Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von ,,Rindfleisch, gesalzen"

 

Leitsatz (NV)

Zolltariflicher Begriff ,,gesalzen" in Pos. 0210 (Vorlage an den EuGH)

 

Normenkette

Zolltarif (KN) Pos. 0202 3090, 0210 2090

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in zwei Fällen über die Einreihung von Rindfleisch in den Zolltarif (Kombinierte Nomenklatur - KN -).

Im Fall VII K 22/90 erteilte die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über ,,Rindfleisch, gesalzen". Die OFD reihte darin das zur Weiterverarbeitung bestimmte Interventionsfleisch als ,,anderes" gefrorenes Rindfleisch in die Unterposition 0202 3090 KN ein. Die untersuchte Warenprobe wies dabei einen Kochsalzgehalt von 1,2 % in der Ware (Gesamtsalzgehalt) auf. Der regelmäßig niedriger liegende Salzgehalt im Inneren der Ware (in der Mitte) konnte wegen der Beschaffenheit der Probe nicht festgestellt werden. Den Einspruch der Klägerin, mit dem diese eine Einreihung in die Unterposition 0210 2090 KN - gesalzenes Fleisch von Rindern, ohne Knochen - begehrte, wies die OFD mit Einspruchsentscheidung zurück.

Im Fall VII K 23/90 hob die OFD die der Klägerin erteilte vZTA über ,,Rindfleisch, gesalzen", in der die Ware der Unterposition 0210 2090 KN (Gesamtkochsalzgehalt 0,71 %, im Inneren der Ware 0,48 %) zugewiesen worden war, auf und wies den hiergegen gerichteten Einspruch mit gleicher Begründung wie im ersten Fall zurück.

Mit ihren Klagen verfolgt die Klägerin ihre Einreihungsbegehren weiter. Sie führt im wesentlichen aus: Rohes Rindfleisch sei stets dann als gesalzenes Fleisch i. S. der Unterposition 0210 2090 KN anzusehen, wenn der durchschnittliche Salzgehalt 0,5 % betrage. Der Begriff ,,gesalzen" bei Rindfleisch sei in den gesetzlichen Bestimmungen nicht näher definiert. Nach dem natürlichen Sprachgebrauch sei nur der Zusatz von Salz von außen, nicht jedoch eine bestimmte Menge an zugesetztem Salz erforderlich. Bereits ein Salzgehalt von 0,5 %, also etwa das Dreifache des natürlichen Kochsalzgehalts von 0,15 %, führe zu einer qualitativen Veränderung des Fleischs in geschmacklicher Hinsicht und zu veränderten Einsatzmöglichkeiten in der fleischverarbeitenden Industrie. Das Überschreiten dieser Schwelle verleihe dem Fleisch damit die charakterbestimmende Eigenschaft ,,gesalzen". Auch die Haltbarkeit des Fleischs reiche bei einem Salzgehalt von mindestens 0,5 % über die Zeit des reinen Transports hinaus. Die von der OFD verlangte ,,tiefergehende" Salzung finde bei der Position 0210 KN keine Stütze. Die Schwelle von 2 % sei willkürlich. Die Frage des prozentualen Salzgehalts sei in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand von Erörterungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gewesen, ohne daß dabei ein einheitliches Ergebnis herausgekommen sei. Einige Mitgliedstaaten betrachteten Fleisch bereits dann als gesalzen, wenn es wesentlich weniger als 2 % Kochsalz enthalte.

Die OFD trägt vor, bereits die Systematik des Zolltarifs zeige, daß es sich bei Rindfleisch der Position 0210 KN (gesalzen, in Salzlake, getrocknet oder geräuchert) um weitergehend bearbeitetes Fleisch als das der Positionen 0201 KN (frisch oder gekühlt) und 0202 KN (gefroren) handele. Alle Bearbeitungsverfahren der Position 0210 KN dienten der Haltbarmachung des Fleischs. Zwar sei der Begriff ,,gesalzen" in den gesetzlichen Vorschriften bei Rindfleisch nicht definiert, doch sei die für Schweinefleisch in den Erläuterungen zur KN - Harmonisiertes System (HS) - (ErlKN) Position 0210 (KN) RZ 05.0 vorgeschriebene Festlegung hinsichtlich des Begriffs ,,Haltbarmachung" für Fleisch der Position 0210 KN allgemein gültig. Hiernach werde eine tiefergehende Salzung verlangt, die zwar nach Zuschnitt und Art des Fleisches sehr unterschiedlich sein könne, die aber als meist nur vorläufige Haltbarmachung in ihrer Dauer weit über die des Transports hinausgehen müsse. Eine schwache Salzung von 1,2 % erfülle nicht diese Anforderungen. Die Bundesanstalt für Fleischforschung halte sogar einen Kochsalzgehalt von 4 bis 5 % für erforderlich, um das Fleisch ohne Gefrieren haltbar zu machen. Jedenfalls könne ein Wert unter dem von der deutschen Zollverwaltung im Kompromißwege als Orientierungshilfe einheitlich zugrunde gelegten Grenzwert von 2 % nicht akzeptiert werden.

