Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel: Abgelehnte Terminsänderung
Leitsatz (NV)
- Der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs kann durch eine unzutreffende Behandlung eines Antrags auf Änderung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt sein.
- Die Erkrankung eines vertretenen Klägers ist nur dann ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung, wenn substantiiert Gründe vorgetragen werden, die eine persönliche Anwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung erfordern.
- Wird der Antrag auf Terminsänderung erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, muss ein mit dem Antrag vorgelegtes privatärztliches Attest die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und für das Gericht nachvollziehbar ergeben.
- Ein erst kurz vor dem Termin vollzogener Anwaltswechsel kann nur dann einen erheblichen Grund für eine Terminsänderung darstellen, wenn er nicht durch den Beteiligten selbst verschuldet ist oder jedenfalls aus schutzwürdigen Gründen erfolgte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; ZPO § 227
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 15.01.2003; Aktenzeichen VII 23/2001) |
Tatbestand
I. Die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes) wurde vom Finanzgericht (FG) aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Januar 2003 als unbegründet abgewiesen.
Zuvor hatte der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 9. Januar 2003 einen Antrag auf Terminsverlegung mit der Begründung gestellt, dass er einen "anderweitigen auswärtigen Termin" an jenem Tag der mündlichen Verhandlung habe. Dieser Antrag war am 10. Januar 2003 von dem Vorsitzenden des zuständigen FG-Senats abgelehnt worden, weil es an einem Nachweis fehle, dass ein nicht aufschiebbarer anderweitiger Termin bereits vor dem Zugang der Ladung zur mündlichen Verhandlung festgelegt gewesen sei.
Mit am 13. Januar 2003 eingegangenem Schriftsatz hatten die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass sie dessen Vertretung übernommen hätten, nachdem der Kläger das Mandat seines früheren Prozessbevollmächtigten gekündigt habe, und hatten erneut eine Terminsverlegung beantragt, da sie noch nicht über ausreichende Informationen verfügten. Diesen Terminsverlegungsantrag hatte der Senatsvorsitzende ―nach Telefonaten mit dem Kläger und seinem früheren sowie seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten― wegen des Verdachts der Prozessverschleppungsabsicht abgelehnt.
Mit Telefax vom 14. Januar 2003 hatte ein Mitarbeiter des Klägers in dessen Namen eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt und hatte unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vom selben Tag geltend gemacht, dass der Kläger wegen gesundheitlicher Probleme verhindert sei, an der Verhandlung teilzunehmen. Auch die jetzigen Prozessbevollmächtigten hatten mit Schriftsatz vom 15. Januar 2003 unter Berufung auf eine mit dem Kläger für den 14. Januar 2003 vorgesehene, jedoch wegen der plötzlichen Erkrankung des Klägers ausgefallene Besprechung erneut die Terminsverlegung mit der Begründung beantragt, dass sie nicht ausreichend informiert seien, um den Kläger zu vertreten. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2003, zu der für den Kläger einer seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten erschienen war, ohne jedoch zur Sache zu verhandeln oder einen Antrag zu stellen, lehnte das FG diese Anträge auf Terminsänderung ab.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, welche er allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) stützt, rügt der Kläger, dass ihm das rechtliche Gehör versagt worden sei, weil das FG die Anträge auf Terminsverlegung vom 14. und 15. Januar 2003 zu Unrecht abgelehnt habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift der vom Kläger als Grund für die Zulassung der Revision geltend gemachte Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.
Zwar kann die einen Verfahrensmangel darstellende Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs auch in einer unzutreffenden Behandlung eines Antrags auf Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung gesehen werden (ständige Rechtsprechung, Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 6. Februar 1992 V R 38/85, BFH/NV 1993, 102; BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579; Senatsbeschluss vom 3. Februar 2003 VII B 13/02, BFH/NV 2003, 797, jeweils m.w.N.). Im Streitfall hat der Kläger jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass die Ablehnung der von ihm mehrfach beantragten Terminsverlegung ungerechtfertigt gewesen ist.
Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann der Vorsitzende bzw. das FG aus erheblichen Gründen einen Termin aufheben oder verlegen bzw. eine mündliche Verhandlung vertagen. Die erheblichen Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung sind auf Verlangen glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO, welche dem FG hätten Anlass geben müssen, den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, lagen indes im Streitfall nicht vor.
