Leitsatz (amtlich)
Eine Beschwerdeschrift bedarf zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich der eigenhändigen Unterschrift ihres Verfassers, soweit sie nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist.
Normenkette
FGO § 129
Tatbestand
Streitig ist in dem vor dem FG (Az. III 506/71) anhängigen Rechtsstreit die Höhe der für die Hauptveranlagungszeitpunkte 1. Januar 1963 und 1. Januar 1966 festgesetzten Vermögensteuer.
Gegen die entsprechenden Vermögensteuerveranlagungen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (FA) hat die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben und gleichzeitig beim FG ohne weitere Darlegungen die Aussetzung der Vollziehung eines ziffernmäßig nicht bezeichneten Vermögensteuerbetrages begehrt.
Das FG hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit einem der Antragstellerin am 4. März 1972 zugestellten Beschluß abgelehnt. Am 7. März 1972 ist beim FG ein auf einem Kopfbogen des Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreibmaschine gefertigter und auf den 6. März 1972 datierter Schriftsatz eingegangen, in dem gegen den die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Beschluß Beschwerde eingelegt wird. Der Schriftsatz schließt nach größerem Zeilenabstand mit dem Wort "Rechtsanwalt" und enthält an keiner Stelle eine Unterschrift oder ein sonstiges individuelles als Namenszug deutbares Zeichen. Der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin ist darauf hingewiesen worden, daß der am 7. März 1972 beim FG eingegangene Schriftsatz nicht unterzeichnet worden ist. Er hat hierzu keine Erklärung abgegeben und lediglich auf Anforderung mit einem beim BFH am 12. September 1972 eingegangenen Schreiben, das er eigenhändig unterzeichnet hat, eine auf den 18. Juli 1972 datierte Prozeßvollmacht vorgelegt.
Das FA hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Das FG hat auf Grund des bei ihm am 7. März 1972 eingegangenen Schriftsatzes seinen Beschluß nicht abgeändert.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Der vom 6. März 1972 datierte Schriftsatz kann nicht als eine den Formerfordernissen des § 129 FGO genügende Beschwerde angesehen werden. Einlegung, Form und Frist einer Beschwerde nach § 128 FGO richten sich nach § 129 FGO. Hiernach ist eine Beschwerde beim FG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Da die Antragstellerin eine Beschwerde nicht durch Telegramm eingelegt hat, sondern anscheinend schriftlich einlegen wollte, hätte der Schriftsatz vom 6. März 1972 von der Antragstellerin oder ihrem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein müssen, um der vorgeschriebenen Schriftform gerecht zu werden. Die Beschwerdeschrift gehört zu den bestimmenden Schriftsätzen, die zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich der eigenhändigen Unterschrift ihres Verfassers bedürfen. Die vom Senat im Urteil III R 86/68 vom 29. August 1969 (BFH 97, 226, BStBl II 1970, 89) für die Schriftform einer Klage und im Urteil III R 32/70 vom 18. Dezember 1970 (BFH 101, 349, BStBl II 1971, 329) für die einer Revision dargelegten Rechtsgrundsätze gelten auch für eine Beschwerde, soweit sie nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärt wird. Da der Schriftsatz vom 6. März 1972 keine eigenhändige Unterschrift trägt, kann er nur als Entwurf beurteilt werden, der nicht erkennen läßt, von wem er herrührt und ob er für den Rechtsverkehr bestimmt gewesen ist. Nur durch das zwingende Formerfordernis der eigenhändigen Unterschrift kann hinreichend gewährleistet werden, daß eine Beschwerde von einer bestimmten Person, von der die Erklärung ausgeht, selbst herrührt.
2. Die Antragstellerin oder ihr Prozeßbevollmächtigter hat auch die fehlende Unterschrift nicht innerhalb der Beschwerdefrist nachgeholt. Das nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangene und mit einer Unterschrift versehene Schreiben, mit dem der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin die ihm erteilte Vollmacht vorgelegt hat, konnte den Mangel der vorgeschriebenen Schriftform nicht heilen. Die Rechtsprechung des BFH zur Frage der fehlenden Vollmacht und der Wirksamkeit von Prozeßhandlungen eines Vertreters ohne Vertretungsmacht (vgl. BFH-Urteil V R 149/71 vom 18. Mai 1972, BFH 106, 7, BStBl II 1972, 771, mit weiteren Nachweisen) bezieht sich nur auf einen Mangel der Vollmacht; setzt aber voraus, daß kein Mangel der Schriftlichkeit vorliegt.
3. Für den Senat bestand ferner keine Veranlassung, das Verfahren bis zur Entscheidung des Großen Senats über die jenem durch Beschluß IV R 42/71 vom 3. August 1972 (BStBl II 1972, 794) vorgelegte Rechtsfrage auszusetzen. Für den Streitfall ist diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich; denn dem Schriftsatz vom 6. März 1972 ist kein unterzeichnetes Anschreiben beigefügt gewesen.
4. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen Versäumung der Beschwerdefrist, die im übrigen von der Antragstellerin nicht beantragt worden ist, konnte ihr nicht von Amts wegen gewährt werden, da keine Gründe ersichtlich sind, daß ihr Prozeßbevollmächtigter ohne Verschulden gehindert gewesen ist, die Beschwerdefrist einzuhalten. Ein etwaiger Irrtum über die Notwendigkeit der eigenhändigen Unterschrift würde einen Rechtsirrtum darstellen, der die Versäumung der Rechtsmittelfrist nicht entschuldigen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 70157 |
BStBl II 1973, 83 |
BFHE 1973, 270 |