 

Entscheidungsgründe

In den Streitfällen, die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden sind, sind gemeinschaftsrechtliche Vorschriften der KN anzuwenden, deren Auslegung zweifelhaft erscheint. Es ist daher geboten, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Auslegung der maßgebenden Vorschriften zu ersuchen (Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft).

Für die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten kommt es darauf an, in welcher Größenordnung - unstreitig - zugesetztes Salz dem streitbefangenen Rindfleisch die Eigenschaft ,,gesalzen" i. S. der Position 0210 KN verleiht. Reicht hierfür bei einem natürlichen Kochsalzgehalt von 0,15 % ein potentiometrisch festgestellter Gesamtsalzgehalt von 1,2 % (VII K 22/90) bzw. 0,71 % (VII K 23/90) aus, ist die Ware in die Unterposition 0210 2090 KN einzureihen. Ist eine tiefergehende Salzung, etwa ein Salzgehalt von mindestens 2 %, zu verlangen, erweist sich die Einreihung in die Unterposition 0202 3090 KN als richtig. Dabei bemerkt der Senat, daß das ursprünglich gefrorene Interventionsfleisch gemäß ErlKN Kap. 02 (KN) RZ 03.0 auch in ganz oder teilweise aufgetautem Zustand wie gefrorenes Fleisch einzureihen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 7. Mai 1991 Rs. C-120/90, amtlich noch nicht veröffentlicht, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 563, Abs. 11 der Gründe) ist im Interesse der Rechtssicherheit und zur Erleichterung der Kontrollen das entscheidende Kriterium für die Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen des Gemeinsamen Zolltarifs und in den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Der Begriff ,,gesalzen" im Wortlaut der Position 0210 wird, anders als etwa die darin enthaltenen Begriffe ,,getrocknet oder geräuchert" (vgl. Zusätzliche Anmerkung 2 E zu Kap. 2), in den Vorschriften zu Kap. 2 nicht definiert. Nach dem natürlichen Sprachgebrauch ist eine Ware jedenfalls schon dann gesalzen, wenn über ihren natürlichen Salzgehalt hinaus Salz zugesetzt worden ist. Das ist bei dem streitbefangenen Fleisch unstreitig der Fall. Es weist - sogar in seinem Inneren - einen Salzgehalt auf, der mehr als das Dreifache des natürlichen Salzgehalts von ca. 0,15 % ausmacht. Das ist auch bei dem Fleisch zu unterstellen, bei dem nur der Gesamtsalzgehalt von 1,2 % ermittelt werden konnte.

Aufgrund der Systematik des Kap. 2, welches Fleisch erfaßt, das gekühlt, gefroren, gesalzen, in Salzlake befindlich, getrocknet oder geräuchert ist, ist weiter zu folgern, daß das Salzen eine Behandlung zur Haltbarmachung des Fleisches darstellen muß (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 1983 Rs. 175/82, EuGHE 1983, 969, 976, Abs. 6 der Gründe). Nach dem Vortrag der Klägerin war die Salzung so angelegt, daß die Haltbarmachung über die Transportzeit des Fleisches von etwa einer Stunde hinaus bis zum nächsten oder übernächsten Tag gesichert war. Das ist von der OFD auch nicht bestritten worden. Im übrigen ist die haltbarkeitsfördernde Wirkung einer Salzung jedenfalls im Kühlbereich (2-7 Grad C) allgemein bekannt.

