Leitsatz (amtlich)
Wenn nach einem Rechtsstreit, in dem der BFH wiederholt als Revisionsgericht angerufen worden war, beim Ansatz der Kosten ein Revisionsverfahren übersehen wurde, ist die spätere Anforderung der Kosten dieses Revisionsverfahrens keine unter § 6 GKG a. F. (= § 7 GKG n. F.) fallende Nach forderung wegen irrigen Ansatzes.
Normenkette
GKG § 6 Fassung: 1957-07-26, § 7 Fassung:1975-12-15
Tatbestand
Die Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin) führte einen Rechtsstreit gegen das FA, in dessen Verlauf beim BFH die Rechtsbeschwerde III 258/60 sowie die Revisionen III R 119/66 und III R 67/73 anhängig wurden. Der BFH entschied über diese Rechtsmittel durch Urteil vom 19. April 1963, Vorbescheid vom 17. Oktober 1969 und Urteil vom 21. Januar 1974. Durch Verfügung vom 9. Juli 1974 setzte die Geschäftsstelle des FG die nach dem Vorbescheid vom 17. Oktober 1969 III R 119/66 und dem Urteil vom 21. Januar 1974 III R 67/73 der Kostenschuldnerin als Revisionsklägerin zur Last fallenden Gerichtskosten auf 9 502 DM fest. Dabei bezeichnete sie die zugrunde liegenden Rechtsmittel als "I. u. II. Revision". Der Kostenprüfungsbeamte kam im Dezember 1975 zu dem Ergebnis, daß es sich in Wirklichkeit um die zweite und dritte Revision handele und daß außerdem für den aufgrund der zweiten Revision ergangenen Vorbescheid zu Unrecht eine Urteilsgebühr angesetzt worden sei. Der nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 des GKG i. d. F. vom 15. Dezember 1975 (BGBl I 1975, 3047) - n. F. - nunmehr zuständige Kostenbeamte des BFH erteilte der Kostenschuldnerin am 7. Januar 1976 eine berichtigte Kostenrechnung, in der er die Kosten auch für das mit dem Urteil vom 19. April 1963 III 258/60 abgeschlossene erste Rechtsmittelverfahren ansetzte, eine Urteilsgebühr für den Vorbescheid vom 17. Oktober 1969 III R 119/66 außer Betracht ließ und der Kostenbemessung den vom FG im Urteil vom 25. März 1960 festgesetzten Streitwert zugrunde legte. Die Gesamtkosten setzte er mit 11 760,50 DM an.
Hiergegen hat die Kostenschuldnerin am 19. Januar 1976 mit folgender Begründung Erinnerung eingelegt:
Nach § 6 GKG (= § 7 GKG n. F.) dürften Kosten wegen irrigen Ansatzes nur nachgefordert werden, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres, nachdem die Entscheidung Rechtskraft erlangt habe oder das Verfahren sich anderweitig erledigt habe, mitgeteilt worden sei. Die maßgebliche Entscheidung des BFH sei am 21. Januar 1974 ergangen. Demnach hätte ihr ein berichtigter Kostenansatz bis spätestens zum 31. Dezember 1975 mitgeteilt werden müssen. Die berichtigte Kostenrechnung sei jedoch bei ihr erst am 9. Januar 1976 eingegangen und somit die Kostennachforderung nicht mehr zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung ist gemäß § 5 GKG n. F. zulässig; sie ist aber nicht begründet.
