Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Doppelbesteuerungsabkommen
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I B 148/59 U vom 30. August 1960 (BStBl 1960 III S. 468) und I B 223/61 S vom 16. August 1962 (BStBl 1962 III S. 477), nach denen ein verpachteter Betrieb grundsätzlich nicht als Betriebstätte des Verpächters anzusehen ist, gelten auch für den Fall, daß der Pächter den Betrieb weiterverpachtet.
Ist der Verpächter über die Kontrolle der verpachteten Anlagen hinaus berechtigt, auch die Betriebsführung des Pächters zu kontrollieren, so ist darin keine betriebliche Handlung im Sinne eines umgehenden Betriebs zu sehen, die die Annahme einer Betriebstätte des Verpächters rechtfertigt.
Normenkette
GewStG §§ 28-29, 31; OECD-MA 5; StAnpG § 16 Abs. 1; GewStG § 29/1/2, § 31 Ziff. 2; OECD-MA 5/1; OECD-MA 5/2
Tatbestand
Das Finanzamt hat die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1956 bis 1959, die es für die zunächst als Kommanditgesellschaft und ab 1969 als offene Handelsgesellschaft geführte Firma A. (im nachfolgenden: Gesellschaft) festgesetzt hat, gemäß den §§ 28 ff. GewStG auf die vorbezeichneten Gemeinden in den jeweils für sie in Betracht kommenden Erhebungszeiträumen zerlegt. Da die Gesellschaft in keinem der genannten Erhebungszeiträume Arbeitnehmer beschäftigte, war Zerlegungsmaßstab der Betrag von 10.000 DM, der gemäß § 31 Ziff. 2 GewStG "für die im Betrieb tätigen Mitunternehmer insgesamt jährlich anzusetzen ist".
Die Gemeinde X - beschwerdeführende Gemeinde, Bfin. - ist - im Gegensatz zu allen anderen Verfahrensbeteiligten einschließlich der Gesellschaft - der Auffassung, daß die Voraussetzungen für eine Zerlegung nicht gegeben seien, weil sie allein die hebeberechtigte Gemeinde sei.
Ihre Beschwerde gegen die Zerlegungsbescheide des Finanzamts hatte keinen Erfolg. Dagegen richtet sich ihre weitere Beschwerde (§ 388 AO).
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion und die ergangenen Zerlegungsbescheide sind aufzuheben, da hebeberechtigt allein die Bfin. ist.
Der Sachverhalt, auf den es für die Entscheidung ankommt, ist folgender. Zwischen der Gesellschaft, deren Geschäftsleitung sich seit dem 1. Januar 1956 in X befindet, und den Sennereigenossenschaften in den einzelnen Gemeinden bestanden in den jeweils in Betracht kommenden Jahren Milchkauf- und Pachtverträge, durch die sich die Genossenschaften verpflichteten, die von ihren Genossen gewonnene Milch an die Gesellschaft zu verkaufen, und durch die sie außerdem ihr Käsereigelände (Sennereilokale) mit den vorhandenen Einrichtungen an die Gesellschaft verpachteten. Ein weiterer Pachtvertrag (Unterpacht) bestand zwischen der Gesellschaft und der B.-GmbH in C. - im nachfolgenden GmbH -, durch den die Gesellschaft die Käsereigelände samt den ihr gehörigen Einrichtungsgegenständen an die GmbH zur "selbständigen Betriebsfortführung auf eigene Rechnung und Gefahr" (Milchverarbeitung) weiterverpachtet und in dem sie außerdem die Verpflichtung übernahm, die - wie schon bisher - durch sie bei den Genossenschaften aufgekaufte Milch der GmbH "unverarbeitet zum Einkaufspreis käuflich zu überlassen". Der von der GmbH an die Gesellschaft zu entrichtende Pachtzins errechnete sich "pro kg angelieferter Milch".
In dem mit der GmbH geschlossenen Vertrag behielt sich die Gesellschaft gegenüber der GmbH Rechte vor, die in Abschn. VIII des Vertrages wie folgt niedergelegt sind:
"Die Verpächterin ist berechtigt, sich jederzeit, auch durch Beauftragte, durch Augenschein und Einsichtnahme in die wesentlichen Betriebsvorgänge davon zu überzeugen, daß die verpachteten Betriebe ordnungsgemäß und ohne Beanstandung geführt werden und daß die Bestimmungen der Hauptverpächter eingehalten werden. Mängel und Zuwiderhandlungen, die hierbei festgestellt werden sollten, sind von der Pächterin binnen einer Woche nach schriftlicher Aufforderung zu beseitigen, andernfalls ist die Verpächterin berechtigt, die Beseitigung auf Rechnung der Pächterin selbst vorzunehmen".
