Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsanordnung - vorläufiger Rechtsschutz
Leitsatz (NV)
1. Die zeitliche Festlegung des Beginns einer Außenprüfung stellt einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege der Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) gewährt werden kann; dies schließt den Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) aus.
2. Zu den Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Prüfungstermins (§ 197 Abs. 2 AO).
3. Eine gesetzlich gebotene Ermittlungshandlung kann nicht wegen der Besorgnis ihrer rechtsmißbräuchlichen Verwendung durch eine einstweilige Anordnung verhindert werden.
Normenkette
FGO §§ 114, 69; AO 1977 § 197 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen zu 1 und 3 (Antragstellerinnen) sind Kommanditgesellschaften; sie gehören zu einer vom Antragsteller und Beschwerdeführer zu 2 (Antragsteller) beherrschten Unternehmensgruppe. Im Oktober 1985 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) bei den Antragstellerinnen sowie beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Jahre 1979 bis 1983 an. Die Anordnungen sind nach erfolgloser Beschwerde bestandskräftig.
In der Folge erhoben die Antragsteller Klage zum Finanzgericht (FG) mit dem Begehren auf Feststellung, daß Amtsträger des FA in der Vergangenheit unbefugt Verhältnisse eines anderen zur Unternehmensgruppe des Antragstellers gehörenden Unternehmens (X-GmbH & Co. KG) offenbart und damit das Steuergeheimnis verletzt hätten. Zur Begründung führten sie an, das FA habe gegen diese Gesellschaft überhöhte Gewerbesteuermeßbeträge festgesetzt; die Einforderung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde habe zum Konkurs der Gesellschaft im Jahre 1979 geführt. Der Antragsteller habe deswegen einen Amtshaftungsprozeß gegen den Landesfiskus anhängig gemacht. In diesem Verfahren habe das FA unbefugt Tatsachen aus den Steuerakten der Gesellschaft und des Antragstellers verwertet. Das Oberlandesgericht (OLG) habe die Klage im Jahre 1983 in der Berufungsinstanz abgewiesen, weil die Gesellschaft ohnehin überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei und weil der Antragsteller es unterlassen habe, gegen die Gewerbesteuermeßbescheide Aussetzung der Vollziehung zu beantragen und damit die Zahlungsverpflichtung zunächst von der Gesellschaft abzuwenden. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe die Revision nicht zur Entscheidung angenommen, weil er den letztgenannten Gesichtspunkt für durchschlagend gehalten habe. Dies beruhe jedoch auf einem wahrheitswidrigen Sachvortrag des Fiskus; tatsächlich sei nämlich in der Rechtsmittelbelehrung nicht auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung hingewiesen worden.
Die Antragsteller haben außerdem gegenüber dem FG beantragt, die Prüfungsanordnungen bis zur Entscheidung über die Feststellungsklage ,,außer Vollzug zu setzen". Sie müßten damit rechnen, daß die Finanzverwaltung das Steuergeheimnis auch weiterhin verletzen und ihnen dadurch Schaden zufügen werde. Der Bayerische Staatsminister der Finanzen habe es gebilligt, daß dem Steuergeheimnis unterliegende Verhältnisse zur Abwehr eines Amtshaftungsanspruchs wegen fehlerhafter Besteuerung in den Zivilprozeß eingeführt wurden. Wegen der Besorgnis weiterer Zuwiderhandlungen der Behörden könnten die Antragsteller möglicherweise ihre Rechte gegenüber dem FA nicht in angemessener Weise wahrnehmen. Hierin liege ein wesentlicher Nachteil i. S. von § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Hilfsweise haben sie Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Prüfungsanordnung beantragt.
Das FG hielt den Antrag auf einstweilige Anordnung für zulässig, weil die Antragsteller eine Verlegung oder Unterbrechung der Außenprüfung beantragen und hierauf auch Verpflichtungsklage erheben könnten; als Mittel vorläufigen Rechtsschutzes komme in diesem Falle der Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO in Betracht. Das FG hat offengelassen, ob im Hinblick auf die behaupteten Amtspflichtverletzungen ein Anspruch auf Verlegung der Außenprüfung glaubhaft gemacht sei. Jedenfalls fehle es aber an einem Grund für die erstrebte einstweilige Anordnung. Es sei unwahrscheinlich, daß es aufgrund der Außenprüfungen wieder zu einem Amtshaftungsprozeß wegen falscher Steuerfestsetzung komme, in dem Prüfungsfeststellungen verwertet werden könnten. Demgegenüber habe das öffentliche Interesse an der vollständigen und zeitnahen Aufklärung der für die Besteuerung der Antragsteller und ggf. ihrer Gesellschafter maßgebenden Verhältnisse größeres Gewicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Sie machen geltend, daß das rechtswidrige Verhalten der Finanzverwaltung, mit dessen Wiederholung zu rechnen sei, einen Anordnungsgrund abgebe. Angesichts der Verletzung des Legalitätsprinzips sei für die vom FG angestellte Güterabwägung kein Platz; sie müßte ohnehin zugunsten der Antragsteller ausfallen.
