Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländische Steuerpflicht des Ehemanns (US-Staatsbürger) eines Mitglieds des zivilen Gefolges der Nato-Streitkräfte
Leitsatz (NV)
1. Übt ein im Inland wohnhafter Ehemann (US-Staatsangehöriger) eines Mitglieds des zivilen Gefolges eine nichtselbständige Tätigkeit für ein privates US-amerikanisches Unternehmen aus, so ist sein inländischer Wohnsitz für die Besteuerung maßgebend.
2. Art. X Abs. 1 Satz 1 NatoTrStat ist nur auf Personen anwendbar, die sich nur in der Eigenschaft als Mitglieder des zivilen Gefolges oder als deren Angehörige in der Bundesrepublik aufhalten. Das gilt auch, wenn sie im Besitz einer von den Nato-Streitkräften ausgestellten Bescheinigung sind, die sie als Mitglied des zivilien Gefolges ausweist (Anschluß an BFH Urteil vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30, HFR 1988, 503).
3. Die Einkünfte aus der im Inland ausgeübten nichtselbstständigen Arbeit sind nicht gemäß Art. XV Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA/USA 1954/1966 von der deutschen Besteuerung ausgenommen.
Normenkette
Nato-Truppen-Statut: Art. X Abs. 1 S. 1; DBA USA 1954/1966 Art. X Abs. 1; DBA USA 1954/1966 Art. X Abs. 1XV Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika. Er wohnt mit seiner Familie in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). In seinem am 31. Mai 1988 vom US-Generalkonsulat x ausgestellten Reisepaß ist ein Vermerk enthalten, der ihn als Angehörigen eines Mitglieds des zivilen Gefolges ausweist.
In den Jahren 1981 bis 1986 war der Antragsteller alleiniger Präsident der A Inc., mit Sitz in USA. Die Gesellschaft vermittelt Lebensversicherungs- und Anlageverträge fast ausschließlich an Angehörige der US-Streitkräfte. Sie ist in den Ländern Deutschland, Großbritannien, Benelux, Spanien, Italien und in den US-Bundesstaaten Florida, Texas, Kalifornien und Georgia tätig. Der Antragsteller bezog in seiner Eigenschaft als Präsident ein Gehalt der A-Inc., das in den Jahren 1982 bis 1986 zwischen US-$ . . . und US-$ . . . betrug.
Das Gehalt wurde dem Antragsteller in den USA in amerikanischer Währung ausbezahlt. In den USA hielt er sich nach seinen Steuererklärungen gegenüber den US-Steuerbehörden in den Jahren 1982 bis 1986 jährlich zwischen 10 und 20 Tagen auf. Seine Ehefrau arbeitet als Mitglied des zivilen Gefolges der US-Streitkräfte in Deutschland. Der Antragsteller übt nach seinen Steuererklärungen neben seiner Tätigkeit für die A-Inc. keine weitere Tätigkeit aus.
Der Antragsteller lehnte es für die Jahre 1981 bis 1986 ab, Einkommensteuererklärungen abzugeben. Darauf veranlagte ihn der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) für diese Jahre aufgrund geschätzter Einkünfte. Gegen die Bescheide ist eine Klage anhängig.
Daneben erhob der Antragsteller Feststellungsklage. Er beantragte festzustellen, daß er nicht verpflichtet sei, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Die Klage ist noch anhängig. Im Zusammenhang mit der Feststellungsklage beantragte er eine einstweilige Anordnung, mit der dem FA untersagt wird, ihn durch Zwangsmittel zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu veranlassen.
Der Antragsteller begründete den Antrag ebenso wie die Feststellungsklage damit, daß er US-amerikanischer Staatsangehöriger und Mitglied des zivilen Gefolges der US-Streitkräfte sei. Er unterliege nicht der deutschen Einkommensteuer. Er habe auch kein deutsches Einkommen. Soweit er für die Überwachung der Vertreter der Firma A-Inc. Vergütungen erhalten habe, seien diese Einkünfte nach Art. X des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 - NATOTrStat - (BGBl II 1961, 1190) von der deutschen Besteuerung befreit.
Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag ab.
Der Antragsteller begründete seine Beschwerde nicht.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist statthaft (§ 114 i.V.m. § 128 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie ist auch frist- und formgerecht eingelegt worden. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht Voraussetzung formgerechter Einlegung.
Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch nicht begründet. Das FG hat die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht verneint.
1. Einstweilige Anordnungen kann das Gericht der Hauptsache treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Auch andere Gründe können eine vorläufige Regelung nötig erscheinen lassen (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO).
2. Das FG hat eine mögliche Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller erstrebte Anordnung ausschließlich in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO gesehen. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Rechtsgrundlage der begehrten Anordnung könnten sowohl Satz 1 als auch Satz 2 des § 114 Abs. 1 FGO sein. Durch die beantragte Anordnung soll zum einen eine Veränderung des bestehenden Zustandes vor der Entscheidung über die Feststellungsklage verhindert werden (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Februar 1975 I B 96/74, BFHE 115, 17, BStBl II 1975, 449). Zum anderen soll jedoch auch eine den bisherigen Rechtszustand ändernde Anordnung ergehen. Werden dem FA die bei Nichtabgabe von Steuererklärungen an sich vorgesehenen Zwangsmaßnahmen vorübergehend untersagt, so ergeht eine den bestehenden Rechtszustand ändernde Regelung (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO; § 149 Abs. 1 i.V.m. § 328 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
3. Im Streitfall liegen weder die tatbestandlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO noch nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO vor.
Es fehlt für beide Tatbestände an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Eine einstweilige Anordnung kommt nicht in Betracht, wenn der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch nicht glaubhaft gemacht ist (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, und vom 21. Dezember 1983 I B 81/82, BFHE 139, 501, BStBl II 1984, 206, m.w.N.). Der Antrag, Zwangsmittel zur Abgabe von Steuererklärungen zu untersagen, könnte nur Erfolg haben, wenn der Antragsteller schlüssig dargelegt hätte, daß er zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen nicht verpflichtet ist. Daran fehlte es sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren.
4. Der Antragsteller hat vor dem FG ausgeführt, er sei zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung nicht verpflichtet, da er als US-Staatsangehöriger und Mitglied des zivilen Gefolges kein deutsches Einkommen erzielen könne. Diese Darlegung ist in sich nicht schlüssig.
Es kann dahingestellt bleiben, ob und welche tatbestandlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) im Streitfall erfüllt sind. Unabhängig vom Tatbestand des § 56 EStDV kann die Steuerbehörde gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 eine Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung durch Aufforderung begründen (vgl. BFH-Beschluß vom 18. November 1986 VII S 16/86, BFH/NV 1987, 669). Dabei ist allerdings nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfahren. Wenn der Antragsteller unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zur deutschen Einkommensteuer herangezogen werden könnte, würde die Aufforderung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung einen Ermessensfehler darstellen (BFH-Urteil vom 20. Juli 1965 I 416/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 519, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 167, Rechtsspruch 8). Das ist jedoch nicht der Fall.
a) Der Antragsteller ist nicht deshalb von der Abgabe einer Steuererklärung befreit, weil er als Angehöriger (Ehemann) eines Mitglieds des zivilen Gefolges keine in der Bundesrepublik einkommensteuerpflichtigen Einkünfte beziehen könnte. Er war in den Jahren 1981 bis 1986 unbeschränkt steuerpflichtig. Unbeschränkt steuerpflichtig sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Antragsteller unterhielt in diesen Jahren einen Wohnsitz in der Bundesrepublik.
Dieser Wohnsitz ist ungeachtet des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat für die Beurteilung der unbeschränkten Steuerpflicht des Antragstellers maßgebend. Zwar gelten nach dieser Vorschrift Zeiten, in denen sich ein Mitglied des zivilen Gefolges des Entsendestaates nur in dieser Eigenschaft in der Bundesrepublik aufhält, nicht als Zeiten des Wohnsitzes i.S. des § 1 Abs. 1 EStG. Der Antragsteller hielt sich jedoch nicht ,,nur" in der Eigenschaft als Angehöriger eines Mitglieds des zivilen Gefolges der US-Truppen in Deutschland auf, sondern um eine nichtselbständige Tätigkeit für ein privates US-amerikanisches Unternehmen auszuüben (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30, HFR 1988, 503, m.w.N.). Die Erteilung einer Bescheinigung durch die Streitkräfte steht dieser Beurteilung nicht entgegen (BFH in BFHE 153, 30, HFR 1988, 503; BFH-Urteil vom 24. Februar 1988 I R 70/84, nicht veröffentlicht - NV -).
