Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuer-Außenprüfung keine "Rasterfahndung"
Leitsatz (NV)
1. Aus der Rechtsprechung über unzulässige Auskunftsersuchen der Finanzbehörden im Rahmen von Rasterfahndungen ist kein Verwertungsverbot gegenüber Feststellungen herzuleiten, die bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung getroffen werden.
2. Das FG prüft das Vorliegen einer Steuerhinterziehung nach den Grundsätzen der AO 1977 und der FGO, nicht dagegen nach der StPO.
3. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung steht im Ermessen des FG.
Normenkette
AO 1977 § 93; FGO § 80 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 26.05.2004; Aktenzeichen 2 K 2284/01) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtsfrage, ob die Sozialkasse X als Bank angesehen werden könne, welche die Guthaben der Bauarbeiter verwalte, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie kann in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil sie für die Entscheidung des Streitfalles nicht rechtserheblich ist (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 50 ff., m.w.N.). In der aufgeworfenen Rechtsfrage konkretisiert sich die Auffassung der Kläger, dass im Falle der Vergleichbarkeit der Sozialkasse mit einer Bank die Erhebung von Daten über die Urlaubsabgeltungen der …arbeiter als Rasterfahndung anzusehen wäre und die gewonnenen Prüfungsergebnisse einem Verwertungsverbot unterlägen. Auf die "zur Rasterfahndung ergangene Rechtsprechung" des Bundesfinanzhofs (BFH) können die Kläger sich jedoch nicht berufen. Der BFH hat in dem Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95 (BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499) sowie in der dort zitierten Entscheidung vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86 (BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277) ausgeführt, dass auf § 93 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Auskunftsersuchen der Finanzbehörden (nur) dann unzulässig seien, wenn sie im Rahmen von Rasterfahndungen oder ähnlichen Ermittlungen erfolgten. Im Streitfall geht es indessen nicht um ein Auskunftsverlangen. Der angefochtene Steuerbescheid ist vielmehr aufgrund von Feststellungen ergangen, die während einer bei der Sozialkasse durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung getroffen wurden.
2. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) weicht im Hinblick auf die Annahme einer Steuerhinterziehung nicht von den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 1989 3 StR 590/88 (Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht --wistra-- 1989, 263) sowie des BFH vom 12. März 1992 IV R 29/91 (BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36) ab. Das FG hat den erforderlichen Tatvorsatz entgegen der Auffassung der Kläger nicht unterstellt, sondern es hat anhand von Indizien auf das Vorliegen des subjektiven Tatbestands geschlossen. Die erforderliche Prüfung hat im Übrigen nach den Grundsätzen der AO 1977 und der Finanzgerichtsordnung (FGO), nicht dagegen nach der Strafprozessordnung zu erfolgen (BFH-Urteil in BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36, unter B.2. der Gründe).
3. a) Soweit die Kläger rügen, das FG habe die Lohnsteuer-Arbeitgeberakten der Sozialkasse nicht beigezogen, wird ein Verfahrensmangel nicht schlüssig vorgetragen. Dem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, weshalb die Vorinstanz durch das Unterlassen von Ermittlungen im Umfeld der vorangegangenen Lohnsteuer-Außenprüfung gegen Verfahrensvorschriften des Klageverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid verstoßen, insbesondere die Sachaufklärungspflicht verletzt haben sollte, etwa weil die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung sich ihm hätte aufdrängen müssen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 76 FGO Tz. 41). Ebenso wenig ist hinreichend dargelegt, inwiefern der materielle Inhalt der Entscheidung des FG auf der fehlenden Aktenbeiziehung beruhen kann. Die Vermutung, dass die Außenprüfung außerhalb rechtsstaatlicher Grundsätze erfolgt sei, reicht insoweit nicht aus. Dass dem Klägervertreter bereits im Strafverfahren die Einsichtnahme in die Prüfungsanordnung verweigert worden sei, lässt keinen Schluss auf einen Verfahrensmangel im Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid zu.
b) Dass das FG nicht die Kläger persönlich zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen hat, stellt keinen Verfahrensfehler dar. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 FGO "kann" das Gericht das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung anordnen; die Entscheidung steht in seinem Ermessen (Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 80 Rz. 4). Ein Beteiligter hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass sein persönliches Erscheinen angeordnet wird, damit er in der mündlichen Verhandlung neben seinem Prozessbevollmächtigten anwesend ist (Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 80 FGO Rz. 29).
c) Mit der Rüge, die Vorinstanz habe die Erklärung nicht beachtet, die der Kläger in seiner Beschuldigtenvernehmung abgegeben habe und die zur Einstellung des Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung geführt habe, berufen sich die Kläger möglicherweise auf mangelnde Sachaufklärung des FG. Dieses hatte indessen die Strafakte vom Finanzamt für Fahndung und Strafsachen beigezogen und auch eine Kopie des Protokolls der Beschuldigtenvernehmung zu den eigenen Akten genommen. Wenn das FG bei der Prüfung der Steuerhinterziehung in Kenntnis der protokollierten Aussage des Klägers gleichwohl nicht zu einem Ergebnis im Sinne des Klageantrags gelangt ist, so kann dies nicht als Verfahrensfehler beurteilt werden, da insoweit der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen ist (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 79). Es könnte allenfalls eine fehlerhafte Bewertung und Gewichtung von Indizien vorliegen, die jedoch als materiell-rechtlicher Mangel nicht zur Zulassung der Revision führen.
Fundstellen
Haufe-Index 1368688 |
BFH/NV 2005, 1224 |