Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung von Zinseinkünften aus Betriebsstätte in den USA; Auslegung eines Steuerbescheids; Feststellung bei doppelstöckiger Personengesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Es ist nicht klärungsbedürftig, dass von einem Steuerinländer vereinnahmte Zinsen nicht nach dem DBA USA 1954/65 von der deutschen Einkommensteuer befreit sind, wenn der Schuldner des verzinsten Darlehens das Darlehenskapital in einer US-amerikanischen Betriebsstätte einsetzt und bei dem Gläubiger die Zinsen Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind.
2. Die Revision kann nicht allein deshalb zugelassen werden, weil die vom FG vorgenommene Auslegung des angefochtenen Verwaltungsakts möglicherweise unrichtig ist.
3. Bei einer doppelstöckigen Personengesellschaft ist ein zweistufiges Feststellungsverfahren durchzuführen, bei dem im Bescheid für die Untergesellschaft der auf die Obergesellschaft entfallende Teil an den Einkünften der Untergesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt wird.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; DBA USA 1954 Art. 3 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 Buchst. b; AO 1977 § 180 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 26.05.2004; Aktenzeichen VII 241/1999) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Einkünfte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1964 (DBA-USA 1954/1965) von der deutschen Besteuerung freigestellt sind. Ferner ist streitig, ob die angefochtenen Steuerbescheide aus formellen Gründen fehlerhaft sind.
Die Kläger waren in den Streitjahren (1986 und 1987) Beteiligte einer atypisch stillen Gesellschaft mit der Bezeichnung X. Dabei waren die Kläger zu 1. bis 10. an dem von der Klägerin zu 11. geführten Handelsunternehmen beteiligt. Die Kläger zu 1. bis 9. und die Klägerin zu 11. waren in den Streitjahren unbeschränkt steuerpflichtig; bei der Klägerin zu 10. handelte es sich um eine KG, an der ebenfalls nur unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt waren.
Die Klägerin zu 11. war in den Streitjahren ausschließlich im Rahmen von zwei gewerblichen Betriebsstätten (Zweigniederlassungen) in den USA tätig. An diese Betriebsstätten leitete sie u.a. Gelder weiter, die ihr die Kläger zu 1. bis 9. als Darlehen zur Verfügung gestellt hatten. Die Darlehen wurden von der Klägerin zu 11. vereinbarungsgemäß verzinst. Im Rahmen der Besteuerung in den USA wurden die Zinsen als Betriebsausgaben erfasst, so dass sie den dort besteuerten Gewinn der Betriebsstätten minderten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sah die Zinsen auf die Gesellschafterdarlehen als Sonderbetriebseinnahmen der Kläger zu 1. bis 10. an, die nicht nach dem DBA-USA 1954/1965 von der deutschen Besteuerung freigestellt seien. Er erließ deshalb im Anschluss an eine Betriebsprüfung entsprechende Feststellungsbescheide. Darin sind Einkünfte der X in Höhe von … DM (1986) und … DM (1987) festgestellt, hiervon … DM (1986) und … DM (1987) als steuerpflichtige Einkünfte sowie … DM (1986) und … DM (1987) als nach dem DBA-USA 1954/1965 steuerfreie Einkünfte bezeichnet und sodann sowohl die steuerpflichtigen als auch die steuerfreien Beträge auf die einzelnen Kläger aufgeteilt. Die gegen diese Bescheide erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Nach § 115 Abs. 1 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, die im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist (BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 2004 VIII B 168/03, BFH/NV 2004, 1524; vom 16. Juni 2004 X B 172/03, BFH/NV 2004, 1528; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23, m.w.N.). Eine Rechtsfortbildung ist i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO "erforderlich", wenn über bisher noch ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist (BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896; vom 13. August 2003 I B 4/03, BFH/NV 2004, 63) oder wenn gegen eine bestehende Rechtsprechung gewichtige und bisher noch nicht erwogene Argumente vorgetragen werden (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 41). Letzteres kann z.B. dann der Fall sein, wenn eine bestimmte Frage zwar in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung geklärt wurde, sich im weiteren Verlauf aber die rechtlichen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben und nunmehr die Handhabung des Rechts an die gewandelten Verhältnisse angepasst werden muss. Dagegen darf auch nach der Neufassung des Revisionsrechts durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) eine Zulassung der Revision grundsätzlich nicht allein deshalb erfolgen, weil die einzelfallbezogene Entscheidung durch das FG überprüft werden soll (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2003 I B 27/02, BFH/NV 2003, 1057, m.w.N.).
2. Im Streitfall geht es in materiell-rechtlicher Hinsicht um die Frage, ob von einem Steuerinländer vereinnahmte Zinsen nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa i.V.m. Art. III Abs. 1 DBA-USA 1954/1965 von der deutschen Ertragsbesteuerung freigestellt sind, wenn der Schuldner des verzinsten Darlehens das Darlehenskapital in einer US-amerikanischen Betriebsstätte einsetzt und bei dem Gläubiger der Zinsertrag nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung (heute: § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört. Diese Frage hat das FG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 27. Februar 1991 I R 15/89, BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444; vom 31. Mai 1995 I R 74/93, BFHE 178, 74, BStBl II 1995, 683; vom 17. Dezember 1997 I R 34/97, BFHE 165, 216, BStBl II 1998, 296; vom 16. Oktober 2002 I R 17/01, BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631; ebenso zu Tätigkeitsvergütungen Senatsurteil vom 21. Juli 1999 I R 71/98, BFHE 190, 111, BStBl II 2000, 336) verneint. Der Streitfall bietet keine Veranlassung, die durch die genannte Rechtsprechung geklärte Problematik erneut zum Gegenstand eines Revisionsverfahrens zu machen.