Das FG sei auch davon ausgegangen, daß die Feststellungen der Außenprüfung für den zurückliegenden Prozeß keine Bedeutung mehr haben könnten; es bestehe jedoch die Möglichkeit einer Wiederaufnahme dieses Prozesses.
Einen bestimmten Beschwerdeantrag haben die Antragsteller nicht gestellt.
Das FA ist dem Verlangen der Antragsteller entgegengetreten; diese haben hierauf erwidert.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hätte den Antrag der Antragsteller bereits als unzulässig zurückweisen müssen.
1. Gegenüber den Antragstellern sind Prüfungsanordnungen ergangen. In den Prüfungsanordnungen war vorgesehen, daß die Prüfung am 5. Dezember 1985 beginnen solle. Darin liegt ein weiterer, selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt; er besagt, daß der Steuerpflichtige die Prüfung jedenfalls ab dem Tag zu dulden hat, auf den der voraussichtliche Prüfungsbeginn festgelegt wurde (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408). Nachdem die Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen hat, sind die Prüfungsanordnungen auch insoweit bestandskräftig.
Die Antragsteller haben gleichwohl beantragt, die Prüfungsanordnungen bis zur Entscheidung über die von ihnen anhängig gemachte Feststellungsklage im Wege der einstweiligen Anordnung außer Vollzug zu setzen. Dies ist rechtlich nicht möglich, weil es sich auch bei der zeitlichen Festlegung des Prüfungsbeginns um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 FGO gewährt werden kann; diese gesetzliche Möglichkeit schließt den Erlaß einer einstweiligen Anordnung aus (§ 114 Abs. 3 FGO). Daß von ihr im Streitfall wegen der Bestandskraft der Anordnung kein Gebrauch gemacht werden kann, steht dem nicht entgegen. Wegen dieser Bestandskraft kann auch dem Hilfsantrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht stattgegeben werden.
2. Das FG hat die Möglichkeit erwogen, daß die Antragsteller die Verlegung der Außenprüfung auf einen anderen Zeitpunkt beantragen und insoweit vorläufigen Rechtsschutz mittels einer einstweiligen Anordnung erlangen könnten. Eine Verlegung des Prüfungstermins ist in § 197 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgesehen, sofern dafür wichtige Gründe glaubhaft gemacht werden. Über den Antrag entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen. Einen derartigen Antrag haben die Antragsteller indessen bisher nicht gestellt. Solange dies nicht geschehen ist, kann eine einstweilige Anordnung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht erlassen werden. Hinsichtlich der Prüfungsanordnungen besteht nämlich gegenwärtig kein Rechtsstreit; infolgedessen kann auch keine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen.
3. Nach der Rechtsprechung des BFH können unerlaubte Äußerungen der Finanzbehörde gegenüber Dritten seitens des Steuerpflichtigen durch Erlangung einer einstweiligen Anordnung verhindert werden, die zur Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO gewährt wird (vgl. Beschluß vom 16. Oktober 1986 V B 3/86, BFHE 147, 497, BStBl II 1987, 30, m. w. N.). Daß derartige Äußerungen bevorstehen, haben die Antragsteller nicht vorgetragen; sie haben demgemäß auch nicht beantragt, dem FA bestimmte Mitteilungen im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen. Sie begehren vielmehr die Untersagung einer Amtshandlung wegen der Besorgnis ihrer rechtsmißbräuchlichen Verwertung. Dies ist nicht möglich; die Behörde kann wegen einer solchen Befürchtung des Steuerpflichtigen nicht an einer gesetzlich gebotenen Ermittlungshandlung gehindert werden. Dem Interesse des Steuerpflichtigen ist durch die Möglichkeit gedient, einen Mißbrauch durch einstweilige Anordnung zu verhindern. Die Rechtmäßigkeit der angeordneten Prüfungshandlungen steht im Streitfall unanfechtbar fest.
Fundstellen
Haufe-Index 415342 |
BFH/NV 1989, 13 |