Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Klagebefugnis von Personengesellschaften im Klageverfahren gegen Gewinnfeststellungsbescheide
Leitsatz (NV)
1. Atypische stille Gesellschaften sind im Klageverfahren gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid nicht klagebefugt und deshalb auch nicht zum Klageverfahren des atypischen stillen Gesellschafters notwendig beizuladen.
2. Die notwendige Beiladung eines früheren Gesellschafters zum Klageverfahren eines Mitgesellschafters gegen den Gewinnfeststellungsbescheid hat zu unterbleiben, wenn der nicht klagende Gesellschafter vom Ausgang des Verfahrens unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt betroffen wird.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin war in den Streitjahren 1976 bis 1978 Kommanditistin der X-GmbH & Co. KG (KG). Die KG wurde im Mai 1979 liquidiert und im März 1981 im Handelsregister gelöscht.
Zwischen der KG und dem Kläger bestand für die Zeit vom 1. Dezember 1976 bis 31. Dezember 1978 eine atypische stille Gesellschaft (StG). Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages war der Kläger solange an den Verlusten der StG beteiligt, bis eine Verlustquote von 200 v. H. auf die eingezahlte Kapitaleinlage erreicht wurde.
In den Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns für die Jahre 1976 bis 1978 wurden für die StG Verluste in Höhe von . . . DM erklärt. Bei den Gewinnfeststellungen für die Streitjahre folgte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) zunächst den Angaben in den Feststellungserklärungen und wies die Verluste in voller Höhe dem Kläger zu. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der zum 31. Dezember 1978 beendeten StG erließ das FA geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1976 bis 1978, in denen es in allen Jahren geschätzte Gewinne aus Gewerbebetrieb feststellte, die es wiederum allein dem Kläger zurechnete. Der Einspruch des Klägers gegen die geänderten Feststellungsbescheide hatte zum Teil Erfolg. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Einkünfte der StG und die Gewinnanteile des Klägers und der KG in allen Jahren auf null DM fest.
Der Kläger hat gegen die Einspruchsentscheidung Klage erhoben mit dem Antrag, die Einspruchsentscheidung und die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) hat über die Klage bisher nicht entschieden. Durch Beschluß vom 3. Oktober 1986 hat das FG die ehemaligen Kommanditisten der KG zu dem Klageverfahren gemäß § 60 Abs. 3 FGO beigeladen.
Die Beschwerdeführerin hat gegen den Beiladungsbeschluß Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beiladungsbeschlusses, soweit dieser gegen die Beschwerdeführerin ergangen ist.
Der angefochtene Beschluß ist auf § 60 Abs. 3 FGO gestützt. Nach dieser Vorschrift hat das FG Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen; dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind.
Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, nur die Gesellschaft selbst, vertreten durch die geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter, klagebefugt, soweit nicht die Sondervorschriften des § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO eingreifen. Dieses Prozeßführungsrecht steht jedoch nur Personengesellschaften zu, die Beteiligte eines Finanzrechtsstreits sein können. Die - in § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO vorausgesetzte - Beteiligtenfähigkeit der Gesellschaft in Streitigkeiten, die einen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, kommt der atypischen stillen Gesellschaft nicht zu (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311). Das FG hat schon deshalb zu Recht davon abgesehen, die StG zu dem anhängigen Klageverfahren gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1978 beizuladen.
