Entscheidungsstichwort (Thema)
Alternative Urteilsbegründung; unentgeltliche Erbbaurechtsübertragung als zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führende Verwendung
Leitsatz (NV)
1. Eine alternative Urteilsbegründung ist nicht nur dann zulässig, wenn ein und derselbe Lebenssachverhalt zwei konkurrierende Anspruchsgrundlagen anwendbar macht (BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719), sondern auch dann, wenn bei alternativer Sachverhaltsgestaltung verschiedene Besteuerungstatbestände mit gleichem steuerlichem Ergebnis eingreifen (hier: entgeltliche oder unentgeltliche Erbbaurechtsübertragung als Lieferung oder Eigenverbrauch).
2. Die unentgeltliche (nicht steuerbare) Übertragung eines Erbbaurechts mit Gebäude ist eine zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug aus der Gebäudeherstellung führende Verwendung gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980: wäre sie entgeltlich, so wäre sie nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei; ein Verzicht auf die nur unterstellte Steuerbefreiung ist nach § 9 UStG 1980 nicht möglich.
Normenkette
FGO §§ 69, 110; UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 9, 10 Abs. 4-5, §§ 15, 15a
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller, Kläger und Revisionskläger (Kläger) ließ in den Jahren 1979 und 1980 auf einem Grundstück, an dem zu seinen Gunsten ein Erbbaurecht bestellt war, eine Werkhalle (mit Büroräumen und Betriebswohnung) errichten. Nach Fertigstellung der Gebäude vermietete er das ,,Grundstück" 1980 an die E. KG unter Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und Option für die Regelbesteuerung (§ 19 Abs. 2 UStG 1980). In den Umsatzsteuererklärungen 1979 und 1980 machte er die ihm für die Gebäudeerrichtung in Rechnung gestellten Vorsteuern in Höhe von insgesamt 33 200,87 DM geltend.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Dezember 1980 übertrug der Kläger das Erbbaurecht auf seine Ehefrau. Die Übertragung - zum 1. Januar 1981 - erfolgte unter Übernahme aller im Grundbuch eingetragenen Belastungen (§ 2 des Vertrags). Die Ehefrau des Klägers trat in alle Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag ein. Sie übernahm den jährlichen Erbbauzins mit Wirkung vom 1. Januar 1981. In § 3 des Vertrags hieß es u. a., die Übertragung erfolge im übrigen unentgeltlich.
Mit privatschriftlichem Mietvertrag vom 31. Dezember 1980 vermietete die Ehefrau des Klägers das Erbbaugrundstück mit aufstehenden Gebäuden auf die Dauer von fünf Jahren gegen einen monatlichen Mietzins von 2 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer an die E. KG. Das Mietverhältnis begann am 1. Januar 1981.
Nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 1982 beim Kläger vertrat der Antragsgegner, Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Übertragung des Erbbaurechts sei unentgeltlich erfolgt; deshalb sei eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Herstellungskosten der Gebäude gemäß § 15a Abs. 4 UStG 1980 vorzunehmen. Das FA führte die Rückforderung zunächst für den Besteuerungszeitraum 1980 im Umsatzsteuerbescheid 1980 durch. Nach Einspruch und Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1980 entschied das Finanzgericht (FG) - durch rechtskräftiges Urteil vom 6. Juni 1984 -, die Übertragung des Erbbaurechts sei nicht 1980, sondern erst am 1. Januar 1981 erfolgt.
Daraufhin nahm das FA die Vorsteuerberichtigung in Höhe von 30 157,47 DM in dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuerbescheid 1981 vor.
Einspruch und Klage - mit dem Antrag, den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheid 1981 vom 3. Oktober 1984 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. November 1984 aufzuheben - hatten keinen Erfolg.
Das FG begründete sein Urteil im wesentlichen wie folgt: Für die Entscheidung sei unerheblich, ob die Auffassung des Klägers von der Entgeltlichkeit der Erbbaurechtsübertragung oder die des FA von der Unentgeltlichkeit zutreffend sei. Der Senat brauche deshalb diese Streitfrage nicht zu entscheiden.
