Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung des Gerichts nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes für das Vorverfahren sei notwendig, gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Das Gericht des ersten Rechtszuges hat hierüber als Kostenfestsetzungsgericht von Amts wegen zu befinden, wenn ein Beteiligter die Erstattung von Gebühren und Auslagen eines im Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten oder Beistandes begehrt.
Normenkette
FGO § 128 Abs. 3, §§ 139, 140 Abs. 1, §§ 143-145, 148-149
Tatbestand
Der IV. Senat des BFH hat in den Verfahren IV 437, 458/61 und IV 368/62 durch Beschluß vom 1. und 9. Dezember 1966 (BFH 87, 66), der durch den Beschluß vom 6. Juli 1967 ergänzt wurde, den Großen Senat des BFH zur Entscheidung folgender Rechtsfragen angerufen:
a) Kommt eine Erstattung der im Vorverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) in Betracht, wenn das Vorverfahren vor dem 1. Januar 1966 abgeschlossen worden ist?
b) Gehört die Erklärung des Gerichts, die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes für das Vorverfahren sei notwendig gewesen, in die Kostenentscheidung mit der Folge, daß die Entscheidung von Amts wegen zu treffen ist und bei unterlassener Entscheidung nur eine Ergänzung des Urteils nach § 109 FGO in Betracht kommt, oder gehört sie in das Kostenfestsetzungsverfahren mit der Folge, daß der Antrag jederzeit im Rahmen dieses Verfahrens beim FG gestellt werden kann?
Den Rechtsfragen liegen folgende Sachverhalte zugrunde, über die der IV. Senat zu entscheiden hat:
In den Verfahren IV 437, 458/61 (Az. Gr. S. 5/66 und 6/66) gab der IV. Senat durch das nicht zur Veröffentlichung freigegebene Urteil vom 29. Juli 1966 den Revisionen der Stpfl. in den Umsatzsteuer- und einheitlichen Gewinnfeststellungssachen 1950 und 1951 statt und legte die Kosten der Einspruchs-, Berufungs- und Revisionsverfahren einschließlich des in der Revision nicht mehr streitigen Jahres 1952 zu 11/20 der Stpfl. und zu 9/20 dem FA auf. Die Stpfl. beantragte mit Schreiben vom 24. Oktober 1966 beim IV. Senat, gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, da der Streitstoff schwierig gewesen sei. Die Einspruchsentscheidungen ergingen am 16. und 24. November 1956.
In dem Verfahren IV 368/62 (Az. Gr. S. 7/66) erklärte das FG durch Urteil vom 28. September 1961 die Berufung der Stpfl. in den einheitlichen Gewinnfeststellungssachen 1957 und 1958 in der Hauptsache für erledigt; die Kosten für das Einspruchsverfahren fielen je zur Hälfte und für das Berufungsverfahren zu 8/13 der Stpfl. und zu 5/13 dem Land Niedersachsen zur Last; den Wert des Streitgegenstandes setzte das FG für das Einspruchsverfahren auf 4 907 DM und für die Berufung auf 6 461 DM fest. Die Stpfl. wendet sich mit der Rechtsbeschwerde, die ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln ist, gegen die Kostenentscheidung und Streitwertberechnung; sie beantragt nicht, die Zuziehung ihres Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
Der IV. Senat will in allen Verfahren die Ansicht vertreten, der Ausspruch des Gerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gehöre nicht ins Urteil, sondern ins Kostenfestsetzungsverfahren und es komme eine Erstattung der durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten entstandenen Gebühren und Auslagen ohnehin nicht in Betracht, wenn das Vorverfahren vor dem 1. Januar 1966 abgeschlossen sei. Der IV. Senat hat gemäß § 11 Abs. 3 FGO den Großen Senat angerufen, da seine Ansicht von dem nicht zur Veröffentlichung freigegebenen Beschluß des III. Senats III 157/65 vom 14. Oktober 1966 abweicht, in dem der III. Senat nach Erledigung der Hauptsache die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt und auf Antrag der Klägerin die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Verwaltungsverfahren für notwendig erklärt hatte.
Der III., IV. und V. Senat haben gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 FGO je einen Richter zur Sitzung des Großen Senats entsandt, der V. Senat deshalb, weil er in dem nicht zur Veröffentlichung freigegebenen Urteil V B 8/66 vom 1. Dezember 1966 die gleiche Auffassung wie der III. Senat vertreten hatte.
