Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB - Übergangsrecht
Leitsatz (NV)
- Die Zulassung wegen Divergenz setzt nach altem wie neuem Recht voraus, dass den Entscheidungen, die einander widersprechen sollen, im wesentlichen gleichgelagerte Sachverhalte zu Grunde liegen.
- Die Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 a.F. und n.F. ebenso wie nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO n.F. verlangt ein über das Individualinteresse am Prozessausgang hinausreichendes allgemeines Interesse.
- Die Frage des Verhältnisses zwischen § 68 FGO und § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO mag zwar noch immer klärungsbedürftig sein, sie ist jedenfalls nicht mehr klärungsfähig, wenn die Klage durch die den Verfahrensgegenstand ändernde Korrektur unzulässig geworden ist.
Normenkette
2. FGOÄndG Art. 4, 6; FGO §§ 68, 100 Abs. 1 S. 4, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Gründe
Das Rechtsmittel gegen das am 20. September 2000 verkündete Urteil des Finanzgerichts (FG) hat keinen Erfolg - teils, weil es nicht in der nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden alten Fassung (a.F.), erforderlichen Weise begründet wurde, teils weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO in der nunmehr geltenden neuen Fassung (n.F.) nicht vorliegen. Dabei kann eine genaue Abgrenzung des bisher geltenden vom neuen Zulassungsrecht unterbleiben (s. dazu Art. 2 und 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757), weil der Beschwerde in keinem Fall stattgegeben werden kann.
1. Der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.), der nunmehr unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F.) oder deshalb bedeutsam werden kann, weil die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, liegt nicht vor.
Das FG-Urteil steht schon deshalb nicht im Widerspruch zum zitierten BFH-Urteil vom 6. August 1996 VII R 77/95 (BFHE 181, 107, BStBl II 1997, 79), weil es einen anderen Sachverhalt betrifft (s. dazu Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 63): Während die vom BFH im zitierten Urteil gezogene Konsequenz der Fortsetzung des Verfahrens ohne Antragstellung nach § 68 FGO a.F. ausdrücklich auf den Fall bezogen und begrenzt war, dass während des Klageverfahrens ein lediglich wiederholender Haftungsbescheid ergeht, stellte sich im Streitfall die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn der angefochtene Steuerbescheid inhaltlich in der Weise abgeändert wird, dass die Steuerfestsetzung herabgesetzt wird und möglicherweise die Beschwer entfällt. Eine Prozesslage jedenfalls, die es unter der Geltung des § 68 FGO a.F. erlaubt hätte, den Änderungsbescheid im Streitfall auch ohne Antrag zum Verfahrensgegenstand zu machen, ist nicht gegeben.
2. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. und n.F. rechtfertigt die Zulassung gleichfalls nicht. Eine Rechtsfrage, die in einem über das Einzelinteresse der Beteiligten am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichenden Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, höchstrichterlich klärungsbedürftig und im anhängigen Rechtsstreit klärungsfähig sein könnte (Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 7 ff.), ist aus dem Beschwerdevorbringen nicht zu ersehen.
a) Einwände, die sich allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils wenden, sind nicht geeignet, das für das Zulassungsverfahren grundsätzlich erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren (zum alten Recht: BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 1999 X B 203/98, BFH/NV 2000, 435; vom 25. Mai 2000 V B 55/00, BFH/NV 2000, 1482; Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 58 und 62, m.w.N.; zur neuen Rechtslage: BTDrucks 14/4061, S. 9, zu Nr. 13). Dies gilt vor allem für die Ausführungen in der Beschwerdeschrift (unter 3.) zum angeblichen Verstoß des FG-Urteils gegen die Denkgesetze, wobei die Kläger offensichtlich übersehen haben, dass alle von ihnen zitierten Entscheidungen Revisionsrecht betreffen.
b) Die von den Klägern aufgeworfene Frage des Verhältnisses von § 68 zu § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO mag generell klärungsbedürftig sein, obgleich sie ausgelaufenes Recht betrifft (dazu: BFH-Beschluss vom 23. Februar 2001 III B 99/00, BFH/NV 2001, 1033; Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 12, m.w.N.). Dies kann jedoch auf sich beruhen, denn das Problem ist jedenfalls in diesem Verfahren nicht klärungsfähig, weil die Klage zum Zeitpunkt der Entscheidung unzulässig geworden war:
Zum einen fehlt ―wie das FG zutreffend ausgeführt hat (s. auch Schmidt-Troje in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 100 FGO Rz. 43)― einer nach Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts aufrechterhaltenen Klage im Anwendungsbereich des § 68 FGO das allgemeine Rechtsschutzinteresse, weil der einfachste für die Rechtsschutzgewährung im konkreten Fall eröffnete Weg (ohne ersichtlichen Grund) nicht beschritten wurde;
zum andern war nach Versäumung der Antragsfrist des § 68 Satz 2 FGO a.F. und Eintritt der Bestandskraft hinsichtlich des Änderungsbescheids (s. dazu auch den Hinweis in der Beschwerdeschrift unter 2. a.E.) jedes weitere Klagebegehren unzulässig, zumal das Vorbringen keine fortdauernde Beschwer erkennen lässt.
Schon aus diesen Gründen kam eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Streitfall nicht in Betracht (s. auch Gräber, a.a.O., § 100 Rz. 56, m.w.N.). Unabhängig davon lagen die Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO auch nicht vor, weil sich der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt nicht ―wie diese Vorschrift fordert― durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt hatte (dazu näher: Gräber, a.a.O., § 100 Rz. 57).
3. Ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO n.F. schließlich ist auch nicht zu erkennen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F.).
Fundstellen
Haufe-Index 667059 |
BFH/NV 2002, 347 |