Folge man dem Vortrag des Klägers, das Erbbaurecht sei entgeltlich und wegen Verzichts gemäß § 9 UStG 1980 auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchs. a UStG 1980 steuerpflichtig übertragen worden, unterliege der Umsatz der Umsatzsteuer; diese sei von dem in der Rechnung vom 20. August 1981 angegebenen Nettoentgelt in Höhe von 308 454 DM (= Gebäudeherstellungskosten; zugleich wohl Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 UStG 1980) mit 40 112 DM zu berechnen. Danach wäre zwar die Vorsteuerkorrektur nach § 15a Abs. 4 UStG 1980 zu Unrecht erfolgt, aber im Ergebnis wäre wegen der Umsatzsteuerpflicht des Vorgangs eine noch höhere Umsatzsteuer für das Streitjahr festzusetzen gewesen. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1981 wäre - unbeschadet der vom FA gegebenen Begründung - rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids richte sich ausschließlich danach, ob die Steuerfestsetzung (Festsetzung der Höhe der Steuer) Rechtens sei. Ob auch die vom FA dafür gegebene Begründung zutreffe, sei unerheblich.
Treffe dagegen die Auffassung des FA zu, die Erbbaurechtsübertragung sei unentgeltlich erfolgt, so sei die Vorsteuerberichtigung zu Recht erfolgt, weil dann entweder ein Entnahmeeigenverbrauch oder eine unentgeltliche Geschäftsveräußerung vorliege. Beides führe zu einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 4 UStG 1980.
Gegen das Urteil des FG legte der Kläger Revision ein, über die noch nicht entschieden ist.
Ferner beantragte der Kläger (mit Schreiben vom 7. Februar 1986) beim Bundesfinanzhof (BFH) die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1981 bis zur Entscheidung über die anhängige Revision (Az. V R 105/85).
Zur Begründung des Aussetzungsantrags trägt der Kläger im wesentlichen - unter Bezugnahme auf seine Revisionsbegründung - vor: Die alternative Begründung des FG-Urteils, wie sie auch vom FA für richtig gehalten werde, könne nicht auf das BFH-Urteil vom 23. April 1975 II R 71/71 (BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719) gestützt werden. In diesem Fall habe der BFH seine Entscheidung damit gerechtfertigt, daß der zugrundeliegende Sachverhalt für beide herangezogenen Anspruchsgrundlagen identisch sei und im Ergebnis feststehe. Offengeblieben sei nur der Zeitpunkt, an dem der Sachverhalt sich ereignet habe. Davon weiche der vorliegende Sachverhalt entscheidend ab. Der zu beurteilende Lebenssachverhalt sei nicht identisch. Die Übertragung sei entweder entgeltlich oder unentgeltlich. Auch die entstandene Steuer wäre in den alternativen Fällen nicht gleich. Bei unentgeltlicher Übertragung wäre entweder bei Anwendung der Grundsätze des Urteils des Hessischen FG vom 24. Mai 1984 VI 145/79 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 43) keine Steuer entstanden oder aber eine Steuer durch Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Höhe von 30 157,47 DM entstanden. Bei Annahme einer entgeltlichen Übertragung wäre Umsatzsteuer in Höhe von 40 112 DM entstanden.
Das FA verweise aber zutreffend auf das BFH-Urteil vom 1. August 1979 II R 133/73 (BFHE 128, 341, BStBl II 1979, 744). Dieses Urteil stütze allerdings die Rechtsauffassung des Klägers. Eine alternative Urteilsbegründung sei danach nur zulässig, wenn sämtliche Alternativen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht so dargestellt würden, daß sie von den Beteiligten und dem Revisionsgericht nachvollzogen werden könnten. Mit dem Merkmal der Nachvollziehbarkeit für die Beteiligten hebe der BFH auf die durch die materielle Rechtskraft des Urteils für die Beteiligten entstehende Bindungswirkung ab. Hier könne jedoch keiner der Beteiligten erkennen, über welchen Sachverhalt entschieden worden sei. Das FA könne bei einem möglicherweise in der Zukunft zu erlassenden Änderungsbescheid nicht beurteilen, welche Tatsachen dafür nicht mehr verwendet werden dürften, weil das Gericht bereits mit Bindungswirkung darüber entschieden habe. Daß auch bei abgewiesener Anfechtungsklage eine derartige Bindungswirkung entstehe, sei für den Fall nachgeschobener steuererhöhender Tatsachen allgemein anerkannt.
