Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Veräußerung einer Zahnarztpraxis mit Labor vor dem Jahre 1994
Leitsatz (NV)
- Rechtsfragen zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Veräußerung einer Zahnarztpraxis mit Labor vor dem Jahre 1994 (In-Kraft-Treten des § 1 Abs. 1a UStG) betreffen ausgelaufenes Recht; ihnen kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu; sie erfordern grundsätzlich auch keine Entscheidung des BFH gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
- Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; EWGRL 388/77 Art. 5 Abs. 1, Art. 13 Teil B Buchst. c; UStG § 1 Abs. 1a
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Zahnarztgemeinschaft (GbR) mit eigenem Dentallabor, an der zwei Zahnärzte (Ehegatten) mit je 50 % beteiligt sind. Aufgrund eines Umzugs in eine andere Stadt wurde die Praxis im Jahre 1992 (Streitjahr) für 1 300 000 DM verkauft. Weitere 15 000 DM hat die Klägerin anlässlich der Veräußerung erhalten, so dass insgesamt ein Betrag von 1 315 000 DM aus der Geschäftsveräußerung vereinnahmt wurde.
Der Beklage und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) unterwarf im Anschluss an eine Betriebsprüfung ―auf der Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Verkehrswertgutachtens― sowohl die Wirtschaftsgüter, die ausschließlich dem Labor gedient hatten, als auch die Wirtschaftsgüter, die (zugleich) Zahnarztpraxis und Labor gedient hatten, und insbesondere den Geschäftswert der Umsatzsteuer.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das FA ursprünglich von einem höheren Veräußerungspreis als 1 315 000 DM ausgegangen war.
Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Geschäftswert sei zu etwa 20 % im steuerpflichtigen Bereich (Labor) entstanden; er könne aber entsprechend den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Februar 1993 V R 35/89 (BFHE 171, 100, BStBl II 1993, 641) nicht in einen solchen für die Zahnarztpraxis und das Labor aufgeteilt werden. Die Veräußerung sei insgesamt steuerpflichtig.
Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die auf alle drei Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt wird.
Die Klägerin meint u.a., folgende Fragen seien dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorzulegen und deshalb von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung:
"1. Handelt ein freiberuflich tätiger Zahnarzt, der als Gesellschafter einer Zahnarztgesellschaft des bürgerlichen Rechts steuerbefreite Umsätze ausgeführt hat, als Steuerpflichtiger i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie, oder handelt es sich um einen Umsatz für private Zwecke, wenn er - zusammen mit dem einzigen weiteren Gesellschafter - das Gesamtvermögen der Gesellschaft auf einen Erwerber überträgt, nachdem er gegenüber der berufsständischen kassenzahnärztlichen Vereinigung Körperschaft des öffentlichen Rechts, der er als Zwangsmitglied angehört, die Auflösung der Gesellschaft mitgeteilt hat, und/oder wenn er die Veräußerung in der Jahressteuererklärung als steuerfrei behandelt hat?
2. Ist die Überlassung eines originär geschaffenen Praxiswerts eines Freiberuflers (immaterielles Wirtschaftsgut) bei der Übertragung des Gesamtvermögens (Geschäftsveräußerung) eines Freiberuflers, der nach Art. 13 Teil A steuerbefreite Tätigkeiten erbracht hat, als steuerbare Lieferung von Gegenständen i.S. von Art. 5 Abs. 1 der 6. MWSt-Richtlinie anzusehen, obwohl dieser "Gegenstand" nicht zum Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat, der Praxiswert kein Investitionsgut darstellt und der Steuerpflichtige keine Zuordnungsentscheidung zu seinem Unternehmensvermögen treffen konnte?
3. Steht Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie einer anteiligen Steuerbefreiung bei der Überlassung eines Praxiswerts entgegen, wenn sich dieser zu ca. 20 % aus steuerpflichtigen (Zahnarztlabor) und zu ca. 80 % aus steuerbefreiten Tätigkeiten i.S. von Art. 13 Teil A Buchst. c der Richtlinie zusammensetzt und kann als Aufteilungsmaßstab i.S. der Richtlinie der jeweilige auf die steuerpflichtige bzw. steuerbefreite Tätigkeit entfallende Umsatzanteil zugrundegelegt werden?"
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die Rechtsfragen, wegen derer die Klägerin die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO beantragt, betreffen ausgelaufenes Recht. Seit dem 1. Januar 1994 unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer nicht mehr der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 a des Umsatzsteuergesetzes ―UStG―). Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. Februar 2001 III B 99/00, BFH/NV 2001, 1033); sie erfordern grundsätzlich auch keine Entscheidung des BFH mehr (vgl. zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 65). Es muss daher dargetan werden, dass sich die als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage in nicht absehbarer Zukunft weiterhin bei einem nicht überschaubaren Personenkreis stellen wird. Hieran fehlt es im Streitfall.
3. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621, und vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731). Das FG war ersichtlich nicht der Ansicht, der Geschäftswert sei ein entnahmefähiger Gegenstand i.S. des Art. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Es brauchte deshalb auch nicht von sich aus der Frage nachzugehen, ob die Klägerin den Geschäftswert vor der Veräußerung ihrer Praxis entsprechend den Grundsätzen des Urteils des EuGH vom 8. März 2001 Rs. C-415/98, Bakcsi (Slg. 2001, I-1831) entnommen hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 915627 |
BFH/NV 2003, 638 |