Die Vorinstanz und ein wesentlicher Teil der verfahrensbeteiligten Gemeinden begründen - im Ergebnis zusammengefaßt - die von ihnen bejahten Zerlegungsvoraussetzungen wie folgt. Die Gesellschaft habe durch einen ihrer Gesellschafter in den an die GmbH weiterverpachteten Sennereilokalen in Wahrnehmung ihrer vertraglichen Befugnisse nicht nur die ordnungsmäßige Behandlung der verpachteten Anlagen kontrolliert. Sie habe vielmehr in Wahrnehmung ihrer Befugnisse laufend und ständig durch diesen Gesellschafter unmittelbar in die Betriebsführung der GmbH in einer Weise eingegriffen, daß auch sie sich in den Sennereilokalen betrieblich betätigt habe. Diese Lokale seien daher nicht nur als Betriebstätten der GmbH, sondern auch als Betriebstätten der Gesellschaft anzusehen, was sich auch weiterhin daraus ergebe, daß diese ihre Milchlieferungen an die GmbH, zu denen sie sich nach dem Unterpachtvertrag verpflichtet habe, ohne Inanspruchnahme der Sennereilokale als Betriebstätten nicht hätte durchführen können. Der Ankauf wie der Verkauf der Milch sowie die gesetzlich vorgeschriebenen im Interesse des Milchlieferers liegenden Milchproben seien in den Sennereilokalen erfolgt, wodurch dargetan werde, daß es sich bei diesen Lokalen nicht nur um Betriebstätten der GmbH, sondern auch um Betriebstätten der Gesellschaft gehandelt habe.
Die Bfin. weist demgegenüber darauf hin, daß sich die Tätigkeit der Gesellschaft bei der Wahrnehmung ihrer Kontrollbefugnisse darauf beschränkt habe, die ordnungsgemäßige Behandlung der verpachteten Anlagen zu kontrollieren. Die ordnungsgemäße Milchverarbeitung und Käseherstellung sei Sache der GmbH gewesen und habe nicht der Kontrolle durch die Gesellschaft unterlegen. Die Milch sei von den Bauern (Genossenschaftsmitgliedern) in ihren eigenen Kannen in die Sennereilokale gebracht und dort von den Arbeitnehmern der GmbH zur unmittelbaren Verarbeitung in Empfang genommen worden. Die gesetzlich vorgeschriebene und ausschließlich im Interesse der Verbraucher liegende Milchkontrolle könne letztlich nur bei dem milchverarbeitenden Betrieb, d. h. in den Betriebstätten der GmbH, durchgeführt werden, die Sennereilokale seien mithin lediglich Betriebstätten der GmbH, die ausschließlich der Milchverarbeitung durch die GmbH dienten. Bei dieser Sachlage könne keine Rede davon sein, daß sie gleichzeitig auch Betriebstätten der Gesellschaft seien.
Dem tritt der Senat im Ergebnis aus zwei Gründen bei. Wie die Vorinstanz - von allen Verfahrensbeteiligten unbestritten - in der angefochtenen Beschwerdeentscheidung festgestellt hat, hat das Finanzamt eine gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft lediglich in der Unterverpachtung der Sennereilokale an die GmbH gesehen und ist demgemäß davon bei der Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge ausgegangen, so daß die Gewerbesteuer auf dem durch die Unterverpachtung angefallene Pachtzins und Gewerbeertrag beruht. Das entspricht auch der Rechtslage. Denn, da die Milchlieferungen durch die Gesellschaft an die GmbH vertraglich zum Einkaufspreis zu erfolgen hatten und auch erfolgten, fehlt es insoweit für die Annahme gewerblicher Tätigkeit an der Absicht der Gewinnerzielung. Ein Gewerbeertrag im Sinne des GewStG konnte bei diesen Lieferungen für die Gesellschaft nicht anfallen. Sie müssen daher für die Beurteilung der Frage, ob die Betriebstätten der GmbH (sennereilokale) gleichzeitig auch Betriebstätten der Gesellschaft waren, außer Betracht bleiben, wobei der Senat allerdings bemerkt, daß er diese Frage im übrigen auch aus den von der Bfin. dargelegten Gründen verneinen würde; insbesondere deshalb, weil die angelieferte Milch unmittelbar von den einzelnen Genossen in die einzelnen Milchverarbeitungsstellen der GmbH gelangte.
Die Beurteilung der Unterverpachtung durch das Finanzamt als gewerbliche Tätigkeit ist für den Senat bindend. Sie kann im Zerlegungsverfahren nicht erörtert werden (§ 388 Abs. 3 AO).