Der BdF ist dem Verfahren bezüglich der oben bezeichneten Rechtsfrage zu b) beigetreten. Er ist der Ansicht, die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sei im Erkenntnisverfahren durch Urteil zu treffen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der Große Senat hat die Verfahren Gr. S. 5/66, 6/66 und 7/66 in entsprechender Anwendung der §§ 121, 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
1. Der Große Senat hält die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 FGO für eine Entscheidung über die Rechtsfrage zu b) für gegeben, ob die Erklärung des Gerichts nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO in die Kostenentscheidung oder ins Kostenfestsetzungsverfahren gehört. Die Ansicht des IV. Senats weicht von den nicht veröffentlichten BFH-Entscheidungen III 157/65 vom 14. Oktober 1966, V 207 und 208/63 vom 18. März 1966 und V B 8/66 vom 1. Dezember 1966 ab. Die Abweichung ist für die vom IV. Senat zu treffenden Entscheidungen erheblich; denn der IV. Senat kann über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten in den Verfahren IV 437, 458/61 und IV 368/62 nicht befinden, wenn hierüber im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden ist, da als Kostenfestsetzungsgericht nach § 149 FGO in Verbindung mit § 148 Abs. 1 bis 3, § 35 FGO das FG zuständig ist.
Nach den zu § 11 Abs. 4 FGO ergangenen Beschlüssen Gr. S. 4/66 vom 16. Januar 1967 (BFH 88, 3, BStBl III 1967, 240) und Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (zur Veröffentlichung bestimmt) bestehen gegen die Entsendung eines Richters nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FGO im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf die oben bezeichneten Entscheidungen wird Bezug genommen.
Die Erklärung des Gerichts nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren sei notwendig, gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Das hat zur Folge, daß das Gericht des ersten Rechtszuges hierüber als Kostenfestsetzungsgericht von Amts wegen zu befinden hat, wenn ein Beteiligter die Erstattung von Gebühren und Auslagen eines im Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten oder Beistands begehrt.
Nach §§ 143, 144 FGO muß das Gericht durch Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet wurde, durch Beschluß "über die Kosten" befinden, bei Zurücknahme eines Rechtsmittels aber nur, wenn ein Beteiligter Kostenerstattung beantragt. Diese Kostenentscheidung umfaßt nach § 139 Abs. 1 FGO die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen des Gerichts) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten "einschließlich der Kosten des Vorverfahrens". "Kosten des Vorverfahrens" sind nach dem Sinnzusammenhang dieses Satzes alle dem gerichtlichen Verfahren entsprechenden Unkosten, also nicht nur die Kosten im Sinne des § 250 AO n. F., d. h., die an das FA zu zahlende Gebühr, sondern auch die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten im Vorverfahren. Zu den Aufwendungen der Beteiligten zählen auch die Gebühren und Auslagen eines zugezogenen Bevollmächtigten oder Beistands. Ob und inwieweit sie dem obsiegenden Beteiligten zu erstatten sind, regelt § 139 Abs. 3 FGO. Nach Abs. 3 Satz 1 sind gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist (§ 107a AO), stets erstattungsfähig. Für das Vorverfahren hat der Gesetzgeber in Abs. 3 Satz 3 dieser Vorschrift eine Ausnahmeregelung getroffen: Die Gebühren und Auslagen sind hier nur erstattungsfähig, "wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt".