Auch der Kläger könne die Bindungswirkung nicht bestimmen. Diese Bestimmbarkeit sei jedoch für ihn von wesentlicher Bedeutung. Habe der Kläger einen Umsatz ausgeführt, sei er zur Ausstellung einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 1 UStG 1980 berechtigt und verpflichtet. Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer sei ggf. beim Leistungsempfänger als Vorsteuer abziehbar. Handele es sich jedoch um eine unentgeltliche Übertragung, sei der Ausweis von Umsatzsteuer unberechtigt. Gleichwohl wäre der Kläger zur Zahlung der Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 verpflichtet, weil eine Rechnung bereits ausgestellt sei. Der Zahlungsverpflichtung korrespondiere insoweit keine Abzugsberechtigung beim Leistungsempfänger. Unter Beachtung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 21. Februar 1980 V R 146/73 (BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283) käme jedoch Berichtigung der Rechnung mit der Konsequenz in Betracht, daß die Zahlungspflicht aus § 14 Abs. 3 UStG 1980 entfiele. Nach dem angefochtenen Urteil könne der Kläger nicht erkennen, ob er die Rechnung berichtigen dürfe oder nicht. Für ihn bestehe damit die Gefahr, zusätzlich zur Vorsteuerrückforderung nach § 15a UStG 1980 auch noch aus § 14 Abs. 3 UStG 1980 in Anspruch genommen zu werden.
Das FA beantragt, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unbegründet.
Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1981. Im Hinblick darauf, daß bereits die Revision anhängig ist, können ernstliche Zweifel am Bestand des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides nur dann bestehen, wenn auch unter Beachtung der nur beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des Bescheids zu rechnen wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 21. November 1973 I S 8/73, BFHE 110, 498, BStBl II 1974, 114).
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Kläger rügt mit der Revision offenbar im wesentlichen die Verletzung des § 110 FGO und der §§ 15 und 15a UStG 1980. Insoweit sind Erfolgsaussichten der Revision nicht ersichtlich.
Die Entscheidung des FG, die alternativ begründet ist, verstößt nicht gegen § 110 FGO. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift binden rechtskräftige Urteile u. a. die Beteiligten soweit, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren, und damit auch im Sinn der genannten Vorschriften, ist, wie der Große Senat des BFH zuletzt in seinem Beschluß vom 26. November 1979 GrS 1/78 (BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99 - 102, unter Abschn. II.1. -) ausgeführt hat, nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheids. Der BFH hat damit an dem Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 1/66 (BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) - unbeschadet der gegen diese Rechtsprechung erhobenen Kritik (vgl. dazu z. B. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 65 Anm. 3, und Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 110 FGO Tz. 7, jeweils mit Nachweisen) - festgehalten. Die Gerichte haben daher im Rahmen des klägerischen Begehrens nicht nur die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Steuer aus den vom FA genannten Gründen und die Unrechtmäßigkeit aus den vom Kläger angegebenen Gründen zu prüfen; vielmehr haben sie die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids im Rahmen dieses Begehrens ohne Rücksicht auf die - nach Auffassung der Verfahrensbeteiligten bestehenden oder fehlenden - Besteuerungsgrundlagen zu prüfen.
Das Gericht entscheidet nur durch den Tenor seiner Entscheidung über den Streitgegenstand; nur dieser erwächst in Rechtskraft und wirkt nach § 110 FGO bindend. Die Entscheidungsgründe werden in diesem Sinne nicht rechtskräftig und nicht bindend, geben aber Aufschluß darüber, wie weit rechtskräftig entschieden ist, also die Bindung reicht (vgl. Gräber, a.a.O., § 110 Anm. 7).
Mit den dargestellten Auslegungsgrundsätzen ist das vom Kläger mit Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und Revision verfolgte Begehren nicht vereinbar. Wie der BFH in seinen Urteilen in BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719, und in BFHE 128, 341, BStBl II 1979, 744 entschieden hat, ist auch eine alternative Urteilsbegründung möglich. Sie setzt allerdings voraus, daß sämtliche Alternativen im Urteil in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht vollständig dargestellt werden, so daß sie von den Beteiligten und dem Revisionsgericht nachvollzogen werden können.
