nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG nicht auf die freiwillige Umlegung erstreckt. Dies gilt trotz der Vorgeschichte der Grundstücke auch für den Streitfall. Die Eingriffe des Staates in die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse an den streitbefangenen Grundstücken in der Vergangenheit haben zwar eine Ursache für den vorgenommen Grundstückstausch gesetzt, sind aber nicht mit dem Ziel einer besseren Bodenordnung vorgenommen worden. Die vom Kläger vertretene Gleichstellung des konkreten Tauschvertrages mit einer Umlegung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG wäre aber nur dann in Betracht zu ziehen, wenn bereits die staatlichen Eingriffe in die Rechtsverhältnisse an den Grundstücken und nicht erst der spätere Tauschvertrag eine der Umlegung vergleichbare Zielsetzung verfolgt hätten. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
3. Hinsichtlich der Gehörsrügen ist die Beschwerde unzulässig. Insoweit genügt ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Bezüglich der Gehörsrüge zu 1. fehlt es an der Darlegung, dass es sich bei der Veräußerung des eingetauschten Grundstücks sowie des Flurstücks 107 vom 22. Juni 2000 um eine Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehandelt hat und sich die Wertverhältnisse zwischen dem 6. Mai 1999 und dem 22. Juni 2000 nicht verändert haben.
b) Die Gehörsrüge zu 2. greift schon deshalb nicht durch, weil sie bei näherem Hinsehen eine Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung darstellt. Das FG hat sich mit der Frage, ob hinsichtlich der Flurstücke 102, 103 und 104 ein Kaufvertrag vorliegt, eingehend befasst und ist dabei lediglich zu einem anderen Ergebnis gekommen als der Kläger.
c) Die Gehörsrüge zu 3. führt nicht zum Erfolg, weil es an der Darlegung fehlt, dass sich die Wertverhältnisse zwischen Juni 1990 und Mai 1991 nicht verändert haben und die Veräußerung vom Juni 1990 im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt ist.
d) Die Gehörsrüge zu 4. kann schon deshalb nicht durchgreifen, weil die Rechtmäßigkeit der Besteuerung des Tauschpartners nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gewesen ist.
4. Hinsichtlich der geltend gemachten Verstöße gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Beschwerde unzulässig. Soweit es dabei um den Hinweis auf den Grundstücksverkauf vom 2. Juni 1990 geht, fehlt es angesichts des großen Zeitabstandes an der Darlegung, welche Schlussfolgerung sich dem FA hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Mai 2000 X B 142/99, BFH/NV 2001, 16; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 120 Anm. 72). Die Frage, ob hinsichtlich der Flurstücke 102, 103 und 104 ein Kaufvertrag vorliegt, hat das FG offensichtlich nicht übergangen. Bezüglich des Hinweises auf den Weiterverkauf der erworbenen Teilfläche fehlt es wiederum an der Darlegung, welche Schlussfolgerungen sich dem FG unter Berücksichtigung der ebenfalls zum Akteninhalt gehörenden Tatsache, dass der Gutachterausschuss bekundet hat, sich den niedrigen Kaufpreis nicht erklären zu können, und angesichts des fehlenden Sachvortrags darüber, ob die Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr stattgefunden hat, hätte aufdrängen müssen.
5. Hinsichtlich der Rüge mangelnder Sachaufklärung fehlt es an der Darlegung, weshalb sich dem FG auch ohne Beweisantrag die Einholung eines erneuten Gutachtens hätte aufdrängen müssen. Das FG hatte mit Verfügung vom 15. August 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es gemäß Tz. 4.3.2 der Erlasse im BStBl I 1997, 394 verfahren wolle. Der Kläger hat dies nicht zum Anlass genommen, einen Beweisantrag zu stellen. Unter diesen Umständen musste sich dem FG die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht aufdrängen.
6. Soweit der Kläger dem FG vorhält, gegen die Denkgesetze verstoßen zu haben, handelt es sich nicht um eine Verfahrensrüge; vielmehr wird ein materieller Rechtsfehler geltend gemacht (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612).
Fundstellen
Haufe-Index 1457383 |
BFH/NV 2006, 365 |