Diese gerichtliche Erklärung gehört, wie der BdF zu Recht einräumt, ihrem sachlichen Inhalt nach nicht zur Kostenentscheidung im Klageverfahren, sondern zum Kostenfestsetzungsverfahren. In der Kostenentscheidung nach §§ 143, 144 FGO befindet das Gericht über die Fragen, wer die Kosten des gesamten Verfahrens oder die der Rechtsmittelinstanz trägt (§§ 135, 136 Abs. 1 Satz 3, 136 Abs. 2, 138 Abs. 2 FGO), in welchem Verhältnis die Kosten auf die Beteiligten zu verteilen sind, wenn mehrere die Kosten tragen müssen (§§ 136 Abs. 1 Satz 1, 137 Satz 1 FGO), und ob einem Beteiligten wegen eigener Verursachung oder Schuld ein besonderer Teil von Kosten aufzuerlegen ist (§ 136 Abs. 3, § 137 Satz 2 FGO). Die Erklärung des Gerichts nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO betrifft nicht diese Kostentragungspflicht nach Person und Umfang. Sie bezieht sich nur auf die Erstattungsfähigkeit von Einzelaufwendungen der Beteiligten. Hierüber zu entscheiden ist Aufgabe des Kostenfestsetzungsverfahrens. In diesem Verfahren hat der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs nach § 149 Satz 1 FGO die den Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen auf Antrag festzusetzen; er muß prüfen, ob die Einzelaufwendungen dem Grunde nach erstattungsfähig sind, d. h., ob sie zu den Kosten des Rechtsstreits gehören, ob sie entstanden und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, und ob sie der Höhe nach gerechtfertigt sind. Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes sind dem Grunde nach nur erstattungsfähig, wenn die Zuziehung dieser Personen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 139 Abs. 1 FGO erforderlich war. Hätte der Gesetzgeber in § 139 Abs. 3 FGO für das Vorverfahren keine Sonderregelung getroffen, so müßte hierüber ebenfalls der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszuges befinden. Der Urkundsbeamte ist dieser Pflicht jedoch enthoben, weil der Gesetzgeber die Frage, ob die Zuziehung des Bevollmächtigten oder Beistandes im Verwaltungsvorverfahren notwendig war, dem Gericht übertragen hat. Die Entscheidung richtet sich im wesentlichen nach der Schwierigkeit der aufgetretenen Rechtsfragen, der wirtschaftlichen Tragweite des Rechtsstreits und des Ausmaßes der eigenen Sachkunde der Beteiligten (Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 139 Anm. 22; Kühn, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 139 FGO, Anm. 2). Sie ist sachlich eine Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Einzelaufwendungen, da die Gebühren und Auslagen durch den Ausspruch des Gerichts, die Zuziehung des Bevollmächtigten oder Beistandes im Vorverfahren sei notwendig gewesen, kraft Gesetzes als dem Grunde nach erstattungsfähig festgestellt werden. Der Sinn und Zweck der gerichtlichen Erklärung wird ausschließlich durch diese gesetzliche Rechtsfolge bestimmt.
§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO unterscheidet sich wesentlich von dem § 139 Abs. 4 FGO. Legt das Gericht aus Billigkeitsgründen die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auf, so bedeutet dies, daß auch diese Aufwendungen erstattungsfähig sind. Im Gegensatz zur Erklärung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ist der Ausspruch des Gerichts nach § 139 Abs. 4 FGO jedoch Teil der gerichtlichen Kostenentscheidung nach §§ 143, 144 FGO; denn das Gericht befindet hier über Person und den Umfang der Kostentragungspflicht, d. h. darüber, ob der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten tragen muß oder ob diese einem anderen Beteiligten aus Billigkeitsgründen besonders aufzuerlegen sind. Das Gericht hat aber nicht wie bei § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO die Frage zu beurteilen, ob die außergerichtlichen Einzelaufwendungen des Beigeladenen dem Grunde nach zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach § 139 Abs. 1 FGO erforderlich waren.
Gehört die Erklärung des Gerichts nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ihrem sachlichen Inhalt nach zum Kostenfestsetzungsverfahren, so ist sie, entgegen der Ansicht des BdF, grundsätzlich auch in diesem Verfahren zu treffen. Klageverfahren und Kostenfestsetzungsverfahren sind in der FGO - ebenso wie die entsprechenden Verfahren nach der VwGO oder ZPO - selbständige Verfahren, die verschiedenen Zwecken dienen. Das Klageverfahren wird eingeleitet durch die Klageerhebung (§§ 40, 41, 63 ff. FGO); in ihm wird über den Klageanspruch und die Kostentragungspflicht nach Person und Umfang entschieden (§§ 95, 143, 144 FGO). Das Kostenerstattungsverfahren hat die Aufgabe, die Erstattungsfähigkeit von Einzelkosten dem Grunde und der Höhe nach nach Maßgabe der gerichtlichen Kostenentscheidung festzustellen. Es teilt zwar unmittelbar das Schicksal der Kostenentscheidung (vgl. auch Beschluß des Reichsgerichts - RG - 20 W 7250/34 vom 27. Okober 1934, Juristische Wochenschrift 1934, 3146), ist aber organisatorisch ein selbständiges Verfahren. Es schließt sich nicht automatisch an das Klageverfahren an; erforderlich ist stets ein Antrag des obsiegenden Beteiligten auf Festsetzung seiner Aufwendungen (§ 149 Satz 1 FGO). Die Selbständigkeit und unterschiedliche Zielsetzung der beiden Verfahren gebieten es, daß Entscheidungen grundsätzlich in dem Verfahren getroffen werden, zu dem sie ihrem sachlichen Inhalt nach gehören, soweit der Gesetzgeber nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt hat (vgl. auch das Urteil des BGH III ZR 147/57 vom 6. November 1958, BGHZ 28, 302, 309, sowie Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 91 I 1).
