Entscheidungsstichwort (Thema)
Umdeutung einer unzulässigen Klage
Leitsatz (NV)
Die Umdeutung einer unzulässigen Klage in eine solche einer anderen Klageart setzt voraus, dass diese einem von einem nicht fachkundig vertretenen Kläger eindeutig geäußerten Klagebegehren in zulässiger Weise Rechnung tragen kann.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 04.04.2007; Aktenzeichen 7 K 22/06) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn eine im Interesse der Allgemeinheit zu klärende abstrakte Rechtsfrage ist im Streitfall nicht ersichtlich. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Frage formulieren, ob "auch ein unbestimmter, summenmäßig noch nicht konkretisierter Antrag im Sinne des § 41 FGO festzustellen" sei, "wenn der Kläger ausreichend darlegt, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass aus --wie vorliegend-- Vermietung und Verpachtung oder gewerblicher Betätigung weitere, steuerlich relevante und im Veranlagungsjahr festzustellende Verluste zu besorgen sind, diese jedoch aufgrund mangelnder oder von Dritten zurückgehaltener Unterlagen konkret nicht zu bestimmen sind," wird damit in der Sache das Klagebegehren im Einzelfall umschrieben, das auf die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in nicht bezifferbarer Höhe abzielt. Eine solche Feststellung kommt aber nach Maßgabe von § 10d EStG nicht in Betracht. Im Übrigen hat der Kläger --unabhängig von der konkreten Antragsformulierung (§ 65 Abs. 1 Satz 2, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO)-- das Klagebegehren nach Inhalt und Umfang zu fixieren (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO).
2. Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügten Verfahrensfehler sind zum Teil nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) und liegen im Übrigen nicht vor.
a) Die unterbliebene Umdeutung der unzulässigen Anfechtungsklage in eine Feststellungsklage begründet keinen Verfahrensfehler. Denn eine solche Feststellungsklage kam nicht in Betracht.
Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrte Feststellungsklage wäre auf die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG auf den 31. Dezember 2002 gerichtet; insbesondere beziehen sich die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren sachkundig vertretenen Kläger nicht auf das Jahr 2001. Da der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den gesamten Verlust aus dem Veranlagungsjahr 2002 in das Jahr 2001 zurückgetragen hat und aus seiner Sicht der Verlust verbraucht war, erfolgte zutreffend keine Verlustfeststellung für das Jahr 2002. Sofern ein Verlust ausgeglichen oder zurückgetragen ist, kommt es mangels eines verbleibenden Verlustes nicht zu einem Verlustvortrag und darum auch nicht zu einer diesbezüglichen Verlustfeststellung (herrschende Meinung, etwa Lambrecht in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 10d Rz 35). Lautet ein Einkommensteuerbescheid auf 0 €, muss der Steuerpflichtige innerhalb der Anfechtungsfrist für diesen Bescheid den Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug beantragen. Diesem Antrag würde durch den Erlass eines Feststellungsbescheids (Verwaltungsakt) bzw. dessen Ablehnung (ebenfalls Verwaltungsakt) entsprochen. Richtige Klageart wäre ggf. die Verpflichtungsklage, in deren Vorfeld ein Einspruchsverfahren durchzuführen wäre (§ 44 Abs. 1 FGO i.V.m. § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 der Abgabenordnung).
Über die Höhe eines im Verlustentstehungsjahr nicht ausgeglichenen Verlusts wird im Steuerfestsetzungsverfahren für das Verlustrücktragsjahr und hinsichtlich des verbleibenden Verlustvortrags für die dem Verlustentstehungsjahr folgenden Veranlagungszeiträume im Feststellungsverfahren bindend entschieden (Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 234). Über die Frage, ob und in welcher Höhe ein abziehbarer Verlust entstanden ist, wird nicht im Verlustjahr, sondern im jeweiligen Abzugsjahr entschieden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Oktober 1985 III R 71/85, BFH/NV 1986, 159).