1. Die Erkrankung eines vertretenen Klägers, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden ist, stellt nur dann einen erheblichen Grund für eine Terminsänderung dar, wenn in dem Terminsänderungsantrag substantiiert Gründe vorgetragen werden, die eine persönliche Anwesenheit des Klägers neben seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung erfordern (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 91 Rz. 4; BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1990 III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240). Der Terminsverlegungsantrag des Klägers vom 14. Januar 2003 enthielt derartige Gründe nicht. Zudem war ―wie das FG zu Recht ausgeführt hat― die mit dem Antrag vorgelegte fachärztliche Bescheinigung vom selben Tag unsubstantiiert und ließ außer der Bescheinigung eines "sehr schlechten Allgemeinzustands" keine Gründe erkennen, weshalb der Kläger gesundheitlich nicht in der Lage war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen (vgl. dazu: BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1994 III B 43/94, BFH/NV 1995, 890). Wird ein Terminsänderungsantrag erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, ist der Beteiligte verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungsfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann. Ein zu diesem Zweck vorgelegtes privatärztliches Attest muss deshalb die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353). Hieran fehlt es aber, wenn ―wie im Streitfall― nur ein schlechter Allgemeinzustand beschrieben wird. Ob die in dem vorgelegten Attest vom 14. Januar 2003 angegebenen immer wieder auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers wie Herzschmerzen, Magenschmerzen etc. auch an jenem Tag vorlagen, wird nicht deutlich.
Auf die insoweit mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen weiteren Einzelheiten zu dem Gesundheitszustand des Klägers an jenem Tag und auf die weiteren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen kommt es nicht an, da nur die dem FG seinerzeit für die Terminsverlegung unterbreiteten Gründe maßgebend sind.
2. Die fehlenden Informationen der jetzigen Prozessbevollmächtigten über den Streitstoff, mit denen der Terminsverlegungsantrag vom 15. Januar 2003 begründet worden war, stellten ebenfalls keinen erheblichen Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO dar. Die mangelnde Vorbereitung einer Partei ist nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO kein erheblicher Grund für eine Terminänderung, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt. Im Streitfall gab es für die fehlende Vorbereitung der Prozessbevollmächtigten keine genügende Entschuldigung. Dass die Prozessbevollmächtigten über den Streitstoff nicht ausreichend informiert waren, lag ―anders als die Beschwerde meint― nicht allein an dem wegen der angeblichen Erkrankung des Klägers ausgefallenen Besprechungstermin am 14. Januar 2003, sondern auch an dem Umstand, dass sie erst einen Tag zuvor mit der Vertretung des Klägers beauftragt worden waren und somit vor der mündlichen Verhandlung nur ein Tag für eine Besprechung des Streitstoffs verblieben war. Bezüglich einer beantragten Terminsänderung ist aber ein kurz vor dem Termin vollzogener Anwaltswechsel nur dann ein erheblicher Grund, wenn er nicht durch den Beteiligten verschuldet ist oder jedenfalls aus schutzwürdigen Gründen erfolgte (Gräber/Koch, a.a.O., § 91 Rz. 4, m.w.N.). Im Streitfall ist die Kündigung des Mandats des früheren Prozessbevollmächtigten vom Kläger ausgegangen, ohne dass der Kläger mit seinem Terminsänderungsantrag vom 15. Januar 2003 schutzwürdige Gründe, welche ihn zum Anwaltswechsel bewogen hatten, gegenüber dem FG vorgetragen hat. Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger anlässlich eines Telefonats mit dem Senatsvorsitzenden auch auf Nachfrage keinen Grund für den Anwaltswechsel nennen können. Nähere Angaben zu den Gründen des Klägers für den Anwaltswechsel sind erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgetragen worden und lagen dem FG bei seiner Entscheidung somit nicht vor. Das FG hat daher zu Recht angenommen, dass die Situation, in der die jetzigen Prozessbevollmächtigten ohne ausreichende Informationen von Seiten des Klägers an der mündlichen Verhandlung teilnehmen mussten, durch den vom Kläger selbst verschuldeten Anwaltswechsel mit herbeigeführt worden ist.
Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 1992 5 B 159.91 (Neue Juristische Wochenschrift 1993, 80), auf den die Beschwerde sich beruft, betraf einen Fall, in dem der bisherige Prozessbevollmächtigte des Klägers das Mandat kurz vor dem Termin niedergelegt hatte und der Kläger in der noch zur Verfügung stehenden Zeit keinen neuen Prozessbevollmächtigten finden konnte. So liegt der Streitfall nicht.
3. Soweit den Schriftsätzen des Klägers vom 14. Juli und 12. September 2003 zu entnehmen ist, dass er auch die Ablehnung der Terminsverlegungsanträge vom 9. und 13. Januar 2003 als Verfahrensfehler rügen will, darf dieses Beschwerdevorbringen nicht berücksichtigt werden, weil es erst nach dem Ablauf der bis zum 30. April 2003 verlängerten Begründungsfrist erfolgt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. April 1997 IX B 2/97, BFH/NV 1997, 694).
Fundstellen
Haufe-Index 1134594 |
BFH/NV 2004, 796 |