Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Karusselgeschäften
Leitsatz (NV)
- Die Rechtsfrage, ob Vorsteuern abgezogen werden können, die auf Lieferungen in ein sog. Karusselgeschäft entfallen, bei dem die Ware ‐ bestimmungsgemäß ‐ an den ersten Lieferer zurückgelangt, ist in einem Revisionsverfahren nicht klärbar, wenn das FG die Tätigkeit der Klägerin bei diesem Warenkreislauf ‐ für das Revisionsgericht bindend ‐ nur als Dienstleistung beurteilt hat.
- Eine Abweichung von einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften rechtfertigt keine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
Normenkette
UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
1. Soweit die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) begehrt, ist die Beschwerde unzulässig. Sie genügt insoweit nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stellt.
a) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nur in Betracht, wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459; vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Bundesverfassungsgericht ―BVerfG―, Beschluß vom 22. April 1996 2 BvR 48/96, Steuer-Eildienst 1996, 410).
b) Die Klägerin hat nicht eindeutig und schlüssig dargetan, welche Frage im allgemeinen Interesse des Rechts in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbar und klärungsbedürftig sein soll und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom 30. Juni 1998 III B 232/95, BFH/NV 1999, 59, und vom 12. Dezember 1997 XI B 54/97, BFH/NV 1998, 614). Vielmehr beschränkt sich die Begründung der Beschwerde insoweit auf die Ausführung, daß die Rechtsfrage von allgemeinem Interesse sei, "ob Vorsteuern gezogen werden können, soweit sie auf Warenlieferungen entfallen, die in einem Warenkreislauf durchgehandelt worden seien".
Diese Rechtsfrage ist jedoch in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar, weil der Senat die Feststellungen des Finanzgerichts (FG) dahin versteht, daß die Klägerin die Verfügungsmacht an der ihr berechneten Ware nicht erhalten und nur Dienstleistungen in einem Warenkreislauf erbracht hat. Außerdem fehlt die Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung für Fälle, in denen die Ware vereinbarungsgemäß an den ersten Lieferer zurückgelangt (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 74/95, BFHE 181, 230, BStBl II 1997, 157). Die Klägerin hat sich auch nicht mit der vorhandenen steuerrechtlichen Literatur ―z.B. zu sog. Karussellgeschäften oder zur Verschaffung der Verfügungsmacht― auseinandergesetzt. In dem angestrebten Revisionsverfahren könnte nur die Rechtsanwendung im Einzelfall geprüft, aber keine Rechtsfrage geklärt werden, die darüber hinaus klärbar und klärungsbedürftig ist.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Abweichung der Vorentscheidung von Grundsätzen in dem BFH-Urteil vom 9. November 1994 XI R 61/93 (BFH/NV 1995, 659) zuzulassen.
Insoweit genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen, die nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO zur Darlegung der Abweichung erfüllt werden müssen. Die Klägerin bezeichnet keinen entscheidungserheblichen Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung des BFH so genau, daß eine Abweichung erkennbar wird, weil die gegenübergestellten Rechtsgrundsätze unvereinbar sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Die Klägerin behauptet eine Abweichung nur.
Das gleiche gilt für die angebliche Abweichung der Vorentscheidung von der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 21. September 1988 Rs. 50/87 (Slg. 1988, 4797, Umsatzsteuer-Rundschau 1990, 152). Abgesehen davon, daß eine Abweichung von einer Entscheidung des EuGH eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht rechtfertigen kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 19, m.w.N.), liegt keine Abweichung des FG von der bezeichneten Entscheidung des EuGH vor. Daher ist mit einer Abweichung von der Rechtsprechung des EuGH auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO berechtigen könnte, aufgeworfen worden. Das FG ist in der Vorentscheidung nicht von gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen für den Vorsteuerabzug abgewichen, sondern hat der Klägerin in Übereinstimmung mit Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG den Vorsteuerabzug versagt, weil sie nicht nachgewiesen hat, daß sie eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Lieferung empfangen hat.
3. Auch soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt, hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Die Beschwerdeschrift entspricht nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt, und geht außerdem von Voraussetzungen aus, die nicht gegeben sind.
a) Die ausdrücklich und sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe es unterlassen, den Akteninhalt vollständig auszuwerten und Beweise zu erheben und dadurch Verfahrensrecht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, genügt nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt.
Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Auswertung des Akteninhalts und wegen unterlassener Beweiserhebung rügt, muß nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung bezeichnen, welche weitere Aufklärung sich dem FG ―nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung― von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Im übrigen hat das FG seine Überzeugung von den tatsächlichen Vorgängen auf eine eigene Beweiserhebung und nicht auf ein Geständnis des wegen Steuerhinterziehung verurteilten Geschäftsführers der Klägerin gestützt.
b) Auch soweit die Klägerin die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen unterlassener Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) rügt, erfüllt ihr Vorbringen nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen, weil sie nicht bezeichnet, wozu sie sich nicht habe äußern können, was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und weshalb dieses Vorbringen nach der maßgebenden sachlich-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluß vom 8. April 1998 VIII R 32/95, BFH/NV 1999, 122). Dazu hätte schon deshalb besondere Veranlassung bestanden, weil das FG von einer Warenbewegung in einen Staat der GUS und dem Vorliegen der förmlich zutreffenden Ausfuhrdokumente ausgegangen ist, gleichwohl aber nicht die Überzeugung hatte gewinnen können, daß die Klägerin Abnehmer und Lieferer der formal verkauften Waren gewesen war.
c) Soweit die Klägerin sich gegen die Anwendung von Beweislastgrundsätzen des FG wendet, rügt sie keinen Verfahrensfehler (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Juli 1994 IV S 2/93, BFH/NV 1995, 118; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 28).
d) Neue Tatsachen, die die Klägerin in der Beschwerdeschrift und nach Ablauf der Beschwerdefrist in dem Schriftsatz vom 20. Oktober 1998 vorbringt, dürfen im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision ―ebenso wie im Revisionsverfahren― nicht beachtet werden (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58).
4. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe einer weiteren Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 302387 |
BFH/NV 1999, 1390 |