Die unbeschränkte Steuerpflicht des Antragstellers umfaßte seine sämtlichen Einkünfte und damit auch die von der A-Inc. gezahlten Vergütungen für seine Tätigkeit als Präsident dieser Gesellschaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
b) Die Bezüge sind auch nicht durch Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat von der deutschen Besteuerung ausgenommen. Diese Steuerbefreiung in Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat beschränkt sich auf Bezüge, die vom Entsendestaat gezahlt werden. Die Voraussetzung trifft bei den von der A-Inc. gezahlten Vergütungen nicht zu.
c) Auch durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1965 - DBA-USA 1954/1966 - (BGBl II 1966, 745) sind die Einkünfte in der Bundesrepublik nicht steuerbefreit.
Nach Art. XV Abs. 1 Buchst.b Doppelbuchst.aa DBA-USA nimmt die Bundesrepublik Einkünfte aus Quellen in den Vereinigten Staaten von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer aus, wenn die Einkünfte nach dem Abkommen in den USA nicht steuerbefreit sind.
Die von der A-Inc. erhaltenen Vergütungen des Antragstellers sind nach dem DBA-USA in den Vereinigten Staaten steuerbefreit und deshalb nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Nach Art. X Abs. 1 DBA-USA 1954/1966 sind Vergütungen für Arbeit oder persönliche Dienste (einschließlich der Vergütungen für die Ausübung eines freien Berufs und der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied) in den Vereinigten Staaten steuerbefreit, wenn sie an eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Bundesrepublik für eine außerhalb der USA geleistete Tätigkeit gezahlt werden. Aus den kurzen Aufenthaltszeiten des Antragstellers in den USA von jeweils einmal jährlich 10 bis 20 Tagen ist zu entnehmen, daß der Antragsteller seine Tätigkeit weitaus überwiegend außerhalb der USA ausgeübt hat. Soweit Vergütungen auf Tätigkeiten während der kurzfristigen USA-Aufenthalte entfielen, sind sie gemäß Art. X Abs. 2 DBA-USA 1954/1966 (183-Tage-Regelung) in den USA steuerbefreit. Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik ist somit durch Art. X DBA-USA 1954/1966 nicht ausgeschlossen.
Aus Art. XV Abs. 1 Buchst.a DBA-USA 1954/1966 ergibt sich nichts anderes. Zwar ist nach dieser Vorschrift das Besteuerungsrecht der USA auch für Einkünfte eines US-Staatsangehörigen aufrechterhalten, die nach den Zuteilungsnormen des Abkommens in der Bundesrepublik besteuert werden können. Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik wird jedoch durch diese Besteuerungsmöglichkeit nicht eingeschränkt. Die USA rechnen die auf derartige Einkünfte erhobenen deutschen Steuern an (Art. XV Abs. 1 Buchst.a Satz 2 DBA-USA 1954/1966).
5. Da die vom Antragsteller von der A-Inc. bezogenen Einkünfte von der unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik erfaßt werden und da dieses Besteuerungsrecht auch auf der Grundlage des Vortrags des Antragstellers weder durch das NATOTrStat noch durch das DBA-USA 1954/1966 ausgschlossen wird, sind bei summarischer Prüfung keine Gründe erkennbar, die eine inländische Steuerpflicht und damit auch eine inländische Steuererklärungspflicht des Antragstellers ausschließen könnten. Damit besteht kein Anordnungsanspruch, der Grundlage der beantragten einstweiligen Anordnung sein könnte. Das FG hat die einstweilige Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 416896 |
BFH/NV 1990, 488 |