Entscheidungsstichwort (Thema)
(Einstweilige Anordnung unter Vorgriff auf Hauptsache - keine Regelungsanordnung zur Unterbindung der Abgabenfestsetzung, Vorrang der Aussetzung der Vollziehung - Zulassung einer Beschwerde - Streitwert im Verfahren der einstweiligen Anordnung)
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für den Erlaß einer das Ergebnis der Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen (Regelungs-)Anordnung.
2. Der Abfertigungszollstelle kann nicht durch einstweilige Anordnung (1.) aufgegeben werden, Waren auf Antrag des Rechtsschutzsuchenden ohne Festsetzung der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Abgaben zum freien Verkehr abzufertigen. Für eine solche Anordnung fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsgrund. Das Rechtsschutzziel, zur Vermeidung einschneidender wirtschaftlicher Nachteile von der Erhebung von Abgaben aufgrund einer für nicht anwendbar gehaltenen Gemeinschaftsregelung (hier: Bananen- Marktordnung) verschont zu bleiben, ist vorrangig auf dem Wege der Aussetzung der Vollziehung des noch zu erlassenden Abgabenbescheids zu verfolgen.
Orientierungssatz
1. NV: Eine Beschwerde gegen einen Beschluß des FG über einen Antrag auf einstweilige Anordnung ist auch dann zulässig, wenn das FG die Zulassung der Beschwerde nur in der Rechtsmittelbelehrung ausgesprochen hat.
2. NV: Der Streitwert im Verfahren wegen einstweiliger Anordnung mit dem Ziel der Zuteilung weiterer Lizenzen für zollbegünstigte Einfuhren ist mit 10% der Abgabendifferenz zu bestimmen.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1, 3, 5, § 69 Abs. 3; ZPO § 920 Abs. 1-2; EWGV 404/93 Art. 17; FGO § 128 Abs. 3; GKG § 13 Abs. 1 Fassung: 1975-12-15, § 20 Abs. 3 Fassung: 1975-12-15, § 25 Abs. 2 Fassung: 1975-12-15; EWGV 404/93 Art. 18 Abs. 2; EWGV 2913/92 Art. 244
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), einer Importeurin von Obst, wurden aufgrund der Kontingentierungsregelung der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktordnung für Bananen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 47/1) nur für geringfügige Mengen Drittlandsbananen Lizenzen (Einfuhrbescheinigungen) für die Einfuhr zu einem niedrigen Zollsatz zugeteilt. Ihr im Verwaltungsrechtsweg gestellter Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Zuteilung weiterer Lizenzen für zollbegünstigte Einfuhren wurde zunächst abgelehnt; ihm wurde jedoch entsprochen, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Entscheidung des Beschwerdegerichts mit der Begründung aufgehoben hatte, es müsse geprüft werden, ob für die Dauer des Hauptverfahrens eine vorläufige Härteregelung zu treffen sei (Beschluß vom 25. Januar 1995 2 BvR 2689/94 usw., Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --EuZW-- 1995, 126, Neue Juristische Wochenschrift 1995, 950). Die aufgrund des anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugeteilten Lizenzen sind inzwischen verbraucht. Die Antragstellerin erbat darauf bei dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --HZA--) die Zusicherung, daß bei der Abfertigung von Bananen aus einem in H an einem bestimmten Tage ankommenden Schiff auf die Erhebung des Prohibitivzolls von 850 ECU/t verzichtet und die Abfertigung ohne Einfuhrlizenz vorgenommen werde. Das Bundesministerium der Finanzen wurde um eine entsprechende Weisung an das HZA ersucht. Die nach Ablehnung dieser Ersuchen von der Antragstellerin eingelegten Verfassungsbeschwerden wurden vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen, weil der Rechtsweg nicht erschöpft sei, da einstweiliger Rechtsschutz im fachgerichtlichen Eilverfahren in Betracht komme (Beschluß vom 26. April 1995 2 BvR 760/95, EuZW 1995, 412).