Der Senat hat lediglich zu entscheiden, ob die Gesellschaft die Unterverpachtung der Sennereilokale an die GmbH in einer Weise durchgeführt hat, daß darin eine "betriebstättenbegründende Tätigkeit" der Verpächterin im Sinne der Vorinstanz und der ihr zustimmenden verfahrensbeteiligten Gemeinden gesehen werden kann. Das ist zu verneinen.
Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verpächter noch eine Betriebstätte unterhält, hat sich der Bundesfinanzhof in zwei veröffentlichten Entscheidungen befaßt, deren Grundsätze auch für das Verhältnis von Hauptpächter und Unterpächter gelten müssen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs I B 148/59 U vom 30. August 1960, BStBl 1960 III S. 468, Slg. Bd. 71 S. 585; I B 223/61 S vom 16. August 1962, BStBl 1962 III S. 477, Slg. Bd. 75 S. 573). Danach hat grundsätzlich bei Verpachtungen der Verpächter in dem verpachteten Betriebsvermögen keine Betriebstätte. Es besteht im allgemeinen lediglich eine Betriebstätte des Pächters, der seinen Gewerbebetrieb in der gepachteten Anlage ausübt. Die sich für den Verpächter aus der Verpachtung im allgemeinen ergebenden Handlungen, wie die regelmäßige Kontrolle der verpachteten Anlage und die Einziehung des Pachtzinses, auch wenn diese am Pachtort erfolgt, sind keine betrieblichen Handlungen des Verpächters am Ort der verpachteten Betriebsanlage. Sie rechtfertigen nicht für sich betrachtet die Feststellung eines "umgehenden Betriebs" in einer Betriebstätte. Diese Handlungen sind vielmehr nur die rechtliche und vertragliche Folge aus der vom Verpächter bereits durchgeführten Verpachtung. Nur solche Tätigkeiten des Verpächters, die der Durchführung der Verpachtung - d . h. der Gebrauchsüberlassung selbst - dienen und damit Handlungen zur Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr sind, können zur Annahme einer Betriebstätte des Verpächters führen. In dieser Hinsicht hat die genannte Entscheidung I B 148/59 U eine Betriebstätte des Verpächters beispielsweise für den Fall bejaht, daß der Verpächter zur Pflege und zur Instandhaltung der verpachteten Betriebsanlage eigenes oder beauftragtes Personal in dieser Betriebstätte beschäftigt.
In diesem Sinne hat die Gesellschaft als Verpächterin keine Handlungen in den an die GmbH unterverpachteten Sennereilokalen vorgenommen, die es rechtfertigen könnten, diese Lokale zugleich als ihre Betriebstätten anzusehen. Zur Pflege und zur Instandhaltung der Sennereilokale und ihrer Einrichtung war die GmbH verpflichtet. Die in Abschn. VIII des Vertrages vorgesehenen Kontrollbefugnisse reichen aus den dargelegten Gründen nicht aus, um die Betriebstätten der GmbH als von der Gesellschaft "mitbenützte" Betriebstätten zu beurteilen. Das muß insbesondere auch dann gelten, wenn - was die Bfin. bestreitet - Abschn. VIII des Vertrages dahin zu verstehen sein sollte, daß der Gesellschaft als Verpächterin auch das Recht zustehen sollte, "die Herstellung von Molkereiprodukten und die Milchverarbeitung" der GmbH zu kontrollieren. Auch diese - sicher sehr weitgehenden Kontrollen - würden nicht der Durchführung der Verpachtung, d. h. der Gebrauchsüberlassung als solcher dienen, sondern der Erfüllung derjenigen Verpflichtung, die sich für die Gesellschaft als Hauptpächterin aus ihren Pachtverträgen mit den einzelnen Sennereigenossenschaften ergaben (vgl. auch Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 156/58 S vom 9. März 1962, BStBl 1962 III S. 227, Slg. Bd. 74 S. 614).
Abgesehen von den dargelegten Gründen müßten im Streitfall die Zerlegungsvoraussetzungen im Sinne des GewStG auch aus den Erwägungen des Senats in seiner Entscheidung IV B 164/64 U vom 16. September 1964 (BStBl 1965 III S. 69) verneint werden. Danach setzt die Zerlegung des Unternehmerlohns voraus, daß die Gesellschaft geschäftsleitend an mehr als einer Betriebstätte tätig war. Geschäftsleitend war sie jedoch - was die Durchführung der Verpachtung als solcher anlangt - nur in der Gemeinde X als dem räumlichen Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Oberleitung und damit dem Sitz ihrer Geschäftsleitung tätig.
Fundstellen
Haufe-Index 411581 |
BStBl III 1965, 324 |
BFHE 1965, 217 |
BFHE 82, 217 |