Solche besonderen Anordnungen hat der Gesetzgeber z. B. in § 61 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) für das arbeitsgerichtliche Verfahren getroffen, nach dem der Betrag von Kosten, soweit er sofort ermittelt werden kann, "im Urteil" festzulegen ist. Ebenfalls war früher, d. h. vor Inkrafttreten der VwGO, nach § 132 Abs. 2 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsgesetze (VwGG) Süddeutschlands und Bremens und § 96 Abs. 1 VwGG Rheinland-Pfalz "im Urteil" darüber zu entscheiden, ob die Partei die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes für erforderlich halten durfte. Eine solche ausdrückliche Ausnahmeregelung enthält § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO jedoch nicht. Aus den Bundestagsprotokollen läßt sich ebenfalls nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber die Erklärung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands im Vorverfahren dem Prozeßgericht zuweisen wollte. Den Satz 3 dieser Vorschrift hat erst der Rechtsausschuß des Bundestags bei der Beratung der FGO in den Regierungsentwurf eingefügt (Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucksache IV/3523 S. 53). Diese Bestimmung wurde offensichtlich dem § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nachgebildet, da sie mit ihm wörtlich übereinstimmt.
Auch bei § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO war umstritten, ob die Erklärung des Gerichts zur Kostenentscheidung oder ins Kostenfestsetzungsverfahren gehört (vgl. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., § 162 Anm. 12; Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 162 Anm. C 1 6 mit Literaturangabe). Nach dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts VII C 128/66 vom 28. April 1967, NJW 1967, 1580, gehört die Entscheidung des Gerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nicht zur Entscheidung über die Kostenfolge, sondern zum Kostenfestsetzungsverfahren. Es besteht kein Anlaß, den gleichlautenden und dem § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nachgebildeten § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO anders auszulegen.
Der Große Senat kann der gegenteiligen Auffassung des BdF, daß die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten in sachgerechter Weise nur in der Kostenentscheidung des erkennenden Gerichts getroffen werden kann, nicht folgen. Daß sich das Gericht erster Instanz bei einer Entscheidung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens noch einmal summarisch mit dem Prozeßtoff beschäftigen muß, steht einer sachgerechten Entscheidung nicht entgegen. In der Erklärung des Kostenfestsetzungsgerichts, die Zuziehung des Bevollmächtigten oder Beistandes im Vorverfahren sei notwendig gewesen, liegt eine der Sache nach gerechtfertigte, nicht nur geringfügige Abweichung gegenüber einer Entscheidung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Wie oben bereits ausgeführt, müßte der Urkundsbeamte über die Notwendigkeit der Zuziehung entscheiden, wenn der Gesetzgeber nicht in § 139 Abs. 3 FGO eine Sonderregelung getroffen hätte. In diesen Fällen müßte sich das Gericht mit dieser Frage ohnehin auf Grund einer Erinnerung des Beteiligten nach §§ 149 Satz 2, 148 FGO befassen, wenn der Bundestag auf Grund des Vorschlags seines Rechtsausschusses diese Aufgabe nicht dem Gericht zugewiesen hätte. Gleichwohl ist die vom Gesetzgeber getroffene Regelung sinnvoll und zweckmäßig; denn eine Entscheidung durch das Kostenfestsetzungsgericht ohne vorherige Prüfung durch den Urkundsbeamten entspricht dem Grundsatz der Verfahrensökonomie, weil das Gericht auf Grund der vorangegangenen Sachentscheidung die Schwierigkeiten steuerrechtlicher Fragen usw. sicherer und schneller beurteilen kann als der mit der Sachentscheidung nicht befaßte Urkundsbeamte.