Nachdem ihr sodann wiederholtes Ersuchen an das HZA erfolglos geblieben war, begehrte die Antragstellerin unter Berufung auf verfassungsrechtliche Gründe, die der Anwendung des hier maßgebenden, den Bestimmungen des GATT zuwiderlaufenden Gemeinschaftsrechts entgegenständen, vorläufigen Rechtsschutz durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Antrag, indem es dem HZA durch einstweilige Anordnung aufgab, eine näher bestimmte Menge Drittlandsbananen aus Ecuador, angelandet am 22. Mai 1995 in H, für die Antragstellerin ohne Vorlage von Lizenzen zu dem dem GATT-konformen Wertzollsatz etwa entsprechenden spezifischen Zollsatz von 75 ECU/t zum freien Verkehr abzufertigen. Zugleich legte das FG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bestimmte Fragen zur Vorabentscheidung vor (zu Anwendungsvorrang und Berufungsfähigkeit des GATT, zur Gültigkeit einschlägigen Gemeinschaftsrechts und zu den Voraussetzungen für einstweiligen Rechtsschutz bei Zweifeln an der Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht). Die einstweilige Anordnung wurde befristet bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorlagefragen. Der Beschluß des FG ist mit Gründen in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 730 veröffentlicht; auf ihn und seine Begründung wird verwiesen. ++/ Hinsichtlich der Entscheidung zur einstweiligen Anordnung hat das FG in der Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde zugelassen. /++
Das HZA macht mit der vom FG zugelassenen Beschwerde gegen diesen Beschluß im wesentlichen geltend, die einstweilige Anordnung sei eine im Streitfall zumindest ungeeignete, wenn nicht sogar falsche Maßnahme. Der Vorrang der Aussetzung der Vollziehung sei auch dann zu beachten, wenn --wie hier-- noch kein Steuerbescheid vorliege. Solange ein solcher Bescheid nicht bestehe, sei kein Raum für eine vorläufige Regelung. Ein Rechtsanspruch der Antragstellerin auf eine verbindliche Zusage, daß Waren lizenzfrei und abgabenbegünstigt eingeführt werden dürften, bestehe nicht. Aufgrund der getroffenen einstweiligen Anordnung könne es auch gar nicht zu einem Hauptsacheverfahren kommen. Solange die Vorentscheidung Bestand habe, sei das HZA gehindert, den nach der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 geschuldeten Drittlandszoll mit Steuerbescheid anzufordern. Ein Steuerstreit könne mithin nicht in Gang gesetzt werden, das HZA werde an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert. Im übrigen könne der einzelne Gemeinschaftsbürger sich nicht vor innerstaatlichen Gerichten auf einen Verstoß der Bananenmarktordnung gegen das GATT berufen.
Die Antragstellerin weist darauf hin, daß sich das Verfahren mit der Abfertigung der Bananen erledigt habe, und trägt u.a. vor, Zweifel an der Zulässigkeit der getroffenen Anordnung beständen nicht: diese Maßnahme habe vielmehr der Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren gegenüber der Anwendung einer grundrechtsbeschränkenden Berufsausübungsregelung entsprochen. Eine Verweisung auf die Aussetzung der Vollziehung hätte den Rechtsschutzanspruch im Keime erstickt und vereitelt. Das Risiko einer auch nur nachträglichen Belastung durch Strafzollerhebung im Falle des Verlierens des Hauptverfahrens sei unzumutbar. Etwa nachträglich zu erhebende Beträge seien nach Bilanzierungsgrundsätzen vorsorglich einzubuchen, was zur Überschuldung und damit zu einem Konkursgrund geführt hätte. Eine Berufung auf den Anwendungsvorrang des GATT in bezug auf die Anwendbarkeit --nicht Gültigkeit-- der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 sei im übrigen nicht ausgeschlossen (Hinweis auf BVerfG in EuZW 1995, 412).
Das FG hat wie in der vorstehend dargestellten Streitsache in weiteren Sachen entschieden ...
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerden, über die gemeinsam entschieden wird (entsprechend § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), sind zulässig. ++/ Sie sind --nur gegen die in den Vorentscheidungen erlassenen einstweiligen Anordnungen eingelegt-- statthaft, da das FG sie jeweils zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 FGO). Der Senat hält es für unschädlich, daß die Zulassungen nur in den Rechtsmittelbelehrungen ausgesprochen worden sind. Sie sind jedenfalls ausdrücklich erfolgt ("... wird die Beschwerde ... zugelassen ...") und somit zu beachten, wiewohl sie weder im Tenor noch in den Gründen der angefochtenen Beschlüsse zum Ausdruck kommen (hierzu etwa Senat, Beschluß vom 28. Oktober 1993 VII B 229/93, BFH/NV 1994, 254 m.N.; für die Zulassung der Revision gegen Urteile Gräber/Ruban, FGO, 3. Aufl. 1993, § 115 Anm. 40 m.N.). Die für die Zulässigkeit der Rechtsmittel erforderliche Beschwer ist auch gegeben, soweit --wie größtenteils in den Streitfällen-- nach Zustellung der Vorentscheidungen und vor jeweiliger Einlegung der Beschwerde ein Ereignis eingetreten ist, das --nur nach Auffassung des Antragstellers-- die Hauptsache erledigt hat (vgl. für die Revision Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 115 Anm. 17). /++
2. Soweit keine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, sind die Beschwerden begründet. Sie führen in diesem Umfang zur Aufhebung der Vorentscheidungen (soweit darin einstweilige Anordnungen erlassen worden sind) und zur Ablehnung der Anträge.
