Leitsatz (amtlich)
Auch unter der Herrschaft der FGO gilt der Grundsatz, daß nur ein Streitwert festzusetzen ist, wenn über mehrere Steuerfälle - z. B. die Körperschaftsteuer für mehrere Veranlagungszeiträume - in einer Rechtsbehelfsentscheidung entschieden wird.
Normenkette
FGO § 140 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob im Fall der objektiven Klagenhäufung für jeden der Veranlagungszeiträume ein Streitwert oder ob ein Streitwert für alle Veranlagungszeiträume zusammen festzusetzen ist.
Der Beschwerdegegner (FA) hatte den von dem Beschwerdeführer (Prozeßbevollmächtigten) vertretenen Steuerpflichtigen durch getrennte Steuerbescheide für die Jahre 1955 bis 1959 zur Körperschaftsteuer herangezogen. Im Einspruchsverfahren erging hingegen eine die Jahre 1955 bis 1959 zusammenfassende Einspruchsentscheidung. Auf die Berufung des Steuerpflichtigen entschied das FG durch ein ebenfalls alle Streitjahre umfassendes Urteil. Auch der BFH traf seine Revisionsentscheidung zusammengefaßt für alle Streitjahre. Die Vorentscheidung wurde aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Dort erledigte sich der Rechtsstreit durch die Erteilung von Änderungsbescheiden nach § 94 AO, mit denen das FA dem Klagebegehren des Steuerpflichtigen entsprach.
Durch den angefochtenen Beschluß setzte das FG den Streitwert sowohl für das Klageverfahren wie für das Revisionsverfahren auf je 27 910 DM fest. Der Betrag ergab sich aus der Zusammenzählung der für die einzelnen Jahre streitigen Beträge. Dem Antrag, für jedes Jahr getrennt einen Streitwert festzusetzen, entsprach das FG nicht.
Mit der Beschwerde beantragt der Prozeßbevollmächtigte des Steuerpflichtigen erneut, für jedes Streitjahr einen Streitwert festzusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat zutreffend nur einen Streitwert für jede Instanz festgesetzt.
Obwohl fünf selbständige Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1955 bis 1959 ergangen waren, hatten FA, FG und BFH über die Rechtsbehelfe aus offenkundig prozeßökonomischen Gründen - der Steuerpflichtige, ein Verein, begehrte Steuerfreiheit - jeweils eine zusammenfassende Entscheidung getroffen. Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des RFH wie des BFH (vgl. RFH-Urteile V A 107, 108/21 vom 4. Oktober 1921, RFH 7, 68; II A 31/22 vom 10. Februar 1922, RFH 8, 166, und VI 631-634/38 vom 5. Oktober 1938, RStBl 1938, 961; BFH-Urteile II 186/55 S vom 6. Februar 1957, BFH 64, 312 -, BStBl III 1957, 118; IV 202/57 U vom 6. Oktober 1960, BFH 72, 105, BStBl III 1961, 40, und II 248/60 U vom 11. April 1962, BFH 75, 143, BStBl III 1962, 320) sind, wenn Rechtsbehelfe wegen mehrerer Steuerforderungen gegen denselben Steuerpflichtigen zu gemeinsamer Entscheidung vereinigt werden, die Werte der Streitgegenstände zusammenzuzählen zu einem Gesamtstreitwert, der sowohl für die Kostenberechnung und Kostenerstattung wie für die Streitwertgrenze der Revision maßgebend ist. Es entspricht dies einem allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsatz, der im § 5 ZPO seinen Niederschlag gefunden hat. Er dient einer billigen Ermäßigung der Prozeßkosten, andererseits der Erweiterung des Rechtsschutzes hinsichtlich der Streitwertgrenze. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beschwerdegründe geben dem Senat keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Das gilt auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten der FGO.
Die Festsetzung des Streitwerts bestimmt sich im Streitfall nach den Vorschriften der FGO. Denn sie dient der Feststellung des Erstattungsanspruchs des Steuerpflichtigen nach § 139 FGO, der mit dem Eintritt der Rechtskraft der Kostenentscheidung des FG endgültig entstanden ist (BFH-Beschluß Gr. S. 8/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 156, BStBl II 1968, 59). Die Kostenentscheidung hat das FG im Beschluß vom 9. August 1967, also nach dem Inkrafttreten der FGO, und gemäß den Vorschriften der FGO (§§ 143, 138 Abs. 2 Satz 1) getroffen. Es sind keine Gründe ersichtlich, aus denen die Frage der Bildung eines Gesamtstreitwerts nach der FGO anders als nach der AO a. F. zu beurteilen wäre. Auch nach der FGO können mehrere Klagebegehren in einer Klage zusammengefaßt verfolgt werden (objektive Klagenhäufung, § 43) und kann das FG mehrere bei ihm anhängige Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden (§ 73). Der Streitwert ist nach § 140 Abs. 3 FGO, wie schon unter der Herrschaft der AO (§ 320 Abs. 4 AO a. F., vgl. BFH-Urteil IV 202/57 U, a. a. O.), unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen zu bestimmen. Die entsprechende Anwendung des § 5 ZPO ist nunmehr sogar durch § 155 FGO geboten.
Gegen die Zusammenzählung der sich aus den einzelnen Klagebegehren ergebenden streitigen Beträge zu einem Gesamtstreitwert läßt sich - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - auch nichts daraus gewinnen, daß das finanzgerichtliche Verfahren nach der FGO nicht mehr als eine Fortsetzung des Veranlagungsverfahrens anzusehen ist. Die Änderung des Rechtszustands zeigt sich vor allem in dem Wegfall der Verböserungsmöglichkeit (§ 243 Abs. 3 AO a. F.) und in der durch § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO angeordneten Bindung an die Anträge der Beteiligten (vgl. BFH-Beschluß Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967, BFH 91, 393 [402], BStBl II 1968, 344 [348]). Gerade für die Streitwertermittlung hat sich dadurch aber nichts Neues ergeben. Denn auch nach der AO a. F. waren bereits für die Höhe des Streitwerts die Anträge der Beteiligten maßgebend, und eine etwaige Verböserung blieb unberücksichtigt (BFH-Urteil IV 202/57 U, a. a. O.).
Dem Beschwerdeführer kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die Abschnittsbesteuerung notwendig getrennte Streitwerte für jeden Steuerabschnitt erfordere. So wie über die mehreren Klagebegehren in einem Verfahren entschieden werden kann, ist es logisch möglich, für dieses Verfahren einen Streitwert durch Zusammenzählung der einzelnen streitigen Beträge festzusetzen.
Unzutreffend ist schließlich die Ansicht des Beschwerdeführers, das FG habe nach dem Bild des Aktenzeichens mehrere Verfahren angenommen. Da der Steuerpflichtige gegen die zusammenfassende Einspruchsentscheidung nur eine Berufung (Klage) eingelegt hatte und das FG durch ein Urteil entschied, kann von einer Trennung in mehrere Verfahren keine Rede sein.
Fundstellen
Haufe-Index 68292 |
BStBl II 1969, 587 |
BFHE 1969, 153 |