Diese Voraussetzungen hält der Senat bei der im Aussetzungsverfahren erforderlichen und ausreichenden summarischen Prüfung für erfüllt. Der Kläger weist zwar zur Recht darauf hin, daß die im Urteil in BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719 anerkannte alternative Begründung den Fall zum Gegenstand hatte, daß ein und derselbe Lebenssachverhalt die Annahme von zwei konkurrierenden Anspruchsgrundlagen zuließ. Im vorliegenden Fall hingegen beruhen die vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Besteuerungstatbestände auch auf unterschiedlicher Gestaltung des Sachverhalts, je nachdem, ob die Erbbaurechtsübertragung als eine gegen Entgelt oder eine unentgeltliche zugrunde gelegt wird. Diese besondere Gestaltung zwingt jedoch das Gericht - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht dazu, seine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts auf nur eine der Sachverhaltsalternativen zu beschränken.
Das Gericht ist zum einen zutreffend davon ausgegangen, daß nach dem Vortrag des Klägers, die Erbbaurechtsübertragung sei entgeltlich erfolgt, dieser Vorgang als steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz bei der Umsatzsteuerfestsetzung 1981 zu berücksichtigen sei. Für den Fall der Entgeltlichkeit der Übertragung hat der Kläger nach den Feststellungen des FG (wie auch die Abrechnung mit Steuerausweis an seine Ehefrau zeigt) gemäß § 9 UStG 1980 auf die aus § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 folgende Steuerbefreiung des Umsatzes verzichtet. Hinsichtlich der Höhe der entstandenen Steuer kann offenbleiben, ob der in der Rechnung vom 20. August 1981 angegebene Nettobetrag von 308 454 DM als ein - gegenüber dem Erbbaurechtsübertragungsvertrag vom 22. Dezember 1980 nachträglich - vereinbartes Entgelt anzusehen ist, oder ob die Übertragung lediglich gegen Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Belastungen (als geringeres Entgelt) erfolgte. Denn auch im Fall der zuletzt genannten Möglichkeit würde das Urteil des FG bei summarischer Prüfung den Angriffen der Revision standhalten. Das FG hat insoweit ausgeführt, der in der Rechnung angegebene Nettobetrag von 308 454 DM, der den Gebäudeerstellungskosten entspreche, sei zugleich als Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 UStG 1980 anzusehen. Nach den genannten Vorschriften ist bei Lieferungen, die Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen (also auch Ehegatten) ausführen, der Teilwert oder der gemeine Wert als Bemessungsgrundlage anzusetzen (§ 10 Abs. 4 UStG 1980), wenn diese Bemessungsgrundlage das i. S. des § 10 Abs. 1 UStG 1980 maßgebliche vereinbarte Entgelt übersteigt. Gegen den Ansatz der Gebäudeherstellungskosten als Mindestbemessungsgrundlage für die Übertragung des unmittelbar vorher hergestellten Gebäudes bestehen keine Bedenken.
Bei Unterstellung des vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts einer entgeltlichen Erbbaurechtsübertragung ist das FG somit ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß der dann anfallende Steuerbetrag von 40 112 DM im Ergebnis jedenfalls zur Bestätigung des angefochtenen Steuerbescheids, der einen niedrigeren Steuerbetrag ausweist, führen muß. Das FG hat bei dieser Entscheidung die Anträge des Klägers und das Verbot der reformatio in peius beachtet.
Zum anderen bestehen keine ernstlichen Zweifel am Bestand der Entscheidung des FG im Revisionsverfahren, soweit darin der vom FA vorgetragene Sachverhalt einer unentgeltlichen Erbbaurechtsübertragung gewürdigt wurde. Die Beurteilung eines derartigen Vorgangs als Entnahmeeigenverbrauch i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980 entspricht der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 2. Oktober 1986 V R 91/78, BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44 - unentgeltliche Übertragung eines Betriebsgrundstücks durch einen Unternehmer auf seine Tochter -). Bei Eigenverbrauch liegen die Voraussetzungen für einen Verzicht auf eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 gemäß § 9 UStG 1980 nicht vor, so daß die - hier unterstellte - unentgeltliche Übertragung des Erbbaurechts durch den Kläger auf seine Ehefrau eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 15a Abs. 4 UStG 1980 darstellt, die zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a Abs. 6 UStG 1980 i. V. m. § 44 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV -) führt.
