Leitsatz (amtlich)
Die Revisionssumme ist auch dann gleich der Differenz der vom Finanzgericht aufrechterhaltenen Steuerfestsetzung und der vom Kläger begehrten Festsetzung, wenn das Finanzgericht Aufwendungen mit einer anderen als der vom Kläger vorgebrachten Begründung in geringerem Umfange, als dies vom Kläger begehrt war, zum Abzug zugelassen und die Klage im übrigen abgewiesen hat.
Normenkette
BFH-EntlastG vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) Art. 1 Nr. 5
Tatbestand
Bei den Einkommensteuerveranlagungen der Kläger und Revisionskläger (Kläger) für 1968 bis 1971 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) in Berichtigungsbescheiden nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO den zunächst anerkannten Sonderausgabenabzug für Unterhaltszahlungen des Klägers an seine schuldlos geschiedene Ehefrau wieder rückgängig gemacht. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte unter Abweisung im übrigen lediglich insoweit Erfolg, als das FG außergewöhnliche Belastungen in besonderen Fällen nach § 33 a Abs. 1 EStG anerkannte. Das FG setzte die Einkommensteuer für 1968, 1969 und 1971 entsprechend herab. Für 1970 ergab sich keine Ermäßigung, weil ein Freibetrag nach § 33 a EStG wegen der Höhe der eigenen Einkünfte der geschiedenen Ehefrau nicht zu gewähren war.
Mit der Revision erstreben die Kläger die Aufhebung der Berichtigungsbescheide, also die Wiederherstellung der ursprünglichen Bescheide und damit die Anerkennung des Sonderausgabenabzugs für die vollen Unterhaltsleistungen. Sie sind der Meinung, daß die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht gegeben waren. Die Geschäftsstelle des Senats hat den Bevollmächtigten der Kläger fernmündlich darauf hingewiesen, daß der Wert des Streitgegenstandes nicht den Betrag von 10 000 DM nach Art. 1 Nr. 5 des BFH-EntlastG vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) übersteige. Denn auf der Grundlage der im FG-Urteil für 1968, 1969 und 1971 festgesetzten und für 1970 bestätigten Einkommensteuerbeträge und der mit dem Revisionsantrag der Kläger erstrebten Einkommensteuerbeträge ergebe sich ein Streitwert von insgesamt nur 9 573 DM. Die Kläger sind demgegenüber der Auffassung, daß der Wert des Streitgegenstandes auch unter Berücksichtigung der durch das FG vorgenommenen Korrektur der angefochtenen Bescheide 10 000 DM übersteige. Sie tragen hierzu u. a. vor: Die Rechtskraftwirkung des finanzgerichtlichen Urteils würde sich, könnte es nicht angefochten werden, auf den Gesamtstreitgegenstand erstrecken und nicht nur auf den Betrag, der sich nach Stattgabe des Hilfsantrages ergebe. Dies folge aus dem Urteil des BGH vom 28. Januar 1958 VIII ZR 265/56 (BGHE 26, 295) zu der § 115 Abs. 1 FGO entsprechenden Vorschrift des § 546 Abs. 1 ZPO. In dieser Entscheidung halte der BGH eine Revision nicht deshalb für unzulässig, weil das Berufungsgericht der Klage aus einem hilfsweisen Klagegrund teilweise stattgegeben hatte und der Unterschied zwischen dem mit der Klage verlangten und dem zugesprochenen Betrag geringer war als die Revisionssumme. Die einschlägige Literatur habe dieser Entscheidung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unzulässig.
Der Wert des Streitgegenstandes übersteigt nicht den nach Art. 1 Nr. 5 BFH-EntlastG geforderten Betrag von 10 000 DM. Streitgegenstand bedeutet das Interesse des Revisionsklägers an der Durchführung der Revision, ausgedrückt durch den Wert dessen, was ihm das angefochtene Urteil versagt hat. Diese maßgebliche Revisionssumme ist gleich der Differenz der vom FG aufrechterhaltenen Steuerfestsetzung und der vom Kläger begehrten Festsetzung (Urteil des BFH vom 12. Juni 1968 II 155, 156/64, BFHE 93, 121, BStBl II 1968, 749; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Anm. 10 - Lieferung 81, Dezember 1975 -). Ein mit dem Fall des Urteils des BGH VIII ZR 265/56 vergleichbarer Tatbestand ist im Streitfall nicht gegeben. Im Falle des BGH hatte der Kläger einen die Revisionssumme übersteigenden Betrag eingeklagt und seine Forderung damit begründet, daß ihm mehrere selbständige Ansprüche zustünden, die er im Verhältnis von Hauptanspruch und Hilfsansprüchen zueinander in Abhängigkeit gebracht hatte. Das Berufungsgericht hatte den Hauptanspruch für unbegründet gehalten und der Klage aus dem hilfsweisen Klagegrund teilweise stattgegeben. Der Hauptanspruch bestand in einer Kaufpreisforderung, hilfsweise war ein Betrag für verauslagte Transportkosten geltend gemacht worden. Der BGH wies darauf hin, daß in einem solchen Falle die Rechtskraftwirkung des Urteils sich auf den vollen Betrag des Hauptanspruchs erstrecken würde, wenn unter Abweisung des Hauptanspruchs dem Hilfsanspruch stattgegeben würde. Im Streitfall liegen indessen nicht wie im Fall der BGH-Entscheidung selbständige Ansprüche vor. Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren ist nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheids, im Revisionsverfahren also des im Urteil des FG festgesetzten Steuerbetrags (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344). Die Kläger verkennen, daß es sich bei der Geltendmachung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung oder als Sonderausgaben nur um Besteuerungsmerkmale in diesem Sinne handelt. Die Geltendmachung als außergewöhnliche Belastung kann, da sie weniger weitgehend ist, als eine Hilfsbegründung im Verhältnis zur Geltendmachung der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben aufgefaßt werden. Derartige Hilfsbegründungen sind aber auch im Zivilprozeß für die Wertfestsetzung unbeachtlich (Schneider, Streitwert - Kommentar für den Zivilprozeß, 3. Aufl. 1976, Stichwort "Hilfsbegründungen").
Der Streitwert errechnet sich im Streitfall also aus dem Unterschied zwischen der sich nach dem Urteil des FG ergebenden Einkommensteuer und den mit der Revision von den Klägern begehrten Einkommensteuerfestsetzungen.
Fundstellen
Haufe-Index 71649 |
BStBl II 1976, 713 |
BFHE 1977, 403 |