Sähe man die Erklärung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO als einen notwendigen Teil der gerichtlichen Kostenentscheidung an, so müßte das Gericht mit dem Urteil ebenso wie nach § 143 FGO über die Kosten des Verfahrens stets auch über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren von Amts wegen befinden, obwohl es ungewiß ist, ob ein Beteiligter später die Erstattung seiner Aufwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren begehren wird. Übersähe das Gericht die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren, so müßten die Beteiligten gemäß § 109 Abs. 1 FGO bereits innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils eine Ergänzung beantragen - demnach zu einer Zeit, zu der sie sich noch nicht darüber schlüssig zu sein brauchen, ob sie Revision einlegen bzw. die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung begehren sollen. Bei einer Entscheidung der in Rede stehenden Frage im Kostenfestsetzungsverfahren wird dem Rechtsschutzbedürfnis der Beteiligten genügt, und die Kostenerstattung auf einfachere Weise ermöglicht; denn die Erklärung des FG kann mit der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO angefochten werden, auch wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache keine Revision eingelegt wird. Ist die Erklärung im Kostenfestsetzungsverfahren unterblieben, so kann sie jederzeit ohne Rücksicht auf den Ablauf von Rechtsmittelfristen nachgeholt werden.
Der BdF tritt für eine Entscheidung mit der Hauptsache ein, da andernfalls die ehrenamtlichen Finanzrichter nicht beteiligt wären, deren Mitwirkung aber eine wesentliche Grundlage für das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Rechtsprechung des FG bilde. Auch diesen Gesichtspunkt hält der Senat nicht für ausschlaggebend. Aus dem Gesetz ist nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber die Mitwirkung der Laienrichter außer bei der Beratung und Urteilsfindung über den Klageantrag in der Hauptsache (§ 16 FGO) auch bei der Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für erforderlich hielt. Die ehrenamtlichen Finanzrichter sind z. B. von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn das Verfahren nicht durch Urteil beendet wird und das FG mit drei Berufsrichtern nach §§ 143, 144 FGO durch Beschluß über die Kosten des Verfahrens entscheidet. Es kann darum nicht anerkannt werden, daß die Rechtsprechung bei der hier vorgesehenen Auslegung beeinträchtigt würde. Das Vertrauen der Rechtssuchenden wird um so mehr gestärkt, je mehr der Rechtsschutz ausgebaut wird. Die Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren entspricht dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes, der praktischen Handhabung und dem Rechtsschutzbedürfnis der Beteiligten.
Muß die Erklärung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO im Kostenfestsetzungsverfahren ergehen, so kann der BFH, wenn er - wie in den vorliegenden Streitfällen - im Hauptverfahren als Gericht des zweiten Rechtszuges angerufen wird, über die Voraussetzungen des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO weder auf Antrag noch von Amts wegen befinden. Er würde sonst in ein selbständiges, dem Hauptverfahren nachfolgendes Verfahren eingreifen, für das grundsätzlich das FG als Gericht erster Instanz zuständig ist. Der BFH kann Entscheidungen im Kostenfestsetzungsverfahren nur treffen, wenn er in den Fällen des § 37 FGO als Gericht des ersten und letzten Rechtszuges tätig war oder wenn das FG im Beschluß über die Erinnerung gegen den Ansatz der Gerichtskosten oder der Festsetzung der zu erstattenden Aufwendungen die Beschwerde an den BFH zugelassen hat (§§ 148 Abs. 3 Satz 2, 149 Satz 2 FGO). Zweifelhaft kann sein, ob das Gericht des ersten Rechtszuges (d. h. das FG oder in den Fällen des § 37 FGO der BFH) die von ihm im Kostenfestsetzungsverfahren zu treffende Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO bereits in der Kostenentscheidung des Klageverfahrens vorwegnehmen darf, wenn es dies für zweckmäßig hält. Der Große Senat kann zu dieser Frage nicht Stellung nehmen, da ein solcher Sachverhalt in den Streitfällen, die der Anfrage des IV. Senats zugrunde liegen, nicht gegeben ist.
2. Der Große Senat kann die vom IV. Senat vorgelegte rechtsfrage zu a), ob eine Erstattung der im Vorverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO in Betracht kommt, wenn das Vorverfahren vor dem 1. Januar 1966 abgeschlossen war, nicht entscheiden. Diese Frage ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen nicht mehr entscheidungserheblich. Der IV. Senat kann in den Verfahren IV 437, 458/61 und IV 368/62 den § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO schon deswegen nicht anwenden, weil hierüber das FG im Kostenfestsetzungsverfahren befinden muß.
Fundstellen
Haufe-Index 412682 |
BStBl II 1968, 56 |
BFHE 90, 150 |