Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit durch unentgeltliche Wohnraumüberlassung an ein Vorstandsmitglied
Leitsatz (NV)
Die unentgeltliche Überlassung von Räumen des Vereins an ein Vereinsmitglied verstößt nur dann nicht gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO 1977, wenn sie den satzungsmäßigen Zwecken des Vereins dient und die Räume dem Mitglied nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied unentgeltlich überlassen werden. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist keine Rechtsfrage, sondern eine in der Tatsacheninstanz vom FG zu klärende Tatfrage.
Normenkette
AO 1977 § 55
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) zuzulassen.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat sinngemäß vorgetragen, klärungsbedürftig sei,
-- ob bei einem Ordensgeistlichen, der entsprechend den Ordensregeln sein Leben mit wissenschaftlichen Studien zu verbringen pflege, zwischen einer Forschungstätigkeit für den Orden einerseits und einer wissenschaftlichen Tätigkeit als Teil der "persönlichen Lebensweise" andererseits zu unterscheiden sei,
-- ob ein Verein gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 der Abgabenordnung (AO 1977) verstoße, wenn er einem als sein geschäftsführendes Vorstandsmitglied tätigen Ordensgeistlichen für die dem Vereinszweck entsprechenden Studien unentgeltlich Wohn- und Arbeitsräume in einem Haus des Vereins zur Verfügung stelle.
Die erste Rechtsfrage würde sich in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Sie ist für den Streitfall entscheidungsunerheblich. Ob bei einem Ordensgeistlichen, der sich nach den Ordensregeln wissenschaftlichen Studien zu widmen hat, die gesamte Forschungstätigkeit als Forschung für den Orden zu werten ist, mag für die Besteuerung von Orden und Ordensgeistlichen von Bedeutung sein. Im Streitfall ist jedoch über die Besteuerung eines Vereins zu entscheiden, der die Steuerbefreiung wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke begehrt und kein Orden ist.
Die zweite Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Die Antwort ergibt sich aus dem Gesetz und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 setzt die Steuerbefreiung eines Vereins wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke u. a. voraus, daß die Mittel des Vereins -- das sind dessen sämtliche Vermögenswerte (s. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 19/91, BFHE 165, 484, BStBl II 1992, 62) -- nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden und die Vereinsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen, wenn der Verein eine Person durch Ausgaben begünstigt, die dem Zweck des Vereins fremd sind. Daraus folgt, daß die unentgeltliche Überlassung von Räumen des Vereins an ein Vereinsmitglied nur dann nicht gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO 1977 verstößt, wenn sie den satzungsmäßigen Zwecken des Vereins dient und die Räume dem Mitglied nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied unentgeltlich überlassen werden. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist keine Rechtsfrage, sondern eine in der Tatsacheninstanz vom Finanzgericht (FG) zu klärende Tatfrage (vgl. Urteil in BFHE 165, 484, BStBl II 1992, 62).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Es ist kein Verfahrensfehler, daß das FG über die Ausstattung der unentgeltlich überlassenen Räume und deren Eignung für Wohnzwecke keinen Beweis erhoben hat.
Das FG hat zugunsten des Klägers dessen Vortrag als wahr unterstellt, daß der als geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Klägers tätige Ordensgeistliche X im Haus seines Ordens in Y über eine Wohnung verfügte und die ihm vom Kläger in Z unentgeltlich überlassenen Wohnräume nur provisorisch eingerichtet waren. Es bestand für das FG daher kein Anlaß, über die Ausstattung der Räume in Z Beweis zu erheben. Unstreitig waren die Räume trotz ihrer provisorischen Ausstattung für Wohn- und Studienzwecke nutzbar. Der Kläger hat vortragen lassen, X habe die Räume zum Studieren und häufig auch zum Übernachten genutzt.
Von der Frage, ob X über eine Wohnung in Y verfügte und ob die ihm vom Kläger in Z zur Verfügung gestellten Räume nur eingeschränkt für Wohnzwecke nutzbar waren, ist die Frage zu unterscheiden, ob X die Räume in Z nur dann nutzte, wenn seine Tätigkeit für den Kläger dies erforderte. Die Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers hinsichtlich der ersten Frage schließt es nicht aus, die zweite Frage zu verneinen. Da X bekundet hat, entsprechend der für ihn geltenden Ordensregel verbringe er sein Leben mit wissenschaftlichen Studien und deshalb sei eine klare Trennung zwischen seinen dienstlichen und persönlichen Lebensbereichen nicht möglich, konnte das FG zu dem Schluß kommen, X habe die Räume in Z auch für Tätigkeiten genutzt, die nicht ausschließlich dem Satzungszweck des Klägers zugute kamen.
Von der Wiedergabe des Sachverhalts und der Anträge hat der beschließende Senat in entsprechender Anwendung des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 421201 |
BFH/NV 1996, 383 |