Beteiligte eines Steuerprozesses, der die einheitliche Gewinnfeststellung bei einer atypischen stillen Gesellschaft betrifft, können nur der Inhaber des Handelsgeschäfts (hier: die KG) und der atypische stille Gesellschafter sein (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311). Im Streitfall hat das FG zutreffend angenommen, daß eine Beiladung der KG zu dem vom Kläger eingeleiteten Klageverfahren nicht in Betracht kommt, weil die KG bei Klageerhebung bereits vollbeendet war. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Vollbeendigung einer Personengesellschaft nicht nur durch ihre Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft oder durch das Ausscheiden aller Gesellschafter bis auf einen, sondern auch durch Auflösung der Gesellschaft und Abschluß der Liquidation eintreten kann (BFH-Urteile vom 24. April 1986 IV R 282/84, BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672; vom 11. Dezember 1986 IV R 334/84, BFH / NV 1987, 312). Mit der Vollbeendigung der KG ist ihre gesetzliche Prozeßstandschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO, d. h. ihre Befugnis, im eigenen Namen die Rechte der von den angefochtenen Feststellungsbescheiden materiell betroffenen Geselllschafter geltend zu machen, erloschen. Nach der Vollbeendigung der KG müssen die früheren Gesellschafter einen die Zeit ihrer Mitgliedschaft betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid selbst angreifen (BFH-Urteil vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503). Da auch in einem solchen Fall die Entscheidung allen Beteiligten gegenüber nur einheitlich ergehen kann, müssen grundsätzlich alle Personen, die am Gewinn oder Verlust der vollbeendeten Gesellschaft beteiligt waren, nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beigeladen werden, sofern sie nicht selbst Klage erhoben haben.
Gleichwohl durfte das FG die Beschwerdeführerin zu dem Klageverfahren gegen die Gewinnfeststellungsbescheide für die StG nicht notwendig beiladen. Denn eine notwendige Beiladung des früheren Gesellschafters hat dann zu unterbleiben, wenn dieser vom Ausgang des Verfahrens unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt betroffen wird (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1981 I R 93/77, BFHE 135, 271, BStBl II 1982, 474; BFH / NV 1987, 312). Im vorliegenden Fall ist die Klage auf Aufhebung der geänderten Gewinnfeststellungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung und damit auf die Wiederherstellung der in den ursprünglichen Bescheiden festgestellten Verluste der StG und Verlustanteile des Klägers gerichtet (vgl. Klageschrift vom 2. Mai 1985; zur Bedeutung des Klageantrags im Verfahren gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509). Der Rechtsstreit könnte deshalb allenfalls dazu führen, daß dem Kläger für die Streitjahre über seine in der Einspruchsentscheidung festgesetzten Ergebnisanteile von null DM hinaus noch Verlustanteile zuzurechnen wären. Die KG und ihre Gesellschafter können vom Ausgang des Rechtsstreits nicht betroffen sein, da die Anteile der KG an den Ergebnissen der StG in der angefochtenen Einspruchsentscheidung ebenso wie in den ursprünglichen und den geänderten Feststellungsbescheiden auf null DM festgesetzt waren. Die Gewinn- oder Verlustverteilung bei der StG hat der Kläger in dem beim FG anhängigen Verfahren nicht angegriffen. Das FG ist deshalb im anhängigen Klageverfahren nicht befugt, der KG über die bisher festgestellten Ergebnisanteile von null DM hinaus noch weitere Verlustanteile zuzurechnen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Denn Feststellung des Gesamtgewinns(-verlusts) und Verteilung dieses Gewinns oder Verlusts sind verschiedene Streitgegenstände (BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 96 Anm. 8). Da die Gesellschafter der KG vom Ausgang des Rechtsstreits in keiner Weise berührt sein können, waren sie auch nicht nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen.
Da im vorliegenden Fall eindeutig ist, daß rechtliche Interessen der Beschwerdeführerin nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung des FG über die Klage nicht berührt sein können, kann der Beiladungsbeschluß auch nicht auf die Vorschrift des § 60 Abs. 1 FGO gestützt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 182, 239).
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin sind in entsprechender Anwendung des § 139 Abs. 4 FGO der Staatskasse aufzuerlegen. Es entspricht in den Fällen, in denen ein Beschwerdegegner fehlt (was hier zutrifft, weil weder der Kläger noch das beklagte FA beantragt haben, die Beschwerdeführerin beizuladen oder ihre Beschwerde zurückzuweisen), und deshalb eine Kostenentscheidung gemäß § 135 Abs. 1 FGO nicht ergehen kann, der Billigkeit, die Kosten der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239).
Fundstellen
Haufe-Index 415253 |
BFH/NV 1988, 101 |