Leitsatz (amtlich)
Eine Rechtsmittelbelehrung, in der nicht zum Ausdruck kommt, daß das FG von der gesetzlichen Grundregel der Nichtanfechtbarkeit eines Beschlusses nach § 69 Abs.3 und 4 FGO abweichen und mit der Rechtsmittelbelehrung im Streitfall eine Zulassung aussprechen will, kann nicht als Zulassung der Beschwerde gewertet werden.
Orientierungssatz
1. Über die Zulassung der Beschwerde gegen einen Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO ist von Amts wegen zu entscheiden. Sie wird aus Gründen der Klarheit zweckmäßigerweise in der Beschlußformel ausgesprochen. Ausreichend ist aber auch, wenn die Zulassung des Rechtsmittels unter Hinweis auf den Zulassungsgrund oder die gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Gründen hervorgeht (vgl. BFH-Urteil vom 5.11.1971 VI R 284/69).
2. Die Zulassung der Beschwerde gegen einen Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO muß in dem Beschluß ausgesprochen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung). Nach Ergehen des Beschlusses hat das FG keine Möglichkeit mehr, die Beschwerde zuzulassen, sofern es sich nicht um ein Versehen handelt, das zu einer Berichtigung des Beschlusses wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 107 FGO berechtigt (Lit.). Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluß vom 3.5.1984 VII B 84/83).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3-4, § 115 Abs. 2, § 128 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; FGO § 107
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat in dem angefochtenen Beschluß dem Antrag des Antragstellers und Beschwerdegegners (Antragsteller) auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 30.Oktober 1985 entsprochen, soweit die Prüfungsanordnung die Jahre 1977 bis 1982 betrifft. An der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung bestünden ernstliche Zweifel, weil Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung der Frage bestehe, ob der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Außenprüfung im Hinblick auf die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Antragsteller hätte durchführen dürfen. Soweit das FA eine eigene Prüfungskompetenz für die Jahre 1977 bis 1979 annehme, sei diese auch deshalb zweifelhaft, weil die in diesen Jahren entstandenen Steueransprüche möglicherweise verjährt seien. Zwar habe der VIII.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 23.Juli 1985 VIII R 48/85 (BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433) derartige Umstände nicht als Hinderungsgrund für den Erlaß einer Prüfungsanordnung angesehen. Der VII.Senat des BFH habe aber im Urteil vom 3.Dezember 1985 VII R 17/84 (BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439) die Auffassung vertreten, daß "Ermittlungen hinsichtlich verjährter Zeiträume nicht in Frage" kämen.
Das FG hat weder in der Beschlußformel noch in den Gründen ausgeführt, daß es die Beschwerde gegen seinen Beschluß zuläßt. Satz 1 der Rechtsmittelbelehrung lautet wie folgt: "Gegen diesen Beschluß ist nach § 128 Abs.1 Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde zulässig." In der Urschrift des Beschlusses findet sich neben der Rechtsmittelbelehrung eine mit Datum und Namenszeichen versehene handschriftliche Bemerkung: "Beschwerde wird zugelassen."
Gegen den Beschluß hat das FA Beschwerde eingelegt. Es hält die Beschwerde aufgrund der Rechtsmittelbelehrung für zulässig. Die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung sei nicht ernstlich zweifelhaft. Der BFH habe im Urteil in BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433 die vom FG vertretene Auffassung abgelehnt, daß das FA nicht berechtigt sein soll, eine Außenprüfung anzuordnen, soweit ausschließlich Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung in Frage stehe. Die vom FG zitierten Ausführungen des VII.Senats des BFH in BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439 seien in unzulässigerweise aus dem Sinnzusammenhang gelöst.
Das FA beantragt, die begehrte Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung unter Aufhebung des Beschlusses des FG abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Er ist der Ansicht, daß die Beschwerde nach Art.1 Nr.3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) unzulässig sei.
Das FG hat förmlich beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und diese dem BFH vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gegen einen Beschluß des FG nach § 69 Abs.3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Beschwerde grundsätzlich unzulässig. Sie ist nur gegeben, wenn das FG die Beschwerde zugelassen hat. Art.1 Nr.3 BFHEntlG bestimmt hierzu, daß den Beteiligten die Beschwerde gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs.3 und 4 FGO nur zusteht, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs.2 FGO entsprechend.
Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Das FG hat die Beschwerde nicht zugelassen.
1. Über die Zulassung der Beschwerde ist von Amts wegen zu entscheiden. Sie wird aus Gründen der Klarheit zweckmäßigerweise in der Beschlußformel ausgesprochen. Ausreichend ist aber auch, wenn die Zulassung des Rechtsmittels unter Hinweis auf den Zulassungsgrund oder die gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Gründen hervorgeht (BFH-Urteil vom 5.November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139, m.w.N.).