Aber auch, wenn man - mit dem FG - die Erbbaurechtsübertragung - bei angenommener Unentgeltlichkeit - als unentgeltliche Geschäftsveräußerung im ganzen i. S. des § 10 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 - gesondert geführter Betrieb - ansehen würde (vgl. z. B. die Verwaltungsauffassung in Abschn. 158 Abs. 1, Beispiel 4 i. V. m. Abschn. 8 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR -), bliebe die angefochtene Steuerfestsetzung im Ergebnis bestehen. Diese unentgeltliche (und damit nichtsteuerbare) Erbbaurechtsübertragung würde zu einer Änderung der Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (§ 15a UStG 1980), führen; sie wäre, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt worden wäre, steuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980. Damit läge gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 eine zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führende Verwendung der vom Kläger bezogenen Leistung (Gebäudeanschaffung) vor. Ein Verzicht auf die - fiktive - Steuerbefreiung nach § 9 UStG 1980 scheidet in Fällen dieser Art aus. Denn die Vorschrift stellt ausdrücklich auf bestimmte steuerfreie Umsätze - also Umsätze, die grundsätzlich steuerbar von Unternehmern an andere Unternehmer gegen Entgelt erfolgen - ab. Eine Sonderregelung für die in § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 genannten Leistungen ist in § 9 UStG 1980 nicht vorhanden.
Soweit der Kläger einwendet, im Fall alternativ begründeter Entscheidungen der vorliegenden Art könne bei späterem Erlaß von Änderungsbescheiden nicht beurteilt werden, inwieweit über den Streitgegenstand mit Bindungswirkung entschieden worden sei, vermag der Senat daraus ebenfalls keine ernstlichen Zweifel im Hinblick auf den Bestand der angefochtenen Entscheidung im Revisionsverfahren - und damit auch auf die Steuerfestsetzung - zu entnehmen. Die angeschnittene Frage betrifft § 110 Abs. 2 FGO. Nach dessen Wortlaut bleiben die Vorschriften der AO 1977 und anderer Steuergesetze über die Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten sowie über die Nachforderung von Steuern unberührt, soweit sich aus Abs. 1 Satz 1 nichts anderes ergibt. Der Wortlaut dieser Regelung ist dahin zu verstehen, daß die Änderungsmöglichkeiten bestehen bleiben, soweit die Bindung nach Abs. 1 nicht Platz greift, soweit also über den zu ändernden Verwaltungsakt nicht bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. Gräber, a.a.O., § 110 Anm. 9). Dabei gilt auch im vorliegenden Fall - unbeschadet seiner umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten -, daß spätere Änderungsbescheide den gesamten Sachverhalt, der im angefochtenen Urteil alternativ gewürdigt wurde, zu berücksichtigen haben. Spätere Änderungsbescheide können als z. B. nicht auf Tatsachen gestützt werden, die bereits Gegenstand des finanzgerichtlichen Urteils waren (§ 173 AO 1977).
Im übrigen kann einer unrechtmäßigen Doppelerfassung desselben Sachverhalts durch späteren Bescheid mit den Möglichkeiten des § 174 AO 1977 begegnet werden.
Schließlich zwingt auch nicht das vom Kläger geltend gemachte Interesse im Hinblick auf den Vorsteuerabzug seiner Ehefrau als Leistungsempfängerin, seiner Steuerfestsetzung 1981 einen bestimmten Sachverhalt - hier die entgeltliche Übertragung des Erbbaurechts - zugrundezulegen. Wie der Kläger selbst einräumt, kann der Entscheidung über die Steuerbarkeit und Steuerpflicht eines Umsatzes des Leistenden keine Bindungswirkung bezüglich der Beurteilung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger im Rahmen von dessen Steuerschuldverhältnis zukommen. Zum einen ist die Steuerfestsetzung beim Leistenden kein Grundlagenbescheid hinsichtlich der Steuerfestsetzung beim Leistungsempfänger. Zum anderen ist die materiell-rechtliche Regelung der Steuerschuld des Leistenden und des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers im UStG zwar von dem systematischen Ausgangspunkt her erfolgt, in der Unternehmerkette solle sich Steuer und Vorsteuer betragsmäßig gegeneinander aufheben (sog. Null-Situation). Im Gesetz sind die entsprechenden Regelungen aber auch nicht materiell im Sinne einer gegenseitigen Abhängigkeit miteinander verknüpft worden. Steuerschuld des Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers sind jeweils getrennt in deren Steuerschuldverhältnissen nach eigenen Grundsätzen zu prüfen (vgl. z. B. auch BFH-Urteil vom 7. Juli 1983 V R 197/81, BFHE 139, 310, BStBl II 1984, 70).
Fundstellen