Die durch § 162 Nr. 40 und § 184 Abs. 1 FGO mit Wirkung vom 1. Januar 1966 aufgehobenen Vorschriften der §§ 285 bis 298 AO a. F. über die Rechtsbeschwerde entsprechen den Vorschriften der §§ 115 bis 127 FGO über die Revision. Die Rechtsbeschwerde III 258/60, über die der BFH durch das Urteil vom 19. April 1963 entschieden hat, ist daher ihrem Wesen nach als eine Revision im Sinne des Kostenrechts aufzufassen. Für das Verfahren des BFH über die Rechtsbeschwerde waren Gebühren und Auslagen gemäß § 140 Abs. 1 FGO a. F. durch sinngemäße Anwendung der §§ 1, 10 Abs. 2, 25, 34, 95, 106 und 109 GKG a. F. zu erheben (vgl. Beschluß vom 5. Oktober 1971 VII B 152/69, BFHE 103, 395, BStBl II 1972, 96). Maßgeblich war hierfür, daß die Kostenschuldnerin durch die Einlegung der Rechtsbeschwerde das Verfahren vor dem BFH beantragt hatte (§ 95 Abs. 1 GKG a. F.).
Obgleich durch Art. 4 § 2 und Art. 5 § 6 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften vom 20. August 1975 (BGBl I 1975, 2189, BStBl I 1975, 950) - KostÄndG - mit Wirkung vom 15. September 1975 § 140 FGO aufgehoben worden ist und seither das Gerichtskostengesetz in seiner neuen Fassung auch für die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit unmittelbar gilt (§ 1 Abs. 1 c GKG n. F.), war die Frage, ob durch die angefochtene Kostenrechnung vom 7. Januar 1976 die Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren III 258/60 noch angefordert werden durften, gemäß Art. 5 § 2 Abs. 1 und 5 KostÄndG nach dem aufgehobenen § 140 Abs. 1 FGO i. V. m. dem Gerichtskostengesetz a. F. zu entscheiden. Diese Frage war zu bejahen.
Nach § 1 GKG a. F. werden die aus Gebühren und Auslagen bestehenden Kosten "für das Verfahren vor den ... Gerichten" erhoben. Durch die Einlegung der Rechtsbeschwerde III 258/60 und der Revisionen III R 119/66 und III R 67/73 ist vor dem BFH jeweils ein gesondertes Verfahren in Gang gesetzt worden. Die Zurückverweisung einer Sache an die untere Instanz hat zwar nach § 33 Abs. 2 GKG a. F. zur Folge, daß das weitere Verfahren der unteren Instanz mit deren früherem Verfahren im Sinne des § 31 Abs. 1 GKG a. F. eine Instanz, also eine Einheit bildet. Das Gesetz sieht jedoch nicht vor, daß nach erneuter Anrufung des Revisionsgerichts dessen nunmehriges Verfahren mit seinem früheren Verfahren zu einer Einheit zusammengefaßt wird (vgl. BFH-Beschluß vom 1. September 1970 VII B 112/68, BFHE 100, 76, BStBl II 1970, 852; Lauterbach-Hartmann, Kostengesetze, 17. Aufl., § 31 GKG Anm. 2 C d, § 33 GKG Anm. 3 A). Wenn daher nach einem Rechtsstreit, in dem der BFH wiederholt als Revisionsgericht angerufen worden war, beim Ansatz der Kosten ein Revisionsverfahren übersehen wurde, ist die spätere Anforderung der Kosten dieses Revisionsverfahrens keine unter § 6 GKG a. F. (= § 7 GKG n. F.) fallende Nach forderung wegen irrigen Ansatzes.
Im vorliegenden Falle hatte die Geschäftsstelle des FG durch die Verfügung vom 9. Juli 1974 Kosten nur für die durch die Urteile vom 17. Oktober 1969 und vom 21. Januar 1974 entschiedenen Revisionsverfahren III R 119/66 und III R 67/73 angefordert. Da das erste Rechtsmittelverfahren vor dem BFH gemäß dem damaligen Recht formell nicht eine "Revision", sondern eine "Rechtsbeschwerde" zum Gegenstand hatte, war die in der Verfügung angewandte Bezeichnung der durch sie betroffenen Rechtsmittel als "I. und II. Revision" richtig. Sie bot also keinen Anlaß, in der Verfügung einen irrigen Kostenansatz für das erste Rechtsmittelverfahren zu sehen, der nur im Rahmen des § 6 GKG a. F. hätte berichtigt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 72023 |
BStBl II 1977, 41 |
BFHE 1977, 158 |