Die Höhe des auszugleichenden Verlusts im Entstehungsjahr stellt einen unselbständigen Teil der Einkommensteuerfestsetzung dar und ist nicht selbständig anfechtbar. Mit förmlichem Rechtsbehelf kann nur der Steuerbescheid des Jahres angegriffen werden, in dem sich der Verlust steuermindernd auswirkt, d.h. das Jahr, in dem der Verlustabzug erstmals nicht mehr zu einer Steuer von 0 € führt (Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 149).
b) Soweit die Kläger eine unterlassene Gewährung von Akteneinsicht rügen, ist ein entsprechender Antrag seitens der Kläger nicht konkretisiert und auch nicht ersichtlich.
c) Auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn es handelt sich hierbei um einen verzichtbaren Verfahrensmangel, bei dem das Rügerecht nicht nur durch ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem Finanzgericht (FG) verlorengeht, sondern auch durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 2002 IV B 98/01, BFH/NV 2003, 326; vom 24. Juli 2003 IX B 24/03, BFH/NV 2004, 55, m.w.N.). Die Kläger haben sich aber in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nach Erörterung der Streitsache mit der Stellung des Klageantrags rügelos zur Sache eingelassen (vgl. Sitzungsprotokoll) und damit ihr Rügerecht verloren. Im Übrigen fehlt es für eine Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht an der schlüssigen Darlegung (§ 76 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), weshalb sich dem FG ohne entsprechenden Beweisantritt die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, und inwiefern die weitere Aufklärung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 2002 IX B 175/01, BFH/NV 2002, 793). Insbesondere ist dem Sitzungsprotokoll nicht zu entnehmen, welche Anhaltspunkte das FG haben sollte, in den von den Klägern als Beiladung und Streitverkündung benannten Instituten und Personen Beweisangebote zu sehen. Im Übrigen hätte in dem streitigen Verfahren zur Einkommensteuerfestsetzung 2002 eine weitere Verlustfeststellung zu keiner Steuerminderung führen können.
d) Das FG hat auch nicht § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO verletzt. Denn lt. Protokoll der mündlichen Verhandlung hat das FG den Kläger darauf hingewiesen, dass ihm für die erhobene Klage die Beschwer fehle. Eine weitergehende Aufklärungspflicht dahingehend, wie ein etwaiger Verlust verfahrensrechtlich geltend zu machen wäre, bestand nicht. Vielmehr enthält regelmäßig der Bescheid zur Einkommensteuerfestsetzung auf 0 € eine Rechtsbehelfsbelehrung dahin, dass der Steuerpflichtige, der entgegen dem vom FA der Festsetzung zu Grunde gelegten positiven Gesamtbetrag der Einkünfte seine negativen Einkünfte für nicht ausgeglichen hält, dies nur in einem Verfahren der Feststellung des verbleibenden Verlusts geltend machen kann und ggf. innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs beantragen muss. Enthält der Einkommensteuerbescheid keine entsprechende Belehrung, so kann dieser Antrag binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids gestellt werden (BFH-Urteil vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817).
§ 65 Abs. 2 Satz 1 FGO betrifft die Möglichkeit einer Fristsetzung, um den Inhalt der Klageschrift den Erfordernissen des § 65 Abs. 1 FGO erforderlichenfalls anzupassen. Die erhobene Klage genügte diesen Anforderungen jedoch. Eine Hinweispflicht des FG dahingehend, dass ggf. eine andere Klage zu erheben wäre, enthält § 65 FGO nicht.
e) Soweit sich der Kläger darauf beruft, in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Ablehnung des Einzelrichters wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt zu haben, über den Antrag jedoch keine Entscheidung getroffen worden sei, steht dies im Widerspruch zu der protokollierten Aussage des Klägers, er habe die Verhandlung vor dem abgelehnten Richter vorsätzlich weiterführen lassen und damit auf sein Ablehnungsrecht verzichtet. Im Übrigen tragen die Kläger keinen Grund vor, der geeignet wäre, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Einzelrichters zu rechtfertigen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Dezember 1992 2 BvF 2/90 und 4, 5/92, BVerfGE 88, 17 unter II. 1. der Gründe; BFH-Beschluss vom 23. Oktober 2007 XI B 110/07, BFH/NV 2008, 235). Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels erfordert aber, diejenigen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig zu bezeichnen, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergeben soll (BFH-Beschluss vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1999551 |
BFH/NV 2008, 1179 |