Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vorliegen eines Zulassungsgrundes
Leitsatz (NV)
- Verneint das FG eine doppelte Haushaltsführung, weil es nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls eine Verlegung des Lebensmittelpunktes annimmt, ist die Revision nicht zuzulassen, wenn als klärungsbedürftig die Rechtsfrage aufgeworfen wird, wie die Kriterien für die Feststellung des Lebensmittelpunkts zu gewichten sind.
- (Mögliche) Fehler oder Abweichungen bei der Würdigung von Tatsachen führen nicht zur Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zwecks Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
- Zur ordnungsgemäßen Darlegung mangelnder Sachaufklärung.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nrn. 1-3
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) geltend macht, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
Im Streitfall können hinreichend geklärte Rechtsgrundsätze auf den Sachverhalt angewandt werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein lediger Arbeitnehmer Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen kann, in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90 (BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180) schon beantwortet. Danach muss der Steuerpflichtige außerhalb des Beschäftigungsortes eine (weitere) Wohnung unterhalten, in der sich sein Lebensmittelpunkt befindet. Ob in der Wohnung am Heimatort der Lebensmittelpunkt beibehalten wird und diese damit als Haupthausstand anzusehen ist, richtet sich nach einer Abwägung und Bewertung der Umstände des Einzelfalles, wobei ―insbesondere bei Ledigen― die Größe einschließlich Ausstattung der Unterkunft am Beschäftigungsort im Vergleich zur Wohnung am Heimatort ein wesentliches Indiz sein kann.
Die vom Kläger aufgeworfene Frage, wie die Gewichtung der Kriterien für die Feststellung des Lebensmittelpunkts zu erfolgen habe, und ob allein wegen der Größe und Ausstattung der Wohnung von einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts auszugehen sei, während sämtliche anderen Gesichtspunkte für ein Verbleiben des Mittelpunkts der Lebensinteressen am bisherigen Wohnsitz sprächen, stellt keine vom Streitfall losgelöste ―abstrakte― Rechtsfrage dar. Das Vorbringen des Klägers beinhaltet vielmehr die Rüge unzutreffender Tatsachenwürdigung durch das Finanzgericht (FG). (Mögliche) Fehler bei der Feststellung bzw. Würdigung von Tatsachen führen aber nicht zur Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (BFH-Beschluss vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 27, jeweils m.w.N.). Die Bedeutung der Sache darf sich nicht nur in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen (BFH-Beschluss vom 18. Mai 1999 III B 159/96, BFH/NV 1999, 1514; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24).
2. Die Revision ist auch nicht deswegen zuzulassen, weil eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Dieser Zulassungsgrund ist mit Wirkung ab 2001 an die Stelle der Divergenz getreten (vgl. Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, 1758). Er setzt voraus, dass Unterschiede in der Rechtsprechung über Fragen des revisiblen Rechts bestehen (BFH-Beschluss vom 5. November 2001 VI B 219/00, BFH/NV 2002, 311, m.w.N.). Solche Unterschiede bestehen vorliegend nicht.
Das FG hat die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere das BFH-Urteil zur doppelten Haushaltsführung Lediger in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 (unter 1.), beachtet und aufgrund tatrichterlicher Würdigung des konkreten Einzelfalls ("nach Abwägung der Gesamtumstände und dem Ergebnis der Beweisaufnahme") den Hausstand in X nicht als Haupthausstand angesehen. Es hat im Rahmen der Gesamtwürdigung keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der im Widerspruch zu den vom Kläger als Divergenzentscheidungen bezeichneten Urteilen stünde. Auch nach diesen Urteilen hängt das Ergebnis von einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab, welche sich zudem von den Umständen des Streitfalls wesentlich unterscheiden (Urteil vom 20. Dezember 1982 VI R 64/81, BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306: Begründung einer gemeinsamen Familienwohnung nach Eheschließung; Urteil vom 10. November 1978 VI R 240/74, BFHE 126, 522, BStBl II 1979, 224: Wohnen in einer Gemeinschaftsbaracke des Arbeitgebers neben der Arbeitsstätte, lediger Arbeitnehmer; Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221: Wohnen mit mindestens einem Zimmergenossen am jeweiligen Ausbildungsort). Dass das FG eine von ihm erkannte und inhaltlich akzeptierte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht in der Weise auf den konkreten Einzelfall angewandt hat, wie der Kläger dies begehrt, macht eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. März 2002 VI B 280/01, nicht veröffentlicht; vom 27. September 1999 I B 83/98, BFH/NV 2000, 673, sogar bei Vorliegen eines Rechtsfehlers). Eine Abweichung in der Würdigung von Tatsachen genügt hierbei nicht (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 53, m.w.N.).
3. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel geltend macht, ist die Beschwerde unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO (in der bis zum 31. Dezember 2000 für die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs geltenden Fassung, vgl. Art. 4 2.FGOÄndG) entspricht.
Die Rüge, das FG habe den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil es die vom Kläger benannte Zeugin Z nicht geladen und gehört habe, wurde nicht substantiiert erhoben. Hierzu hätte er nicht nur darstellen müssen, welche ―genauen― Tatsachen unaufgeklärt geblieben sind, obwohl sie aufklärungsbedürftig waren, und welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben hat. Da die Beteiligten auf eine § 76 FGO genügende Sachaufklärung verzichten können (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1994 IV R 61/93, BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367, unter II. 3.), bedarf es auch der Darlegung, warum der ―fachkundig vertretene― Kläger einen entsprechenden Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt oder auf einer bestimmten Beweisaufnahme bestanden hat bzw. diese sich dem FG (ggf. auch ohne Antrag) hätte aufdrängen müssen, sowie des Weiteren, inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung ―auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG― zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332; vom 19. März 2002 IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042; vom 28. Januar 2002 VII B 83/01, BFH/NV 2002, 934; vom 7. November 2001 II B 119/00, BFH/NV 2002, 510; vom 31. Juli 1997 III B 74/95, BFH/NV 1998, 970).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Insbesondere reichen der Hinweis auf Schriftsätze oder auf einen Beweisantrag in der ersten mündlichen Verhandlung nicht aus, zumal der Klägervertreter zu Protokoll erklärt hatte, er stelle die ―im Übrigen entscheidungsunerhebliche― Tatsache, dass die vom Kläger bewohnten Räumlichkeiten eine abgeschlossene Wohnung seien, unter Beweis durch Vernehmung der Frau Z. Weitere Darlegungen wären auch insoweit erforderlich gewesen.
Unzulässig ist auch die Rüge des Klägers, das FG habe ihn nicht persönlich angehört und damit sein Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Es fehlen substantiierte Darlegungen vornehmlich dazu, was er bei ausreichender Gewährung im Einzelnen noch vorgetragen hätte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 970), und inwieweit er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich das rechtliche Gehör vor dem FG zu verschaffen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juni 2002 I B 96/01, BFH/NV 2002, 1469).
Die Einwendungen des Klägers richten sich ―auch unter diesem Gesichtspunkt― im Kern gegen die Schlussfolgerungen des FG. Ein Verfahrensfehler liegt aber nicht vor, wenn das FG die entscheidungserheblichen Tatsachen anders gewürdigt hat, als vom Kläger angestrebt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 673; vom 25. Januar 2000 VI B 384/98, BFH/NV 2000, 868). Dass dieser das Ergebnis der Tatsachenwürdigung für falsch hält, begründet nach alledem keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 FGO.
Der Beschluss ergeht im Übrigen nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 926149 |
BFH/NV 2003, 793 |