Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Beschwerde; Streitverkündung
Leitsatz (NV)
- Soweit eine in der FGO nicht vorgesehene außerordentliche Beschwerde für statthaft gehalten wird, muss diese innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 129 Abs. 1 FGO eingelegt werden.
- Eine Streitverkündung ist im finanzgerichtlichen Verfahren nicht statthaft.
Normenkette
FGO § 129 Abs. 1, § 59; ZPO § 73
Tatbestand
I. Vor dem Finanzgericht (FG) streiten die Beteiligten über das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2002 erklärten die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Streitverkündung an die Firma X und Partner GbR (GbR) mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beizutreten. Das FG wurde gebeten, die Streitverkündungsschriften der GbR alsbald zuzustellen. Das FG wies die Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 2002 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf hin, dass in der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Streitverkündung nicht vorgesehen sei. Im Streitfall lägen auch die Voraussetzungen des § 60 FGO für eine Beiladung der GbR nicht vor.
Gegen die Nichtzustellung der Streitverkündung legten die Kläger am 4. März 2002 mit der Begründung "Beschwerde" ein, aus der Generalverweisung des § 155 FGO ergebe sich, dass auch die Vorschriften der §§ 72 bis 74 der Zivilprozessordnung (ZPO) anwendbar seien. Das FG legte das Schreiben als Antrag auf Entscheidung über die Zulassung der Streitverkündung und Zustellung der Streitverkündungsschriftsätze durch das FG aus. Mit Beschluss vom 13. Mai 2002 lehnte es den Antrag ab und wies zur Begründung darauf hin, dass es sich der den Klägern bereits mitgeteilten Auffassung des BFH anschließe, nach der die FGO eine Streitverkündung für das finanzgerichtliche Verfahren nicht vorsehe. Für die Beteiligung Dritter stehe stattdessen die besonders weitgespannte Regelung der Beiladung nach § 60 FGO zur Verfügung (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 6. Februar 1986 VII R 61-62/85, BFH/NV 1986, 476). An der Entscheidung wirkten der Vorsitzende Richter am FG Dr. A und die Richter am FG Dr. B und Dr. C mit.
Gegen den Beschluss legten die Kläger Beschwerde ein. Zur Begründung tragen sie vor, an der angefochtenen Entscheidung habe ein von ihnen für befangen gehaltener Richter mitgewirkt. Zudem sei die Ablehnung der Streitverkündung rechtswidrig.
Richter am FG C sei von ihnen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Gegen den mit völlig unzureichenden Gründen versehenen, abweisenden Beschluss vom 11. Februar 2002 ―zugestellt am 13. Februar 2002― hätten sie unter dem 12. März 2002 eine außerordentliche Beschwerde erhoben und den Richter am FG C mit Schriftsatz vom gleichen Tage erneut abgelehnt. Mit Beschluss vom 23. April 2002 habe das FG über das erneute Ablehnungsgesuch entschieden und es abgelehnt. Auf was sich dieser Beschluss allerdings exakt beziehe, sei unklar. Aus dem Rubrum gehe klar hervor, dass nicht gleichzeitig über die außerordentliche Beschwerde sowie die erneute Ablehnung entschieden worden sei, da nicht beide Schriftsätze im Rubrum aufgeführt würden. Auch die Gründe befassten sich nur mit dem ersten Verfahren bzw. der ersten Ablehnung. Der Beschluss beziehe sich daher wohl nur auf die außerordentliche Beschwerde und lehne deren Zulässigkeit ab. Das zeige schon der Hinweis in den Gründen auf den Beschluss des BFH vom 24. Februar 2000 IV S 16/99 (BFH/NV 2000, 1207). Über das weitere Ablehnungsgesuch vom 12. März 2002 habe das FG weder in dem vorgenannten Beschluss noch in der Folgezeit entschieden. In der Streitsache habe daher ein Richter als Berichterstatter mitgewirkt, gegen den ein Ablehnungsantrag laufe.
Die Kläger beantragen, den angefochtenen Beschluss dahin gehend zu ändern, dass die gesamten Schriftsätze der Streitverkündeten zugestellt werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Kläger sehen einen Verfahrensmangel darin, dass der an der angefochtenen Entscheidung mitwirkende Richter am FG C befangen gewesen sei, denn das FG habe ihren erneuten Antrag auf Ablehnung vom 12. März 2002 noch nicht beschieden. Mit diesem Vorbringen wird eine zulässige Verfahrensrüge nicht erhoben. Denn das FG hat über den vorgenannten Befangenheitsantrag der Kläger mit dem Beschluss vom 23. April 2002 entschieden, an dem Richter am FG C nicht mitgewirkt hat. Entgegen der Annahme der Kläger geht dies aus dem Beschluss eindeutig hervor.
Denn im Tenor der Entscheidung wird "das erneute Gesuch auf Ablehnung des Richters am FG Dr. C" abgelehnt. In den Gründen wird unter Hinweis auf den BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 1207 ausgeführt, der erneute Antrag auf Ablehnung sei unzulässig, weil die Kläger keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen hätten.
Über die außerordentliche Beschwerde gegen den Beschluss vom 11. Februar 2002 hat das FG ebenfalls entschieden. Es führte in den Gründen des Beschlusses vom 23. April 2002 aus, nach seiner Auffassung sei die außerordentliche Beschwerde unstatthaft, jedenfalls aber erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erhoben. Der nach § 128 Abs. 2 FGO nicht anfechtbare Beschluss vom 11. Februar 2002 sei daher mit Ergehen rechtskräftig geworden. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
Selbst wenn man eine außerordentliche Beschwerde auch in den Fällen für statthaft hält, in denen ein Rechtsmittel wie hier gemäß § 128 Abs. 2 FGO nicht gegeben ist, muss diese innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 129 Abs. 1 FGO eingelegt werden (BFH-Beschluss vom 7. Januar 2000 VII B 292/99, BFH/NV 2000, 481), was im Streitfall nicht geschehen ist. Die Beschwerde gegen den am 13. Februar 2002 zugestellten Beschluss ging erst am 15. März 2002 beim FG ein. Dass das FG die außerordentliche Beschwerde nicht im Tenor des Beschlusses vom 23. April 2002 ausdrücklich verworfen hat, hat auf den Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 11. Februar 2002 keinen Einfluss.
2. Das FG hat zutreffend eine von den Klägern aus § 155 FGO i.V.m. § 73 ZPO hergeleitete Verpflichtung verneint, die Streitverkündungsschriften der GbR zuzustellen. Eine Streitverkündung ist im Steuerprozess nicht statthaft. Das folgt zum einen aus § 59 FGO, der die §§ 66 und 72 bis 74 ZPO nicht erwähnt und damit für den Geltungsbereich der FGO ausschließt, zum anderen aus der Besonderheit des finanzgerichtlichen Verfahrens. Dieses sieht als einzige Form der Prozessbeteiligung Dritter die Beiladung (§ 60 FGO) vor und ist auch insoweit auf Rechtsschutzgewährung im Bereich des Abgabenrechts beschränkt. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, diese von Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretene Ansicht in Zweifel zu ziehen (vgl. die BFH-Entscheidungen vom 20. Februar 1970 III R 75/66, BFHE 98, 553, BStBl II 1970, 484, und vom 7. März 1990 X B 87/89, BFH/NV 1990, 787, jeweils m.w.N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 59 Rz. 1 und § 60 Rz. 1; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 57 FGO Rz. 5).
Fundstellen