Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung als Gesellschafter einer GbR
Leitsatz (NV)
Im Aussetzungsverfahren (§ 69 Abs. 3 FGO) kann die Inanspruchnahme als Gesellschafter für die Steuerschulden einer GbR nicht lediglich mit der Begründung in Frage gestellt werden, die materielle Steuerschuld sei noch nicht bestandskräftig und im übrigen wegen fehlerhafter Schätzung (§ 162 AO) unrichtig festgesetzt.
Normenkette
FGO § 69; AO 1977 § 191
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) hat beim FG die Aussetzung der Vollziehung eines von ihm mit Klage angefochtenen Umsatzsteuerhaftungsbescheids betreffend Umsatzsteuer 1984 nebst Zuschlägen in Höhe von insgesamt . . . DM beantragt. Den Haftungsbescheid hat das FA an den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erlassen. Als Rechtsgrund der Haftung wurde angegeben:
,,Als ehemaliger Gesellschafter der GbR haften Sie gesamtschuldnerisch für deren Schulden. Das gilt auch für die rückständigen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen. Die Vollstreckung gegen die GbR ist nicht mehr möglich, da sie inzwischen aufgelöst ist, so daß ich Sie im Wege der Haftung in Anspruch nehme. Die übrigen Gesellschafter erhalten - soweit sie zu ermitteln sind - gleichlautende Bescheide."
Das FG hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids abgelehnt. Es hat ausgeführt, das FA habe die Haftung der Gesellschafter einer GbR dem Grunde nach zu Recht bejaht. Das FG schließe sich im Ergebnis der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Urteil vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82 (BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156) an.
Die seitens des Beschwerdeführers wegen nicht ordnungsgemäßer Festsetzung der Primäransprüche - der materiellen Steueransprüche - erhobenen Einwendungen seien nicht stichhaltig.
Der Erlaß eines Haftungsbescheids setze zwar das Bestehen einer Steuerschuld voraus, jedoch nicht, daß diese bestandskräftig festgesetzt worden sei. Dies ergebe sich aus § 191 Abs. 3 Satz 4 der Abgabenordnung - AO 1977 - (Hinweis auf Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, April 1987, § 191 AO 1977 Tz. 3, 4. Absatz, m. w. N.). Die Zustellung der Steuerbescheide an nur einen Gesellschafter, hier den Mitgesellschafter W, und nicht auch an andere Gesellschafter führe nicht zu dem vom Beschwerdeführer angenommenen Bekanntgabemangel. Bei mehreren Vertretern einer GbR genüge die Bekanntgabe an einen von ihnen, wenn die GbR als solche - wie bei der Umsatzsteuer - Steuerschuldner sei (Hinweis auf Tipke / Kurse, a.a.O., Juni 1986, § 122 AO 1977 Tz. 14, 1. Absatz, a. E.). Ausführungen der Behörde zur Frage der Ermessensausübung bei der Auswahl der Haftungsschuldner hätten sich im vorliegenden Fall erübrigt, da alle ermitteltbaren Gesellschafter in Anspruch genommen würden, eine Auswahl also nicht stattzufinden brauche.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer das Aussetzungsbegehren weiter. Er hält daran fest, daß die Gesellschafter einer GbR - entgegen dem Urteil in BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156 - nicht zur Haftung für Steuerschulden herangezogen werden könnten. Unabhängig hiervon scheide die Haftung im Streitfall auch deshalb aus, weil die Steueransprüche nicht ordnungsgemäß festgesetzt seien: Die Zustellung der Umsatzsteuerbescheide hätte nicht nur an den ,,faktischen Geschäftsführer" W erfolgen dürfen; sie hätte vielmehr sämtlichen Gesellschaftern gegenüber vorgenommen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, seien die Steuerbescheide nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht (vgl. § 122 AO 1977). Im übrigen beruhten die Steuerbescheide auf Schätzungen, zu deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Beschwerdeführer keine Stellung habe nehmen können, da er innerhalb der GbR niemals mit der Buchführung oder Abgabe von Steuererklärungen befaßt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Gesellschafter einer GbR nach der AO 1977 für Steuerschulden der GbR als Haftender in Anspruch genommen werden kann. Durch die Nichtaufnahme des (früheren) § 113 der Reichsabgabenordnung (AO) in die AO 1977 ist keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Der erkennende Senat hält an dem im Urteil in BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156 eingenommenen Standpunkt fest.
Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers wegen der seiner Meinung nach nicht ordnungsgemäßen Festsetzung der Steueransprüche selbst, also der Primäransprüche, hat das FG zutreffend ausgeführt, daß der Erlaß eines Haftungsbescheids nach § 191 AO 1977 - hier § 191 Abs. 4 AO 1977 - zwar das Bestehen des Primäranspruchs, nicht aber dessen bestandskräftige Festsetzung bedingt. Das FG hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, daß es bei Nichtvorhandensein eines allein vertretungsberechtigten Geschäftsführers - wie im Streitfall - für die ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Steuerscheids (§ 122 AO 1977) ausreicht, wenn die Zustellung an einen der Gesellschafter vorgenommen wird (vgl. Tipke / Kruse, a.a.O., 12. Aufl., Tz. 14 zu § 122 AO 1977). Im Streitfall war demnach die Bekanntgabe der Steuerbescheide mit der Zustellung an den Gesellschafter W ordnungsgemäß durchgeführt. Dies gilt um so mehr, als sich der Gesellschafter W - wie in der Beschwerdeschrift selbst vorgetragen ist - als faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft betätigt hat.
Soweit den Ausführungen des Beschwerdeführers entnommen werden könnte, daß dieser die Steuerfestsetzung aus sachlichen, also materiell-rechtlichen Gründen, für unrichtig hält, fehlt es an einer Glaubhaftmachung von Gesichtspunkten, aus denen sich eine solche Unrichtigkeit ergeben könnte (vgl. Tipke / Kruse, a.a.O., Tz. 9 b zu § 69 FGO, mit Hinweisen).
Das FG hat somit im Ergebnis zutreffend entschieden, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des in der Form der Einspruchsentscheidung angefochtenen Haftungsbescheids nicht bestehen (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 415557 |
BFH/NV 1988, 622 |