Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenhändige Unterzeichnung eines Antrags auf Investitionszulage
Leitsatz (NV)
1. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass für eine eigenhändige Unterzeichnung des für eine GmbH gestellten Antrags auf Investitionszulage die Unterschrift eines Prokuristen oder sonstigen Vertreters nicht genügt.
2. Ebenso ist geklärt, dass der einem Zulagenbescheid beigefügte Vorbehalt der Nachprüfung in der Regel das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes verhindert, dass sich die Änderbarkeit eines unter dem Nachprüfungsvorbehalt stehenden Zulagenbescheides nicht von der eines Steuerbescheides unterscheidet und dass es keinen Unterschied macht, ob von der Änderungsbefugnis des § 164 Abs. 2 AO wegen formeller Mängel des Zulagenantrags oder aus materiell-rechtlichen Gründen Gebrauch gemacht wird.
3. Bei Prüfung einer "längeren Abwesenheit" i.S. von § 150 Abs. 3 S. 1 AO ist auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Frist nach § 6 Abs. 1 InvZulG 1996 abzustellen.
Normenkette
AO § 150 Abs. 3 S. 1, § 164; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; InvZulG 1996 § 6 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen 2 K 237/06) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Geschäftsführer A war. Bis zum 30. April 1999 war an der Klägerin die Firma B-GmbH atypisch still beteiligt.
Für Investitionen, die sie im Jahre 1998 in den neuen Bundesländern durchgeführt hatte, stellte die Klägerin im Januar 1999 einen Antrag auf Gewährung von Investitionszulage. Als Anspruchsberechtigter ist auf dem Antragsformular die Klägerin angegeben. Der Antrag ist vom Prokuristen der Klägerin (X) und von der Finanzbuchhalterin (Y) unterzeichnet, jeweils mit dem Zusatz "i.V.". Auf dem Vordruck ist vermerkt, dass bei Anfertigung des Antrags einer der Klägervertreter mitgewirkt hat.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gewährte durch Bescheid vom 4. März 1999, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand (§ 164 der Abgabenordnung --AO--), Investitionszulage von … DM.
Bei einer Außenprüfung wurde beanstandet, dass der Zulagenantrag nicht vom Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet worden war. Das FA setzte deshalb die Investitionszulage auf 0 DM fest.
Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend macht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO); außerdem habe das Finanzgericht (FG) den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch nicht eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 FGO). Die von der Klägerin angesprochenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig.
a) In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass ein für eine GmbH gestellter Antrag auf Investitionszulage gemäß § 6 Abs. 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 eigenhändig vom Geschäftsführer zu unterzeichnen war und deshalb die Unterschrift eines Prokuristen oder eines sonstigen Vertreters nicht genügte (Senatsurteile vom 15. Oktober 1998 III R 58/95, BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237; vom 17. Dezember 1998 III R 87/96, BFHE 188, 182, BStBl II 1999, 313; vom 30. Juni 1998 III R 5/97, BFH/NV 1999, 363; vom 29. März 2001 III R 48/98, BFHE 195, 1, BStBl II 2001, 629; vom 13. Dezember 2001 III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159; vom 16. Mai 2002 III R 27/01, BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668; Senatsbeschlüsse vom 28. Juli 2003 III B 129/02, BFH/NV 2003, 1610; vom 30. Juni 2004 III B 174/03, BFH/NV 2004, 1619; vom 14. Oktober 2004 III B 54/04, juris; vom 25. Februar 2005 III B 113/04, BFH/NV 2005, 1144; vom 31. Januar 2006 III B 57/05, BFH/NV 2006, 1047; vom 31. Januar 2007 III B 168/05, BFH/NV 2007, 977; vom 30. Juli 2007 III B 161/06, juris).
b) Ebenso ist geklärt, dass der Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO), der einem Bescheid über die Festsetzung von Investitionszulage beigefügt worden ist, in der Regel das Entstehen eines für die Bindung nach Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestandes verhindert (Senatsbeschluss vom 14. August 1997 III B 58/97, BFH/NV 1998, 83), dass sich die Änderbarkeit eines unter dem Nachprüfungsvorbehalt stehenden Zulagenbescheides nicht von der eines Steuerbescheides unterscheidet (Senatsbeschluss vom 23. März 1999 III B 107/98, BFH/NV 1999, 1307) und dass es keinen Unterschied macht, ob von der Änderungsbefugnis des § 164 Abs. 2 AO wegen formeller Mängel des Zulagenantrags oder aus materiell-rechtlichen Gründen Gebrauch gemacht wird (Senatsurteil vom 21. März 2002 III R 30/99, BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547; Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2004 III B 54/04, juris, sowie in BFH/NV 2005, 1144).
