Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB; zum Begriff der Hilflosigkeit i.S. von § 33b Abs. 3 Satz 3 sowie Abs. 6 EStG
Leitsatz (NV)
Zu den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen hinsichtlich der Frage, ob die Sechsmonatsfrist des § 33b Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 EStG auch dann Gültigkeit hat, wenn der Tod aufgrund Hilflosigkeit vorher eintritt.
Normenkette
EStG § 33b Abs. 3 Sätze 1-3, Abs. 6; EStG 1971 § 33a Abs. 6; EStDV 1971 § 65 Abs. 1, 5; FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3, § 132
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig; sie war daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die behauptete Divergenz oder einen Verfahrensmangel den Erfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend schlüssig dargelegt.
1. Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt, ist es erforderlich, in der Beschwerdebegründung eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage herauszuarbeiten und darzulegen, inwieweit diese Rechtsfrage im allgemeinen Interesse an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 61, m.w.N.). Hat der Bundesfinanzhof (BFH) über eine Rechtsfrage bereits entschieden, hat der Beschwerdeführer zudem darzutun, welche Argumente oder Gesichtspunkte dabei bisher noch nicht berücksichtigt worden sind.
Die Klägerin misst der Frage, ob die in den hier interessierenden Fällen des § 33b Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu beachtende Sechsmonatsfrist auch dann Gültigkeit habe, wenn der Tod aufgrund von Hilflosigkeit vorher eintritt, grundsätzliche Bedeutung bei. Sie legt hierbei jedoch nicht dar, inwieweit diese Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist. Ferner stellt die Beschwerdebegründung nicht den hierzu bekannten Meinungsstand dar; sie setzt sich auch nicht mit der zur Rechtsfrage ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 28. September 1984 VI R 164/80, BFHE 142, 377, BStBl II 1985, 129, zu § 33b Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG; vom 26. Januar 1979 VI R 107/76, BFHE 126, 556, BStBl II 1979, 260, zu § 33a Abs. 6 EStG 1971, § 65 Abs. 1 und 5 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV― 1971) und der zur Rechtsfrage erschienenen Kommentarliteratur (vgl. etwa Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33b EStG Anm. 132) auseinander. Damit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Erfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
2. Wird als Zulassungsgrund Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) geltend gemacht, muss in der Beschwerdeschrift ein aus der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) hervorgehender, tragender abstrakter Rechtssatz herausgestellt werden, der zu einem ebenfalls tragenden abstrakten Rechtssatz in einer genau zu bezeichnenden Entscheidung des BFH, des Bundesverfassungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in Widerspruch stehen soll (ständige Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 17). Das Vorbringen der Klägerin, die Entscheidung des FG stünde nicht im Einklang mit dem BFH-Urteil in BFHE 126, 556, BStBl II 1979, 260, wonach eine festgestellte Behinderung auch dann als dauernd anzusehen sei, wenn der Behinderte nach wenigen Tagen an der Behinderung versterbe, genügt diesen Anforderungen nicht. Denn es fehlt bereits an einer Gegenüberstellung von abstrakten Rechtssätzen aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und einem solchen Rechtssatz aus dem als Divergenzentscheidung angegebenen Urteil des BFH in BFHE 126, 556, BStBl II 1979, 260 andererseits. Die Klägerin trägt lediglich vor, dass zwar die Äußerungen des Berichterstatters in der mündlichen Verhandlung, nicht jedoch die Urteilsgründe des erstinstanzlichen Urteils dem als Divergenzentscheidung genannten BFH-Urteil entsprächen. Damit rügt die Klägerin im Grunde nur, das FG habe eine von ihr dem BFH-Urteil entnommene Rechtsansicht unzutreffend auf den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt angewandt. Mit einem solchen Vorbringen wird ―unbeschadet der Frage, ob die Grundsätze der Divergenzentscheidung, die zu § 33a Abs. 6 EStG 1971, § 65 Abs. 1 und 5 EStDV 1971 ergangen ist, auf den Streitfall anzuwenden sind― keine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 1998 III B 113/97, BFH/NV 1999, 365).
3. Auch die Verfahrensrüge genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der behauptete Verfahrensmangel einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden. Die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, bedeutet, dass das FG den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben hat, sich zu den Tatsachen und Beweismitteln, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, vorher zu äußern. Das rechtliche Gehör ―insbesondere i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes― ist aber auch dann verletzt, wenn die Verfahrensbeteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gegründet ist, zu denen sie sich nicht geäußert haben und nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch keine Veranlassung hatten, sich zu äußern (Senatsentscheidung vom 17. Juni 1994 III R 108/93, BFH/NV 1995, 133). Das Urteil der Vorinstanz ist nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt, zu dem die Klägerin sich nicht hat äußern können. Die Frage der Auslegung des Begriffs der Hilflosigkeit i.S. von § 33b Abs. 3 Satz 3 sowie Abs. 6 EStG war sowohl Gegenstand des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens wie auch des finanzgerichtlichen Verfahrens. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem FG am 21. Januar 1999 hat sich die Klägerin hierzu auch in der mündlichen Verhandlung äußern können. Die bloße Behauptung der Klägerin, der Berichterstatter habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine andere rechtliche Beurteilung als in den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung vertreten, reicht nicht aus, um die Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs schlüssig zu bezeichnen.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 424945 |
BFH/NV 2000, 741 |