Leitsatz (amtlich)
Ist die Klage in einer Zolltarifsache wegen Versäumung der Frist für den Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren ohne Erfolg geblieben, so ist die Revision gegen das Urteil des FG nicht gemäß § 116 Abs. 2 FGO von der Zulassung befreit.
Normenkette
FGO §§ 115, 116 Abs. 2
Tatbestand
Bei der Abfertigung der von der Klägerin eingeführten Maschine zum freien Verkehr wies das ZA die Maschine der Tarifnr. 84.59-E III-b zu und verlangte von der Klägerin Eingangsabgaben in Höhe von 1 465,60 DM. Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein mit der Begründung, die Maschine sei der Tarifnr. 84.30-C zuzuweisen mit der Folge, daß der Zollsatz 1,5 % niedriger sei. Das HZA verwarf den Einspruch als unzulässig mit der Begründung, daß der Einspruch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eingelegt worden sei und Nachsichtsgründe nicht gegeben seien. Mit der daraufhin erhobenen Klage strebte die Klägerin eine sachliche Entscheidung über ihren Einspruch an. Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. In den Gründen führte es im wesentlichen aus, das HZA habe den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen. Der Einspruch sei erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eingelegt worden. Die Klägerin sei auch nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs einzuhalten.
Mit der Revision rügt die Klägerin, daß das ZA zu ihren Ungunsten den falschen Zolltarif (ZT) angewendet habe und daß § 86 AO verletzt worden sei. Ihr habe Nachsicht gewährt werden müssen. Die Revision bedürfe nicht der Zulassung, da es sich um eine Tarifstreitsache handele. Die Verletzung des § 86 AO werde nur gerügt, um das Ziel der richtigen Tarifanwendung zu erreichen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und nach dem in der Klage gestellten Antrag bzw. Hilfsantrag zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen. § 116 Abs. 2 FGO könne nicht angewendet werden. Das Urteil sei über die Frage der Nachsichtsgewährung gemäß § 86 AO und nicht in einer ZT-Sache ergangen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht zulässig, da der Wert des Streitgegenstandes 1 000 DM nicht übersteigt und das FG die Revision nicht zugelassen hat. Ein Fall der zulassungsfreien Revision liegt nicht vor.
Die Klägerin ist offenbar der Auffassung, die Zulassung der Revision sei nach § 116 Abs. 2 FGO bereits dann nicht erforderlich, wenn die Frage, ob die streitbefangene Ware der zutreffenden ZT-Nummer zugewiesen worden sei, durch die Klage zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht worden sei. Dieser Auffassung vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Aus § 116 Abs. 2 FGO, insbesondere aus dem Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 115 FGO ist zu entnehmen, daß die Zulassung der Revision nur dann nicht erforderlich ist, wenn das angefochtene Urteil eine Entscheidung über eine zolltarifrechtliche Frage enthält. § 116 Abs. 2 FGO ist eine Ausnahmevorschrift zu der Regelung in § 115 Abs. 1 FGO, daß die Revision der Zulassung bedarf, wenn der Wert des Streitgegenstandes 1 000 DM nicht übersteigt. Bei dieser Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber unterstellt, daß die Entscheidungen der FG über zolltarifrechtliche Fragen stets grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO haben (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.-3. Aufl., FGO § 116 A 7; Kühn, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., FGO § 116 Anm. 1). Der Grund dafür liegt darin, daß die Entscheidung über eine zolltarifrechtliche Frage über den Einzelfall hinaus stets für alle Waren der Gattung Bedeutung hat, zu der die streitbefangene Ware gehört (vgl. Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 116 Rdnr. 7; Begründung zu § 108 des Entwurfs einer Finanzgerichtsordnung, Deutscher Bundestag, Drucksache IV/1446).
Da das Urteil des FG eine Entscheidung über eine zolltarifrechtliche Frage nicht enthält, kann § 116 Abs. 2 FGO nicht angewendet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 68739 |
BStBl II 1970, 253 |
BFHE 1970, 15 |