Das gilt umso mehr, als der Senat in jener Rechtsprechung maßgeblich darauf abgehoben hat, dass Art. III Abs. 5 DBA-USA 1954/1965 Zinseinkünfte ausdrücklich aus dem Begriff des "gewerblichen Gewinns" i.S. des Art. III DBA-USA 1954/1965 herausnimmt (Senatsurteil in BFHE 164, 38, BStBl II 1994, 444, 446). Da das DBA-USA 1954/1965 inzwischen durch das Abkommen vom 29. August 1989 (BGBl II 1991, 354, BStBl I 1991, 94) ersetzt worden ist und jenes Abkommen eine dem Art. III Abs. 5 DBA-USA 1954/1965 entsprechende Bestimmung nicht enthält, geht es im Streitfall um ausgelaufenes Recht. Aus heutiger Sicht kann sich allenfalls die Frage stellen, ob die zum DBA-USA 1954/1965 entwickelten Grundsätze uneingeschränkt auf das neue DBA-USA und auf andere Abkommen übertragen werden können (bejahend Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1076, Tz. 1.2.3; Piltz in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 109; verneinend Wolff in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 7 USA Rz. 98). Darauf kommt es aber im Streitfall, in dem es nur um das alte Abkommen geht, nicht an. Daher ergibt sich hier, was die abkommensrechtliche Problematik angeht, weder eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage noch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung.
3. In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügen die Kläger zunächst, dass im Verfügungsteil der angefochtenen Bescheide unterschiedslos "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" festgestellt worden seien und nur in Anlagen zu den Bescheiden zwischen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d der Abgabenordnung (AO 1977) festgestellten steuerpflichtigen und nach § 180 Abs. 5 AO 1977 festgestellten steuerfreien Einkünften unterschieden sei. Auch insoweit weist der Rechtsstreit jedoch nicht die von ihnen geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf.
Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 sind einkommensteuerpflichtige und körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte gesondert festzustellen, wenn an ihnen mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Dasselbe gilt nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO 1977 entsprechend, wenn die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind. Aus der letztgenannten Bestimmung hat der Senat abgeleitet, dass abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte nicht gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 festgestellt werden dürfen (Senatsurteile vom 17. November 1999 I R 7/99, BFHE 191, 18, BStBl II 2000, 605; vom 10. Juli 2002 I R 71/01, BFHE 200, 184, BStBl II 2003, 191, 194; vom 18. Dezember 2002 I R 92/01, BFHE 201, 447; ebenso Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 180 AO 1977 Rz. 161). Davon ist im Streitfall auch das FG ausgegangen.
Zugleich hat es jedoch berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des BFH mehrere rechtlich selbständige Feststellungen i.S. des § 180 AO 1977 in ein und derselben Urkunde miteinander verbunden werden können (BFH-Beschluss vom 19. Mai 1987 VIII B 104/85, BFHE 150, 514, BStBl II 1988, 5, 7; ebenso Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 180 AO 1977 Tz. 102, m.w.N.). Eine solche Gestaltung hat es im Streitfall als vorliegend angenommen. Es ist dabei --wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH-- davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des Regelungsgehalts eines Steuerbescheids nicht nur dessen Verfügungsteil, sondern auch ggf. vorhandene Anlagen zum Bescheid zu berücksichtigen sind (BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219; vom 15. März 1994 IX R 6/91, BFHE 174, 4, BStBl II 1994, 599); auf dieser Basis hat es die vom FA getroffene Regelung dahin gewürdigt, dass es sich um rechtlich selbständige Feststellungen von steuerpflichtigen Einkünften einerseits und steuerbefreiten Einkünften andererseits handele, die nur äußerlich zusammengefasst worden seien. Diese auf den konkreten Einzelfall bezogene Beurteilung wirft unabhängig davon, ob sie in der Sache zutreffend oder zumindest vertretbar ist, keine im Allgemeininteresse klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Sie bietet deshalb ebenfalls keine Grundlage für eine Zulassung der Revision.
4. Dasselbe gilt schließlich, soweit das FA die der Klägerin zu 10. zuzurechnenden Einkünfte in die Feststellung einbezogen hat. Die Kläger beanstanden dies deshalb, weil es sich bei der Klägerin zu 10. um eine Personengesellschaft handelt, die als solche nicht Subjekt der Einkommen- oder Körperschaftsteuer ist. Jedoch entspricht es ständiger Rechtsprechung des BFH, dass bei doppelstöckigen Personengesellschaften ein zweistufiges Feststellungsverfahren durchzuführen ist, bei dem im Bescheid für die Untergesellschaft der auf die Obergesellschaft entfallende Anteil an den Einkünften der Untergesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt wird (BFH-Urteile vom 10. August 1989 III R 5/87, BFHE 158, 109, BStBl II 1990, 39; vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467; vom 11. Dezember 2003 IV R 42/02, BFHE 204, 223, BStBl II 2004, 353). Die Kläger zeigen keine Gesichtspunkte auf, die diese Handhabung in Frage stellen könnten. Ebenso ist nicht klärungsbedürftig, dass die genannte Rechtsprechung auch dann eingreift, wenn es um eine Feststellung gemäß § 180 Abs. 5 AO 1977 geht; für eine in diesem Punkt abweichende Behandlung der Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 einerseits und derjenigen nach § 180 Abs. 5 AO 1977 andererseits besteht kein sachlicher Grund. Im Streitfall ist das FA der genannten Rechtsprechung entsprechend verfahren, so dass auch insoweit für eine Zulassung der Revision kein Raum ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1379199 |
BFH/NV 2005, 1560 |