a) Die Hauptsache ist jeweils erledigt, soweit es sich um die jeweilige Abfertigung als solche handelt. In diesem Umfang hat die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel mit den entsprechend erfolgten Abfertigungen erreicht. Die Vorentscheidungen sind wegen Erledigung der Hauptsache insoweit wirkungslos. Die Erledigung der Hauptsache ist durch Sachentscheidung festzustellen, nachdem nur die Antragstellerin, nicht aber das HZA Erledigungserklärungen abgegeben hat. Diese Feststellung ist möglich, da die Anträge auch mit ihren auf Vorwegnahme des Hauptsacheergebnisses gerichteten Begehren zulässig waren (hierzu Senat, Beschluß vom 10. September 1991 VII B 208/90, BFH/NV 1992, 398).
b) Die Rechtsstreitigkeiten sind jedoch nicht vollständig, sondern nur hinsichtlich eines Teiles des jeweiligen Streitgegenstandes --bezogen nur auf die jeweiligen Abfertigungen-- erledigt (vgl. Gräber/Ruban, FGO, 3. Aufl. 1993, § 138 Anm. 4). Hinsichtlich des jeweils nicht erledigten Teiles ist gemäß den Beschwerdehauptanträgen zu entscheiden. Der Erlaß von Regelungsanordnungen (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO) der beantragten Art kam insoweit nicht in Betracht.
aa) Unerledigt sind die Streitigkeiten, soweit die Anordnungen jeweils das an das HZA gerichtete Gebot enthalten, auch nach den inzwischen erfolgten Abfertigungen von der Festsetzung der Regelabgaben (Art. 18 Abs. 2, zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 404/93) gegen die Antragstellerin für die Einfuhrfälle abzusehen. Daß die einstweiligen Anordnungen auch einen derartigen Inhalt haben, ergibt sich insbesondere aus ihrer Befristung, welche keinen Sinn hätte, wenn die Gebote nur auf ihnen entsprechende --antragsbedingte-- Abfertigungshandlungen gerichtet gewesen wären. Die Beteiligten gehen, wie ihrem Vorbringen zu entnehmen ist, im übrigen ebenfalls davon aus, daß die Anordnungen auch bezwecken, nachträgliche Festsetzungen durch das HZA auszuschließen (die Antragstellerin spricht in diesem Zusammenhang von einer "Erledigung der Zollschuld"). Insoweit gelten die erlassenen Gebote, solange sie bestehen, auch über die einzelnen Abfertigungen hinaus.
bb) Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis sind möglich, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile ... oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO). Das FG hat den für eine einstweilige Anordnung, die auch schon vor Klageerhebung in Betracht kommt (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) --hier: vor Erhebung einer Leistungsklage ("Vornahmesache")-- gemäß § 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erforderlichen Anordnungsgrund zu Unrecht für gegeben erachtet.
Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen. Allerdings kann ausnahmsweise dem Ergebnis des Hauptprozesses vorgegriffen werden, wenn nämlich die Anordnung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist, anders also --weil die Hauptentscheidung jedenfalls zu spät käme-- ein wirksamer Rechtsschutz nicht erreichbar wäre und dies für den Rechtsschutzsuchenden zu unzumutbaren Folgen führen würde. Ein solcher Ausnahmefall kann nur bei besonderer Intensität zumindest des Anordnungsgrundes angenommen werden (zu den vorstehenden Rechtsgrundsätzen etwa Senat, Beschlüsse vom 21. Februar 1984 VII B 78/83, BFHE 140, 163, 165 f., BStBl II 1984, 449, und vom 20. September 1988 VII B 129/88, BFHE 154, 31, 34 ff., BStBl II 1988, 956; Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluß vom 14. Januar 1987 II B 102/86, BFHE 148, 440, 443, BStBl II 1987, 269).
