Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit eines Hochschullehrers
Leitsatz (NV)
1. Die Frage nach der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bei Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung aufgrund eines Dienstverhältnisses hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Nach den BFH-Urteilen vom 17. Juni 2004 IV R 33/02 (BFH/NV 2005, 174) und vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03 (BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212) kommt der Haupttätigkeit indizielle Bedeutung für die Beurteilung des qualitativen Schwerpunkts der Gesamttätigkeit zu.
2. Ob der Tätigkeitsmittelpunkt eines Hochschullehrers mit üblicher Lehrverpflichtung in der Hochschule oder in seinem häuslichen Arbeitszimmer liegt, ist eine dem Gericht obliegende Wertung und keine durch Sachverständigengutachten zu klärende Tatsache.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 26.11.2004; Aktenzeichen 7 K 2443/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist zwar fristgemäß begründet worden. Sie ist aber in der Sache jedenfalls unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat zwar die Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt. Die Frist lief am 1. Februar 2005 ab. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Begründungsfrist sind jedoch erfüllt.
Nach Hinweis auf die Fristversäumnis durch den Vorsitzenden des beschließenden Senats ging am 22. Februar 2005 ein Antrag auf Wiedereinsetzung ein, dem die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beigefügt war. Mit dem Antrag wurde geltend gemacht, der Kläger habe am 21./22. Januar 2005 einen Herzinfarkt erlitten, in dessen Folge am 2. Februar 2005 eine Bypass-Operation durchgeführt worden sei. Seit dem 14./15. Februar 2005 befinde sich der Kläger in einer Anschluss-Rehabilitation. Zum Nachweis war die Kopie eines Arztbriefs vom 1. Februar 2005 beigefügt, aus dem sich ergibt, dass der Kläger am 24. Januar 2005 in der Intensivstation des Klinikums aufgenommen wurde und dass eine Bypass-Operation für den 2. Februar 2005 geplant sei.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass bei Versäumung --hier-- der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO). Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2002 VII B 150/02, BFH/NV 2002, 1489, und vom 25. Juni 2003 XI B 186/02, BFH/NV 2003, 1589).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat innerhalb der Frist von einem Monat seit Wegfall des Hindernisses die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nachgeholt und glaubhaft gemacht, dass ihn an der Versäumung der Frist kein Verschulden traf. Der Herzinfarkt und die anschließende Operation hinderten den Kläger sowohl an der fristgemäßen persönlichen Abgabe der Begründung als auch an der Beauftragung eines Bevollmächtigten. Das Hindernis fiel in dem Augenblick weg, in dem der Kläger nach der Operation seine Angelegenheiten wieder zumindest insoweit wahrnehmen konnte, dass er einen Vertreter hätte beauftragen können. Da die Operation am 2. Februar 2005 stattfand, wahrte der am 22. Februar 2005 eingegangene Schriftsatz die Wiedereinsetzungsfrist.
2. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die in der Sache erhobenen Rügen den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in jeder Hinsicht entsprechen. Denn jedenfalls sind die Rügen nicht begründet.
a) Die Frage nach der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der wie der Kläger einer Vollzeitbeschäftigung auf Grund eines Dienstverhältnisses nachgeht, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Sie ist nicht mehr klärungsbedürftig, seit der beschließende Senat mit Urteilen vom 17. Juni 2004 IV R 33/02 (BFH/NV 2005, 174) und vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03 (BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212) entschieden hat, dass der Haupttätigkeit indizielle Bedeutung für die Beurteilung des qualitativen Schwerpunkts der Gesamttätigkeit zukommt. Insofern besteht auch kein Bedarf für eine weitere Rechtsfortbildung durch den BFH.
b) Die Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) greifen ebenfalls nicht durch.
Soweit der Kläger einen Sachaufklärungsmangel rügt, weil das Finanzgericht (FG) fehlerhaft auf den Sachverständigenbeweis verzichtet habe, liegt dieser Fehler deshalb nicht vor, weil keine dem Beweis durch Sachverständigengutachten zugänglichen Tatsachen festzustellen waren. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG war eine wertende Beurteilung der Gesamttätigkeit des Klägers auf der Grundlage der festgestellten Bestandteile der jeweiligen Einzeltätigkeiten vorzunehmen. Der Mittelpunkt jeder Tätigkeit ist zunächst isoliert zu bestimmen, um anschließend den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit festlegen zu können. Was den Mittelpunkt der Haupttätigkeit betrifft, ist die Entscheidung der Frage, ob der Tätigkeitsmittelpunkt eines Hochschullehrers mit üblicher Lehrverpflichtung in der Hochschule oder in seinem häuslichen Arbeitszimmer liegt, eine dem Gericht obliegende Wertung. Insoweit ist das FG --revisionsrechtlich nicht zu beanstanden-- zu dem Ergebnis gekommen, dass der Mittelpunkt in der Hochschule liegt. Im zweiten Schritt folgt nach den Kriterien, die der Senat in seinen Urteilen in BFH/NV 2005, 174 und in BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212 entwickelt hat, eine wertende Bestimmung des Mittelpunkts der Gesamttätigkeit, bei der dem Mittelpunkt der Haupttätigkeit besonderes Gewicht beizumessen ist.
Soweit der Kläger die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entsprechen die Ausführungen nicht den Anforderungen an eine schlüssige Rüge gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Zur schlüssigen Rüge einer Verletzung des Rechts auf Gehör muss der Beschwerdeführer grundsätzlich --wie auch im Streitfall-- darlegen, inwiefern ihm das FG das rechtliche Gehör versagt habe, zu welchen dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen er sich nicht habe äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des Rechts auf Gehör noch vorgetragen hätte, dass er keine Möglichkeit besessen habe, die Gehörsversagung schon beim FG zu beanstanden, bzw. dass er den Verfahrensverstoß vor dem FG gerügt habe und inwiefern durch sein --lediglich infolge des Verfahrensfehlers-- unterbliebenes Vorbringen die Entscheidung des FG auf der Grundlage dessen materiell-rechtlicher Auffassung anders hätte ausfallen können (BFH-Beschluss vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196).
Der Kläger gibt weder an, was er noch hätte vortragen wollen, noch macht er Ausführungen dazu, inwiefern die Entscheidung auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FG bei Berücksichtigung des betreffenden Vorbringens anders hätte ausfallen können.
Fundstellen
Haufe-Index 1498431 |
BFH/NV 2006, 1088 |