Für die Richtigkeit der Auffassung der Klägerin spricht auch ihr unwidersprochen gebliebener Vortrag, wonach derart gesalzenes Rindfleisch sowohl in geschmacklicher Hinsicht als auch bezüglich seiner Verwendungsmöglichkeiten in der fleischverarbeitenden Industrie eine eigene charakterbestimmende Qualität aufweist, die es von anderem Rindfleisch, dem kein Salz zugesetzt worden ist, unterscheidet und daher eine Einreihung in die Position 0210 rechtfertigen könnte.

Der Senat hat aber Zweifel, ob eine auf eine relativ kurze Dauer von ein bis zwei Tagen angelegte Haltbarmachung den Anforderungen der Position 0210 KN genügt. Die dort gleichfalls erfaßten Arten der Haltbarmachung (Einlegen in Salzlake, Trocknen, Räuchern) deuten auf eine längerfristig angelegte Konservierung hin. Die Zweifel werden bestärkt durch ErlKN Position 0210 (KN) RZ 05.0, wonach für die Haltbarmachung von Schinken, Schultern und Teilen davon von Hausschweinen eine tiefgehende Salzung verlangt wird. Nach dieser Erläuterung kann der Salzgehalt solcher Erzeugnisse je nach Zuschnitt und Art des Fleisches sehr unterschiedlich sein. Die Dauer dieser meist nur vorläufigen Haltbarmachung muß weit über die Dauer des Transports hinausgehen. Es stellt sich die Frage, ob diese Erläuterung allgemein bezüglich aller Arten von Fleisch als Begriffsdefinition von ,,gesalzen" heranzuziehen und somit sinngemäß auch auf Rindfleisch anzuwenden ist. Hiergegen könnte sprechen, daß sich diese Erläuterung bereits unter dem vor Einführung des HS geltenden Gemeinsamen Zolltarif - vgl. Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zuammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens zur Tarifst. 02.06 B I a) - ausschließlich auf Schweinefleisch bezog und unter der KN so beibehalten wurde, wobei ihre sinngemäße Anwendung ausdrücklich nur für eine andere Ware dieses Bereichs (Unterposition 0210 1211) vorgeschrieben worden ist (vgl. ErlKN Position 0210 (KN) RZ 13.0).

Ist diese Begriffsbestimmung des Salzens auch für Rindfleisch einschlägig, ist weiter zu klären, was unter ,,tiefgehend gesalzen" zu verstehen ist und wann die Dauer der (auch nur vorläufigen) Haltbarmachung ,,weit über die des Transports" hinausgeht. Der Senat neigt dazu, mit der Klägerin Rindfleisch bei einem festgestellten Gesamtsalzgehalt ab ca. 0,5 %, also etwa der dreifachen Menge des natürlichen Salzgehalts, als (tiefgehend) gesalzen anzusehen. Unter welchen Umständen die Dauer der Haltbarmachung weit die des Transports übersteigt, dürfte Tatfrage des Einzelfalls sein. Bei einer Transportdauer von etwa einer Stunde dürfte eine Haltbarmachung bis zum nächsten oder übernächsten Tag ausreichend sein, es sei denn, die besagte Erläuterung hätte etwa die übliche Dauer eines grenzüberschreitenden Transports vor Augen.

Wegen der hiernach bestehenden Zweifel bei der zolltariflichen Auslegung und der von den Beteiligten übereinstimmend dargelegten verschiedenen Anwendungspraktiken in den Mitgliedstaaten sowie des auf Kommissionsebene gescheiterten Versuchs einer Vereinheitlichung hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 177 Abs. 1, Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist der Gemeinsame Zolltarif - Kombinierte Nomenklatur - dahin auszulegen, daß Rindfleisch, dem zur Haltbarmachung soviel Salz zugesetzt worden ist, daß der festgestellte Gesamtsalzgehalt mehr als das Dreifache (ca. 0,5 %) des natürlichen Salzgehalts (ca. 0,15 %) beträgt, als gesalzen in die Position 0210 einzureihen ist?

2. Bei Verneinung der Frage zu 1.: Wie hoch muß der Salzgehalt sein und welche anderen Umstände (z. B. tiefgehende Salzung, Dauer der Haltbarkeit im Vergleich zur Transportdauer) müssen ggf. erfüllt sein, damit Rindfleisch als gesalzen in die Position 0210 eingereiht werden kann?

 

Fundstellen

Haufe-Index 418070

BFH/NV 1992, 427

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