Von diesen Grundsätzen ist an sich auch das FG ausgegangen. Es hat jedoch einem Begehren stattgegeben, dem selbst in einem Hauptprozeß nicht hätte entsprochen werden können, und im übrigen zu geringe Anforderungen hinsichtlich des Anordnungsgrundes gestellt.
Selbst in einem Hauptverfahren über eine --etwa zulässige-- vorbeugende Unterlassungsklage mit einem dem Antragsbegehren entsprechenden Rechtsschutzziel dürfte keine Senkung des (noch) anzuwendenden Zollsatzes verfügt und auf diese Weise die Höhe der Abgaben vermindert werden; ein solcher Spruch liefe auf unzulässige richterliche Rechtsetzung hinaus. Erst recht ausgeschlossen ist eine solche Maßnahme im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, selbst wenn sie befristet und möglicherweise entsprechend § 927 ZPO abänderbar ist. Denn durch einstweilige Anordnung kann nur ein im Hauptsacheverfahren realisierbarer Zustand geschaffen werden (Gräber/Koch, a.a.O., § 114 Anm. 72; zu den Grenzen der Realisierbarkeit auch BFH, Beschluß vom 22. September 1971 I B 26/71, BFHE 103, 390, BStBl II 1972, 83 --kein vorläufiger Steuererlaß--).
In Betracht kommt allenfalls ein Aufschub von Geldleistungspflichten, wie er als vom Antragsbegehren umfaßt angesehen werden kann, und (nur) in diesem Rahmen eine hierauf vorgreifende Regelung. Soweit das FG diese getroffen hat --praktisch im Sinne einer Aussetzungsentscheidung--, hat es zu Unrecht angenommen, daß für die Antragstellerin ohne vorläufigen Rechtsschutz in Form einstweiliger Anordnungen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile --drohender Konkurs-- entständen, die eine Entscheidung in der Hauptsache nachträglich nicht mehr beseitigen könnte (vgl. die auf eine Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin ergangene Entscheidung des BVerfG in EuZW 1995, 126, B II Nr. 1). Vielmehr ist davon auszugehen, daß unzumutbare Folgen nicht zwangsläufig eintreten, sie vielmehr durch andere Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes --die der Aussetzung der Vollziehung (künftiger) Abgabenbescheide, die gegenüber dem Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung vorrangig in Betracht kommt, § 114 Abs. 5 FGO-- vermeidbar sind. Insoweit verhält es sich anders als in den von der Antragstellerin vor den Verwaltungsgerichten geführten Verfahren wegen Verpflichtung zur Lizenzerteilung, in denen Rechtsschutzgewährung nur durch einstweilige Anordnung (übrigens mit bestimmten Vorläufigkeitsregelungen; Verwaltungsgerichtshof Kassel, Beschluß vom 9. Februar 1995 8 TG 292/95, EuZW 1995, 222, 224 a.E.) möglich war. Der Antragstellerin kann es --für das Finanzstreitverfahren-- letztlich allein darum gehen, zur Vermeidung erheblicher Nachteile von der Entrichtung von Abgaben (Regelzollsatz von 850 ECU/t Drittlandsbananen) vorläufig verschont zu bleiben. Dieses Rechtsschutzziel kann die Antragstellerin verfolgen, indem sie die Aussetzung der Vollziehung gegen sie ergehender Abgabenbescheide beantragt. Der Umstand, daß dies den Erlaß solcher Bescheide voraussetzt --der dem HZA durch die einstweiligen Anordnungen verwehrt ist--, schließt die Verweisung auf die Aussetzung der Vollziehung nicht aus. Allein die künftig in Betracht kommende Möglichkeit eines entsprechenden Vorgehens macht die --erst aufgrund der zu erwartenden Bescheide eintretenden-- Nachteile für die Antragstellerin "abwendbar". Solange Abgabenbescheide noch nicht erlassen sind, kommt einstweiliger Rechtsschutz in dem einzig erreichbaren Umfang nicht in Betracht.
Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Entscheidung. Sie erfordern zwar die Gewährung effektiven vorläufigen Rechtsschutzes, legen aber das dafür einzuschlagende Verfahren selbst und dessen Modalitäten nicht fest (vgl. auch BFH, Beschluß vom 11. Januar 1984 II B 35/83, BFHE 139, 508, BStBl II 1984, 210).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist mit dem Aussetzungsverfahren eine auch in ihrem Falle effektive Rechtsschutzmöglichkeit gegeben. Dies läßt sich nicht im Hinblick auf eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Bildung von Rückstellungen in der zum Schluß des Geschäftsjahres aufzustellenden Bilanz (§ 242 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches) in Frage stellen. Das Risiko, im Falle endgültigen Unterliegens in einem Hauptverfahren gegen noch zu erlassende Abgabenbescheide die Abgabenlast zu tragen, kann der Antragstellerin nicht abgenommen werden. Gleiches gilt für die Gefahr, daß entsprechende Rückstellungen bei endgültigem Unterliegen der Antragstellerin nicht aufgelöst werden können.
3. Mit der wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes gebotenen Ablehnung der Anträge ist der Weg frei für den Erlaß von Abgabenbescheiden. Der Abgabenfestsetzung steht nicht entgegen, daß --aufgrund der durch die Vorentscheidungen getroffenen Regelungen-- die betreffenden Einfuhren ohne die gemäß Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 erforderlichen Lizenzen erfolgt sind. Entstehen die Abgaben bei lizenzierten Einfuhren, so gilt dies erst recht, wenn die Pflicht zur Vorlage der erforderlichen Lizenzen durch (nunmehr wegfallende) einstweilige Anordnungen aufgehoben war. Der Antragstellerin ist die Möglichkeit eröffnet, gemäß Art. 244 des Zollkodex, dessen Unterabsatz 2 auch in einem finanzgerichtlichen Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO anzuwenden ist (Senat, Beschluß vom 22. November 1994 VII B 140/94, BFHE 176, 170), Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide zu beantragen. Soweit der Antrag mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Bescheide im Hinblick auf die Anwendbarkeit bzw. Gültigkeit des angewandten Gemeinschaftsrechts begründet wird, könnte selbst unter Beachtung der insoweit vom EuGH (Urteil vom 21. Februar 1991 C-143/88, C-92/89, EuGHE 1991, I-534, 544) aufgestellten strengen Aussetzungsvoraussetzungen eine stattgebende Entscheidung in Betracht kommen. Für die Berechtigung der vom FG in seinem Vorlagebeschluß (EFG 1995, 730, 732 f.) gestellten Fragen --insbesondere derjenigen zum Anwendungsvorrang des GATT-- mögen gute Gründe sprechen. Hierüber hat der Senat in den vorliegenden Verfahren aber nicht zu entscheiden. Er bemerkt nur, daß der Vorlagebeschluß als solcher durch die Aufhebung der einstweiligen Anordnung (in VII B 153/95) nicht berührt wird. Er bleibt, solange ihn das FG nicht selbst aufhebt (etwa hinsichtlich der 4. Vorlagefrage), bestehen und kann seine Bedeutung für etwaige künftige Aussetzungs- bzw. Hauptverfahren behalten.
++/ 4. Für die Kostenentscheidung ist davon auszugehen, daß die Kosten, wäre nur über den erledigten Teil --vorstehend Nr. 2 a-- zu entscheiden, dem HZA aufzuerlegen gewesen wären, da dieses sich den Erledigungserklärungen der Antragstellerin, bezogen auf die durch --zulässige-- Anträge eingeleitete Verfahren, nicht angeschlossen, sondern an seinen Ablehnungsanträgen festgehalten hat (§ 135 Abs. 1 FGO; Senat in BFH/NV 1992, 398 --Nr. 3-- m.N.). Im übrigen hätte sie die Antragstellerin zu tragen, da ihre Anträge insoweit letztlich keinen Erfolg haben (§ 135 Abs. 1 FGO). Insgesamt ist die Kostenentscheidung nach § 136 Abs. 1 FGO zu treffen. In diesem Rahmen erscheint es angebracht, die Kosten gegeneinander jeweils aufzuheben.
Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf 10 % der jeweiligen Abgabendifferenz zwischen den erhobenen und den --wie in Nr. 3 ausgeführt-- festzusetzenden Abgaben zu bestimmen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 135 Anm. 30, S.951), nämlich auf die im Tenor dieses Beschlusses angegebenen Beträge. /++
Fundstellen
Haufe-Index 65620 |
BStBl II 1995, 645 |
BFHE 178, 15 |
BB 1995, 1892 (L) |
DStZ 1996, 158-159 (K) |
HFR 1995, 729-730 (LT) |
StE 1995, 577 (K) |