Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung einer Erledigungserklärung im finanzgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (NV)
- Die Zuständigkeit des Finanzamts für den Erlass eines Abrechnungsbescheids hängt von dem streitigen Anspruch ab, über den abgerechnet werden soll.
- Eine Erledigungserklärung im finanzgerichtlichen Verfahren hat keine Bindungswirkung wie ein finanzgerichtliches Urteil.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 2; FGO §§ 110, 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1999, 930) |
Tatbestand
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Steuerberatungsgesellschaft, ließ sich von der N GmbH (GmbH) einen für diese festgesetzten Überschuss (Umsatzsteuer) für 1986 wegen Honoraransprüchen abtreten (Abtretungsanzeige vom 24. April 1989) und erklärte die Aufrechnung gegen eigene Steuerschulden. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) lehnte es in dem Abrechnungsbescheid vom 22. Juni 1990 ab, den Überschuss auszuzahlen, weil die Abtretung unwirksam (§ 46 Abs. 4 der Abgabenordnung ―AO 1977―) sei. Während des Einspruchsverfahrens gegen den Abrechnungsbescheid wurde gegen die GmbH für 1987 Umsatzsteuer festgesetzt. Daraufhin wurden 30 699 DM nachgefordert und zum 16. Juli 1990 vorzeitig fällig gestellt. Wegen einer Aufrechnung des FA mit dem Überschuss der GmbH aus der Umsatzsteuerfestsetzung für 1986 wurde an die GmbH nur der 30 699 DM übersteigende Betrag (von 1 336,17 DM) überwiesen.
Die Klägerin reichte eine weitere Abtretungsanzeige (vom 7. September 1989) wegen des erwähnten Umsatzsteuer-Überschusses der GmbH für 1986 ein und erklärte vorsorglich die Aufrechnung gegen eigene Lohnsteuerverbindlichkeiten.
Nachdem der Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid zurückgewiesen worden war, erhob die Klägerin Klage. Das FA hob den Abrechnungsbescheid während des finanzgerichtlichen Verfahrens wegen formeller Bedenken auf. Darauf erklärten die Beteiligten das Verfahren X für erledigt.
Nachdem sich die Erwartung der Klägerin, dass ihr nunmehr der abgetretene Überschuss überwiesen werde, nicht erfüllt hatte, erhob sie nach erfolglosem Vorverfahren Klage auf Auszahlung dieses Überschusses, hilfsweise auf Erlass eines entsprechenden Abrechnungsbescheids. Im Verlauf dieses Klageverfahrens erließ das FA erneut einen Abrechnungsbescheid (vom 8. September 1998) und lehnte die Auszahlung des Guthabens ab. Den zunächst mit dem Einspruch angefochtenen Abrechnungsbescheid erklärte die Klägerin zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es sah den Hauptantrag auf Auszahlung des von der GmbH als abgetreten angezeigten Überschusses wegen Umsatzsteuer 1986 als unzulässig an, weil der Streit durch Abrechnungsbescheid entschieden werden müsse. Die hilfsweise erhobene Klage auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids mit einem Guthaben von 32 000 DM wies das FG ab, weil der Klägerin kein Anspruch abgetreten worden sei. Die Abtretung, die am 24. April 1989 angezeigt worden sei, sei nicht wirksam, weil der Abtretungsgrund nicht bezeichnet worden sei. Die durch Anzeige vom 7. September 1989 mitgeteilte Abtretung sei unwirksam (§ 46 Abs. 4 AO 1977), weil die Klägerin geschäftsmäßig Erstattungsansprüche zur Einziehung und Verwertung auf eigene Rechnung erworben habe. Seit der zweiten Abtretungsanzeige verblieben nicht unerhebliche neun Fälle, in denen an die Klägerin Steuererstattungsansprüche abgetreten worden seien.
Wegen der weiteren Begründung wird auf das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 930 veröffentlichte Urteil verwiesen.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO bezeichneten Zulassungsgründe.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
a) Soweit die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, sind die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), wenn in dem zuzulassenden Revisionsverfahren eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, z.B. Beschluss vom 4. Februar 1999 IX B 170/98, BFH/NV 1999, 908, m.w.N.).
Selbst wenn zugunsten der Klägerin die Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stellt, als erfüllt angesehen werden, besteht für die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen kein Bedürfnis für eine Klärung in einem Revisionsverfahren. Die von ihr gestellten Rechtsfragen sind ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen oder für ihre Lösung sind die Besonderheiten des Einzelfalls maßgebend.
Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nach der Zuständigkeit für den Erlass eines Abrechnungsbescheids hängt nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 davon ab, um welchen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis gestritten und durch Abrechnungsbescheid entschieden wird. Die außerdem aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Erledigungserklärung im finanzgerichtlichen Verfahren eine ähnliche Bindungswirkung wie ein Urteil habe, ist nach § 110 FGO zu verneinen. Schließlich ist die Frage, welche Zahl von Abtretungsfällen für einen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen i.S. von § 46 Abs. 4 AO 1977 vorliegen müsse, nicht abstrakt, sondern nur aufgrund der Besonderheiten im Einzelfall zu beantworten.
b) Soweit die Klägerin Zulassung der Revision wegen Abweichung der Vorentscheidung von einer Entscheidung des BFH begehrt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), genügt ihre Beschwerde nicht den Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Klägerin bezeichnet keine entscheidungserheblichen Rechtssätze aus dem finanzgerichtlichen Urteil und keine abstrakten Rechtssätze aus der Entscheidung des BFH so genau, dass aufgrund der gegenübergestellten Rechtssätze erkennbar wird, dass sie unvereinbar sind (vgl. zu den Anforderungen z.B. BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Das gilt sowohl für die angebliche Abweichung des FG von höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Leistungsklage auf Auszahlung einer Erstattung als auch von der Rechtsprechung des BFH zum Verhältnis von Leistungsklage zur Verpflichtung, einen Abrechnungsbescheid zu erteilen. Das FG hat sich für seine Auffassung gerade auf die Rechtsprechung des BFH berufen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Vorentscheidung auf der angenommenen Abweichung beruht. Es gibt dafür auch keine Hinweise. Das FG hat die Klage in erster Linie abgewiesen, weil der Klägerin kein Steuererstattungsanspruch abgetreten worden war, der hätte ausgezahlt oder durch Abrechnungsbescheid hätte festgesetzt werden können.
Das Gleiche gilt für die weiter geltend gemachten Abweichungen des FG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Gutglaubensschutz, zur Zahl der Abtretungen, dem dafür maßgebenden Zeitraum und zur Beurteilung der Zuständigkeit für den Erlass von Abrechnungsbescheiden. Die Klägerin bezeichnet keine divergierenden Rechtssätze. Vielmehr setzt die Klägerin ―unzutreffend― die ihrer Meinung nach gegebene fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG mit einer Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO gleich.
c) Die Revision der Klägerin ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Auch insoweit entspricht ihre Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt. Die Klägerin geht außerdem von Voraussetzungen aus, die nicht gegeben sind.
Soweit die Klägerin rügt, das FG habe gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, weil es die Zahl der Abtretungen und den Inhalt der Abtretungsanzeigen nicht eingehender untersucht und keine Beweise erhoben habe, hat sie ―was nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juni 1998 VII B 67/98, BFH/NV 1999, 54, m.w.N.)― in der Beschwerdebegründung nicht bezeichnet, welche weitere Aufklärung sich dem FG ―nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung― von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht gestellt worden war und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.
Die Klägerin hat die von ihr erwähnten Beweisanträge nicht näher bezeichnet und nicht erläutert, welches Beweisergebnis mit welcher Auswirkung auf die Entscheidung dadurch erzielbar gewesen wäre.
Im Übrigen musste sich dem FG auch keine weitere Sachverhaltsaufklärung für die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen aufdrängen. Die Darlegung der Klägerin im Zusammenhang mit der Verletzung der Sachaufklärung durch das FG trifft nicht zu, dass das FG die Akten des Verfahrens X nicht beigezogen habe.
Das FG hat diese Akten antragsgemäß beigezogen. Es hatte auch keinen Anlass, eine Beweiserhebung über die in diesen Akten abgelichteten Abtretungsanzeigen der Klägerin durchzuführen. Dass sie in dieses Verfahren eingeführt worden waren und dass das FA die Abtretung, die der Anzeige vom 19. Juli 1990 zugrunde lag, wegen geschäftsmäßigen Erwerbs von Erstattungsansprüchen nach der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 1992 als unwirksam ansah, musste der Klägerin bekannt sein. Das FA hatte in der Einspruchsentscheidung 17 Abtretungsanzeigen in 3 Jahren erwähnt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hatte im FA am 18. Mai 1993 Akteneinsicht genommen. Das FA hatte zudem in den Schriftsätzen vom 17. März 1999 und 26. April 1999 darauf hingewiesen, dass die Rücknahme des ursprünglichen Abrechnungsbescheids vom 22. Juni 1990 keine Auswirkung auf den vorher wegen der Vielzahl der Abtretungsanzeigen und wegen anderer Kriterien aufgekommenen Verdacht des geschäftsmäßigen Erwerbs von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen habe. Das FG musste die Wirksamkeit der Abtretung (§ 46 Abs. 4 AO 1977) prüfen, ohne an die Auffassungen der Beteiligten gebunden zu sein. Dass es dabei die bezeichneten Abtretungsanzeigen würdigen musste, konnte die Klägerin nicht überraschen. Sie hätte Beweis für die Umstände antreten müssen, die ihrer Ansicht nach eine Geschäftsmäßigkeit ausschließen sollten.
Auf die Zahl der tatsächlich durchgeführten Abtretungen kam es nach der maßgebenden Beurteilung des FG nicht an, so dass insoweit auch kein weiterer Aufklärungsbedarf gegeben sein konnte.
Die Darlegungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Zahlungsverjährung, der Zuständigkeit des FA und der Verfahrensdauer betreffen keine Verfahrensfehler, sondern richten sich gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen