Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für eine ohne Bevollmächtigten eingelegte NZB; Auskunftspflicht des Kindes an die Familienkasse über Einkünfte und Bezüge
Leitsatz (amtlich)
1. PKH für eine ohne Prozessbevollmächtigten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde kann nur gewährt werden, wenn der Antrag auf PKH und die erforderliche Begründung einschließlich Vordruck innerhalb der Beschwerdefrist eingehen.
2. Ein über 18 Jahre altes Kind ist verpflichtet, auf Verlangen der Familienkasse seine Einkünfte und Bezüge im Einzelnen darzulegen. Die pauschale Auskunft, die Einkünfte und Bezüge lägen unter dem Grenzbetrag, genügt im Zweifel nicht.
Normenkette
FGO § 142; EStG § 68 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die 1974 geborene Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) studiert seit dem Wintersemester 1995/1996. Ihr Vater bezog für sie Kindergeld. Auf eine Anfrage des Beklagten ―Familienkasse― an den Vater über die Höhe der Einkünfte und Bezüge der Antragstellerin vertrat die Antragstellerin die Rechtsauffassung, eine gesetzliche Grundlage für die Erklärung über ihre Einkünfte und Bezüge sei nicht ersichtlich; sie sehe deshalb von einer detaillierten Aufschlüsselung ihrer Einkünfte ab. Die Familienkasse wies die Antragstellerin daraufhin auf ihre Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hin und forderte sie auf, ihre Einkünfte detailliert anzugeben und zu belegen. Gleichzeitig teilte die Familienkasse ihr mit, dass die Kindergeldzahlung vorläufig mit Ablauf des Monats Juni 1998 eingestellt werde. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen diese Aufforderung erhob die Antragstellerin Klage mit dem Antrag festzustellen, dass die Aufforderung der Familienkasse rechtswidrig sei, hilfsweise festzustellen, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht dadurch genüge, dass sie auf Aufforderung lediglich mitteile, ob ihre Einkünfte und Bezüge über bzw. unter der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG festgelegten Höhe lägen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zwar habe sich das ursprüngliche ―auf Aufhebung der Aufforderung gerichtete― Klagebegehren dadurch erledigt, dass die Antragstellerin die erbetene Auskunft für 1997 schließlich erteilt bzw. die Besoldungsstelle die Bruttobezüge der Antragstellerin mitgeteilt habe. Die Antragstellerin habe aber hinsichtlich ihres geänderten Hauptantrags und Hilfsantrags, die eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darstellten, ein berechtigtes Interesse auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufforderung. Das Auskunftsersuchen der Familienkasse sei jedoch rechtmäßig gewesen (§ 68 Abs. 1 Satz 2 EStG). Die Antragstellerin sei auf Verlangen der Familienkasse verpflichtet, an der Aufklärung des für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken. Dazu gehörten auch detaillierte Angaben über ihre eigenen Einkünfte und Bezüge. Es genüge nicht, wenn das Kind lediglich mitteile, ob seine Nettoeinkünfte und Bezüge über bzw. unter dem Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG lägen.
Das Urteil der Vorinstanz wurde der Antragstellerin durch Niederlegung bei der Postanstalt am 25. Januar 2000 zugestellt.
Mit ihrem am 28. Februar 2000 beim FG eingegangenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) macht die Antragstellerin geltend, sie beabsichtige, gegen das Urteil der Vorinstanz Revision einzulegen und darüber hinaus die Nichtzulassung der Revision selbständig mit der Beschwerde anzufechten. Das Urteil des FG weiche von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Nach Aufforderung durch die Geschäftsstelle des Senats hat sie die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 14. April 2000 eingereicht. Zur Verspätung der Antragstellung weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie nach der Mitteilung über die Niederlegung die Sendung frühestens am 26. Januar 2000, also einen Tag nach der Niederlegung, von der Postanstalt habe abholen dürfen. Deshalb müsse der Fristbeginn für die Antragstellung auf den 26. Januar 2000 gelegt werden.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf PKH wird abgelehnt.
Der Senat legt den Antrag dahin aus, dass die Antragstellerin zunächst PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begehrt. Denn nur dieses Rechtsmittel könnte Aussicht auf Erfolg bieten. Eine Revision unmittelbar gegen die Entscheidung der Vorinstanz wäre von vornherein unzulässig, weil das FG die Revision nicht zugelassen hat und für eine zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) keine Gründe ersichtlich sind (vgl. auch BFH-Beschluss vom 24. August 1995 XI S 18/95, BFH/NV 1996, 250).
Der Antrag ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht erbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, weil die Antragstellerin bei ihrer Einlegung nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten war (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG―). Zwar kommt, wenn ein Beteiligter infolge Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel fristgerecht durch einen vor dem BFH befugten Vertreter einzulegen, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) in Betracht. Dies setzt aber voraus, dass er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles in seinen Kräften Stehende und Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Das bedeutet, dass er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen muss. Dazu gehört, dass er innerhalb dieser Frist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darstellt (§ 117 Abs. 1 ZPO) und zudem unaufgefordert die nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Gewährung von PKH beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem eingeführten Vordruck sowie entsprechende Belege beifügt. Unterlässt er dies, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom 6. September 1995 XI S 26/95, BFH/NV 1996, 252; vom 13. September 1995 II S 15/95, BFH/NV 1996, 252; vom 25. Juni 1999 VI S 8-10/99 u.a., BFH/NV 1999, 1506).
Die Antragstellerin hat im Streitfall den Antrag auf PKH nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt und damit nicht alles ihr Zumutbare getan, um das in ihrer Mittellosigkeit bestehende Hindernis für eine rechtzeitige Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde zu beseitigen. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begann mit der Niederlegung des Urteils bei der Postanstalt am 25. Januar 2000 und endete am Freitag, 25. Februar 2000 (§ 115 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 FGO, § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes ―VwZG― i.V.m. § 182 ZPO). Mit der Niederlegung des Urteils bei der Postanstalt und der Nachricht über die Niederlegung war die Zustellung bewirkt und die Frist für die Einlegung der Beschwerde begann. Die Antragstellerin hat den Antrag auf Gewährung von PKH indes erst am 28. Februar 2000 gestellt und die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sogar erst am 14. April 2000 eingereicht. Gründe für eine Entschuldigung der Verspätung sind nicht vorgetragen und auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin, sie habe die niedergelegte Sendung erst am Tag nach der Niederlegung von der Postanstalt abholen dürfen, kein Entschuldigungsgrund für die verspätete Antragstellung. Wie sich aus der Zustellungsurkunde ergibt, hat der Postbedienstete den Tag der Zustellung durch Niederlegung auf der Sendung vermerkt. Die Antragstellerin, die ausweislich ihrer Schriftsätze über ausreichende Rechtskenntnisse verfügt, konnte daraus den Ablauf der Rechtsbehelfsfrist entnehmen. Für die verspätete Einreichung des Vordrucks über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind, auch wenn man dem Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der frühestmöglichen Abholung der Sendung mit dem Urteil der Vorinstanz Gewicht beimessen würde, keine Entschuldigungsgründe ersichtlich.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde auch in der Sache keinen Erfolg haben könnte, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO für die Zulassung der Revision nicht vorliegen. Die Entscheidung der Vorinstanz weicht weder von Entscheidungen des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts ab ―solche Entscheidungen sind bisher nicht ergangen― noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Der Senat lässt offen, ob die angefochtene Maßnahme einen anfechtbaren Verwaltungsakt beinhaltet. Jedenfalls versteht sich von selbst und ist deshalb nicht klärungsbedürftig, dass volljährige Kinder nach § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG verpflichtet sind, der zuständigen Behörde ihre Einkünfte und Bezüge im Einzelnen offen zu legen. Die Einkünfte und Bezüge des Kindes sind für die Gewährung des Kinderfreibetrages bzw. des Kindergeldes maßgebend (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Die Auskunft darf sich nicht nur auf die Mitteilung beschränken, ob die Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten oder nicht. Denn die Berechnung der Höhe dieser Einkünfte und Bezüge kann zweifelhaft sein und bedarf einer Prüfung durch die Behörde. Dazu müssen die Einkünfte und Bezüge des Kindes im Einzelnen aufgeschlüsselt werden. Das FG hat auch zutreffend entschieden, dass sich die Familienkasse im Streitfall mit ihrer Aufforderung, die Höhe der Einkünfte und Bezüge mitzuteilen, jedenfalls deshalb unmittelbar an die Antragstellerin wenden durfte, weil der Vater erklärt hatte, ihm sei die Höhe der Einkünfte und Bezüge der Antragstellerin nicht bekannt. Auch Auskünfte des Arbeitgebers des Kindes (§ 68 Abs. 2 EStG) genügen nicht stets, weil das Kind weitere Einkünfte und Bezüge haben kann, die dem Arbeitgeber nicht bekannt sein müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 564979 |
BFH/NV 2001, 27 |
BFH/NV 2001, 856 |
BStBl II 2001, 439 |
BFHE 193, 528 |
BFHE 2001, 528 |
BB 2001, 874 |
DB 2001, 1071 |
DStRE 2001, 644 |
HFR 2001, 687 |