Bringt das FG weder in der Beschlußformel noch in den Gründen zum Ausdruck, daß es die Beschwerde zulassen will, fehlt es an dem Erfordernis, daß die Beschwerde "in dem Beschluß zugelassen worden ist" (BFH-Beschluß vom 28.Juli 1977 IV R 127/76, BFHE 123, 117, 119, BStBl II 1977, 819 für den insoweit vergleichbaren Fall der Zulassung der Revision; BFH-Beschluß vom 27.Februar 1985 VIII B 57/84, BFH/NV 1985, 96, m.w.N. in Rechtsprechung und Schrifttum).
Im Streitfall hat das FG weder in der Beschlußformel noch in den Gründen zum Ausdruck gebracht, daß es die Beschwerde zuläßt. Das FG hat in den Gründen zwar ausgeführt, daß an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung ernstliche Zweifel bestünden, jedoch nicht erkennbar gemacht, daß es deshalb eine Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH bereits im Aussetzungsverfahren für geboten hält.
2. Die Zulassung ist nicht durch die Rechtsmittelbelehrung ausgesprochen worden.
In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte bestehen nicht einheitliche Auffassungen, ob die Zulassung eines Rechtsmittels in der Rechtsmittelbelehrung wirksam ausgesprochen werden kann (verneinend: Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 21.März 1956 7 RAr 7/55, BSGE 2, 67; abschwächend: BSG-Urteil vom 23.März 1971 7 RKg 14/69, Sozialrecht 1500 --SGG-- § 150 Nr.51; bejahend: BFH-Urteile vom 12.April 1967 VI R 321/66, BFHE 88, 361, BStBl III 1967, 396; in BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139; vgl. auch Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.Juli 1973 III B 1.73, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 310, § 132 VwGO Nr.111). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welcher Rechtsauffassung er folgt, denn die im Streitfall gewählte Rechtsmittelbelehrung kann schon aufgrund ihrer mehrdeutigen Fassung nicht als Ausspruch der Zulassung der Beschwerde gewertet werden.
Soll eine Beschwerde gegen einen Beschluß nach § 69 Abs.3 und 4 FGO durch eine Rechtsmittelbelehrung zugelassen werden, müßte in der Rechtsmittelbelehrung mindestens erkennbar werden, daß das FG von der gesetzlichen Grundregel der Nichtanfechtbarkeit derartiger Beschlüsse im Streitfall abweichen will. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die Vorstellungen der erkennenden Richter an, die diese mit der gewählten Formulierung verbinden; aus Gründen der Rechtsklarheit ist vielmehr ausschlaggebend, wie die Erklärung objektiv zu werten ist.
Die im Streitfall gewählte Formulierung: "Gegen diesen Beschluß ist nach § 128 Abs.1 Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde zulässig" entspricht nicht den gebotenen Erfordernissen. Der Hinweis auf § 128 Abs.1 FGO in einem Beschluß nach § 69 Abs.3 oder 4 FGO ist unzutreffend, mindestens aber irreführend (vgl. BFH-Beschluß vom 3.Dezember 1985 VII B 65/85, BFH/NV 1986, 419). Die Formulierung bringt nicht zum Ausdruck, daß das FG von der gesetzlichen Grundregel der Nichtanfechtbarkeit derartiger Beschlüsse abweichen und mit der Rechtsmittelbelehrung im Streitfall eine Zulassung aussprechen will.
3. Die Beschwerde ist auch nicht durch die handschriftliche Bemerkung --offenbar des Berichterstatters--: "Beschwerde wird zugelassen" ausgesprochen worden. Es handelt sich hierbei um eine Bemerkung, die nicht zur Aufnahme in den Beschluß bestimmt war und auch nicht aufgenommen wurde. Die Bemerkung war nur mit einer Paraphe versehen und weder von der Unterschrift des Vorsitzenden noch des weiteren Berufsrichters gedeckt.
4. Schließlich kann der Nichtabhilfebeschluß des FG nicht als Zulassung der Beschwerde gewertet werden. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil die Zulassung nach dem eindeutigen Wortlaut des Art.1 Nr.3 BFHEntlG in dem Beschluß ausgesprochen werden muß (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3.Mai 1984 VII B 84/83, BFHE 141, 116, BStBl II 1984, 562; vom 24.September 1971 VI R 24/71, BFHE 103, 305, BStBl II 1971, 811). Nach Ergehen des Beschlusses hat das FG keine Möglichkeit mehr, die Beschwerde zuzulassen, sofern es sich nicht um ein Versehen handelt, das zu einer Berichtigung des Beschlusses wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 107 FGO berechtigt (Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr.118, m.w.N.). Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (Beschluß in BFHE 141, 116, BStBl II 1984, 562).
Fundstellen
Haufe-Index 61737 |
BStBl II 1987, 635 |
BFHE 150, 114 |
BFHE 1987, 114 |
DB 1987, 2134-2134 (ST) |
HFR 1987, 572-573 (ST) |