c) Die weiter von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob durch die Änderung des Zulagenbescheides nach § 164 Abs. 2 AO der "gesetzliche Vertrauenstatbestand des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO" verletzt worden sei, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung nur Rechtsprechung zu früheren Investitionszulagegesetzen veröffentlicht gewesen sei, nach denen keine eigenhändige Unterschrift auf dem Zulagenantrag erforderlich gewesen sei, ist ebenso wenig klärungsbedürftig. Denn gerade deshalb, weil nach früherer Rechtslage (z.B. § 5 Abs. 3 InvZulG 1986) keine eigenhändige Unterschrift notwendig war, liegt keine Rechtsprechungsänderung vor, die zu einem Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hätte führen können.
d) Weiterhin ist geklärt, dass bei Prüfung einer "längeren Abwesenheit" i.S. von § 150 Abs. 3 Satz 1 AO auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Stellung des Zulagenantrags abzustellen ist (Senatsurteil in BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668). Auch der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 4. Mai 2006 1 K 378/02 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 4), in dem diese Ansicht nicht geteilt wird, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
e) Unabhängig hiervon sind im Streitfall auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Geschäftsführer während seiner Abwesenheit postalisch nicht erreichbar war (s. hierzu Senatsurteil in BFHE 195, 1, BStBl II 2001, 629). Daher schiede eine Anwendung des § 150 Abs. 3 Satz 1 AO auch dann aus, wenn --entgegen der Senatsentscheidung in BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668-- für die Frage einer längeren Abwesenheit nicht auf das Ende der Antragsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzuheben wäre.
f) Ebenfalls geklärt ist durch die Senatsentscheidungen vom 16. Juni 1989 III R 173/85 (BFHE 157, 287, BStBl II 1989, 807) und vom 23. Februar 2006 III R 42/04 (BFH/NV 2006, 1348), dass das FA nicht verpflichtet ist, einen Investor vor Ablauf der Antragsfrist auf etwaige formelle Mängel hinzuweisen.
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zuzulassen.
a) Das FG hat im angefochtenen Urteil die Senatsrechtsprechung zur Frage der längeren Abwesenheit i.S. des § 150 Abs. 3 Satz 1 AO angewandt. Eine etwaige Divergenz zur Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt in EFG 2007, 4 ist somit kein Zulassungsgrund.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Revision auch nicht deshalb wegen Divergenz zuzulassen, weil das FG im angefochtenen Urteil anders als der BFH im Urteil vom 4. Oktober 1984 IV R 180/82 (BFH/NV 1986, 215) die Frage der Verwirkung nicht geprüft hat. Die Klägerin trägt damit selbst vor, dass das FG keinen abstrakten Rechtssatz zur Frage der Verwirkung aufgestellt hat, mit dem es von einem Rechtssatz in dem zitierten BFH-Urteil abgewichen sein könnte. Aus den vorstehend unter 1.b genannten Senatsentscheidungen zur Rückforderung von Investitionszulage aufgrund eines nachträglich entdeckten formellen Antragsmangels ergibt sich vielmehr, dass der Einwand der Verwirkung einer Rückforderung grundsätzlich nicht entgegensteht.
3. Schließlich liegt auch nicht der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO). Eine Gehörsverletzung ist nicht darin zu sehen, dass das FG in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich das Urteil des FG Sachsen-Anhalt in EFG 2007, 4 erwähnt hat. Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass sich das FG zur Frage einer "längeren Abwesenheit" i.S. des § 150 Abs. 3 Satz 1 AO der Rechtsauffassung des BFH angeschlossen hat und nicht der des FG Sachsen-Anhalt in EFG 2007, 4. Wenn das FG dies nicht eigens erwähnt hat, so liegt darin noch kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs.
4. Da das Vorbringen der Klägerin die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt, braucht der Senat nicht auf die Frage einzugehen, ob die Investitionszulage auch deshalb zu Recht zurückgefordert wurde, weil der Zulagenanspruch der aus der Klägerin und der B-GmbH bestehenden atypisch stillen Gesellschaft zustand und dies im Antrag nicht zum Ausdruck kam (s. Senatsurteil vom 3. Februar 2000 III R 4/97, BFH/NV 2000, 888).
Fundstellen
Haufe-Index 1987170 |
BFH/NV 2008, 1200 |