Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung
Leitsatz (NV)
Ein gewissenhafter und sorgfältiger Geschäftsführer darf auch bei Einschaltung Dritter nicht blind auf die ordnungsgemäße Erledigung der Buchführungspflichten durch diese vertrauen. Vielmehr bleibt er verpflichtet, sich über die Richtigkeit der buch- und belegmäßigen Erfassung zumindest bei herausgehobenen Geschäftsvorfällen selbst zu informieren.
Normenkette
AO § 69; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zu Recht als Geschäftsführer einer GmbH für Steuerschulden einer GmbH und Co. KG in Höhe von … € in Haftung genommen hat. Über das Vermögen der KG und der GmbH sind im Jahre 2001 Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe seine Pflichten als Geschäftsführer grob fahrlässig verletzt. Zwar sei er nicht verpflichtet gewesen, jeden einzelnen Geschäftsvorfall zu überprüfen, solange keine konkreten Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Aufgabenerfüllung bestünden. Dies sei jedoch der Fall gewesen, weil die Buchführung gravierende Mängel aufgewiesen habe und insbesondere die Auslandsgeschäfte wegen fehlenden Konten- und Belegnachweises nicht nachvollziehbar dargestellt seien. So sei z.B. im Jahre 1996 eine Lieferung über … DM sowie zwei weitere Lieferungen als steuerfreie Auslandsumsätze behandelt worden, obwohl diese Vorgänge anhand der Konten nicht nachprüfbar gewesen seien und keine ordnungsgemäßen Ausfuhrnachweise vorgelegen hätten. Entsprechend hätte der Kläger Ausfuhrlieferungen nach Marokko aus dem Jahre 1997 schon wegen des erheblichen Umfangs zumindest stichprobenweise kontrollieren müssen. Für 1999 fehlten Ausfuhrnachweise für Umsätze in Höhe von … DM vollständig. Auch in der mündlichen Verhandlung sei es dem Kläger nicht gelungen, die fehlenden Ausfuhrnachweise für 1998 nachzuholen. Der Kläger könne sich nicht durch die Testate der beauftragten Wirtschaftsprüfer entlasten, die auch die Prüfung der Ausfuhrnachweise zum Gegenstand gehabt hätten, denn diese hätte nur die Jahresabschlüsse 1998 und 1999 betroffen, für die der Kläger keine Jahreserklärungen mehr abgegeben habe. Bereits in den Voranmeldungen seien die gravierenden Fehler enthalten gewesen. Wegen des Organisations- und Überwachungsverschuldens sei die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner somit rechtmäßig gewesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts wegen Abweichung des FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht vorliegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (vgl. BFH-Beschluss vom 28. August 2008 V B 72/07, BFH/NV 2008, 1898, m.w.N.).
2. Der Kläger hat keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, wenn er geklärt haben möchte, ob von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung auch dann ausgegangen werden kann, wenn ein Geschäftsführer die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Jahresabschlüsse durch einen Wirtschaftsprüfer freiwillig überprüfen lässt und diese Prüfung zu einem uneingeschränkten Testat geführt hat.
Denn es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass die Frage, welche Anforderungen an eine haftungsbegründende grobe Fahrlässigkeit eines Geschäftsführers i.S. des § 69 der Abgabenordnung zu stellen sind, nicht allgemein beantwortet werden kann, sondern sich nach den Besonderheiten des einzelnen Falls richtet (BFH-Beschluss vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des BFH ist zwar generell davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten --und als Angehöriger eines rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufs befugten-- steuerlichen Beraters in Anspruch nimmt, sich auf diesen verlässt und bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass findet, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu stellen, nicht grob fahrlässig handelt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. August 2008 VII B 240/07, BFH/NV 2008, 1983; vom 4. Mai 2004 VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363). Allerdings darf der Geschäftsführer nicht blind auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung eines für die GmbH tätigen Dritten vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten. Vielmehr muss er sich fortlaufend über den Geschäftsgang unterrichten, so dass ihm Unregelmäßigkeiten nicht über einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können (BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 2005 VII B 66/05, BFH/NV 2006, 480; in BFH/NV 1998, 1325). Allein der Umstand, dass eine Gesellschaft von einer Steuerberatungsgesellschaft mangelhaft beraten worden ist, entlastet den Geschäftsführer nicht vom Vorwurf grobfahrlässiger Nichtabführung von Umsatzsteuer, wenn er sich nicht in einem diesen Vorwurf ausschließenden Maße selbst aktiv darum bemüht hat, sich über seine umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten zu informieren (BFH-Beschluss vom 20. April 2006 VII B 163/05, BFH/NV 2006, 1439). Welche Überwachungsmaßnahmen von einem Geschäftsführer zu treffen sind, wenn er die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten auf Mitarbeiter überträgt, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab (BFH-Urteil vom 30. August 1994 VII R 101/92, BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278; BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1983). Gleiches gilt, wenn ein Geschäftsführer mehrere Steuerberater beauftragt hat (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2001 VII B 117/00, juris) oder --wie im Streitfall-- wenn ein Geschäftsführer in steuerlichen Angelegenheiten ein --offenbar mangelhaftes-- Testat eingeholt hat. Aus welchen Gründen sich ein weiterer Klärungsbedarf ergeben soll, ist der Beschwerdeschrift nicht zu entnehmen.
3. Die Beschwerde ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts wegen Divergenz zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), denn das FG ist von den dargelegten Rechtsgrundsätzen nicht abgewichen.
Es hat ein grob fahrlässiges Verschulden des Klägers u.a. darin gesehen, dass er sich nicht zumindest stichprobenweise über die Verbuchung von Geschäftsvorfällen mit herausgehobenen steuerlichen Auswirkungen bei Ausfuhrlieferungen selbst gekümmert hat, die in der Buchführung überhaupt nicht oder nur mangelhaft nachvollzogen werden konnten. Es ist entsprechend der BFH-Rechtsprechung davon ausgegangen, dass ein gewissenhafter und sorgfältiger Geschäftsführer sich über die Richtigkeit der buch- und belegmäßigen Erfassung im Streitfall bei herausgehobenen Geschäftsvorfällen vergewissern muss (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2008, 1983; vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495).
Im Übrigen würden etwaige Fehler bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2008 VII B 184/07, BFH/NV 2008, 1805; vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2102439 |
BFH/NV 2009, 362 |