Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Einlegung des Rechtsmittels unter Mißachtung des Vertretungszwangs
Leitsatz (NV)
Die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht unverschuldet, wenn der nicht postulationsfähige Kläger persönlich gegen das Urteil des FG Beschwerde eingelegt hat, obwohl er in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils zutreffend über den beim BFH bestehenden Vertretungszwang belehrt worden ist.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, § 115 Abs. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Finanzgerichts (FG) vom 23. Juni 1995 wegen Einkommensteuer 1977 bis 1985, Einkommensteuer 1986 und 1988, Einkommensteuer 1987 und 1990 sowie Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1982 bis 1984 persönlich beim FG zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerden eingelegt.
Der erkennende Senat hat diese Beschwerden durch Beschluß vom 19. Dezember 1995, der dem Kläger am 12. Januar 1996 bekanntgegeben wurde, wegen Nichtbeachtung des Vertretungszwangs (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (-- BFHEntlG --) verworfen. Nach Zustellung dieses Beschlusses hat der Kläger, vertreten durch seine jetzigen Prozeßbevollmächtigten, mit Schriftsatz vom 24. Januar 1996 erneut gegen die Nichtzulassung der Revision in den o. a. Urteilen des FG Beschwerden eingelegt und zugleich beantragt, ihm wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Kläger macht geltend, das FG habe seine Klagen zu Unrecht wegen fehlender Prozeßfähigkeit abgewiesen. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs trägt er vor, er habe unverschuldet die Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt, weil die Rechtsmittelbelehrungen in den angefochtenen Entscheidungen des FG mißverständlich seien. In den Rechtsmittelbelehrungen sei er zwar darauf hingewiesen worden, daß er sich im Beschwerdeverfahren durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten vertreten lassen müsse; zugleich sei dort aber ausgeführt, daß die Beschwerde beim Finanzgericht einzulegen sei. Der Kläger habe deshalb darauf vertraut, daß er die Beschwerden persönlich beim FG einlegen könne.
Das FG hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerden sind unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingelegt wurden und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht stattgegeben werden kann.
1. Der Zulässigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht der Beschluß des Senats vom 19. Dezember 1995 nicht entgegen. Die Rechtskraft dieses Beschlusses betrifft nicht die Beschwerden vom 24. Januar 1996, deren Verspätung nach Ansicht des Klägers durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu heilen ist.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Im Streitfall ist nicht die gesetzliche Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt worden, sondern die fristgerechte Prozeßhandlung war wegen Nichtbeachtung des Vertretungszwangs unwirksam. Auch auf diese Fälle ist § 56 Abs. 1 FGO anzuwenden. Der Kläger war jedoch nicht ohne Verschulden gehindert, ordnungsgemäß -- durch eine nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertretungsberechtigte Person -- innerhalb der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO Beschwerden einzulegen. In den Absätzen 5 der den angefochtenen Urteilen beigefügten Rechtsmittelbelehrungen ist -- entsprechend dem Wortlaut des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG -- ausgeführt, daß der vor dem Bundesfinanzhof (BFH) bestehende Vertretungszwang auch für die Einlegung der Beschwerde gilt. Wenn der Kläger gleichwohl persönlich Beschwerde eingelegt hat, ist ihm dies als Verschulden zuzurechnen; das behauptete Mißverständnis der Rechtsmittelbelehrung begründet keine unverschuldete Verhinderung an der rechtzeitigen Einlegung der Beschwerde durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person (ebenso: BFH-Beschluß vom 28. September 1995 X B 114/95, BFH/NV 1996, 241).
Ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, daß die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Kläger persönlich eingelegten Beschwerden zu Protokoll genommen hat, ohne ihn darauf hinzuweisen, daß dies wirksam nur durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person geschehen könne. Da der Kläger in den Rechtsmittelbelehrungen der angefochtenen Urteile zutreffend über den schon bei Einlegung der Beschwerde bestehenden Vertretungszwang belehrt worden ist, war die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des FG nicht verpflichtet, den Kläger darauf hinzuweisen, daß die Einlegung der Beschwerde zu Protokoll allenfalls die im Regelfall erforderliche Schriftform des Rechtsmittels, nicht aber die Vertretung durch eine postulationsfähige Person ersetzen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 421652 |
BFH/NV 1997, 185 |