Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländischer Wohnsitz und inländische Betriebsstätte in einer Wohnung
Leitsatz (NV)
1. Auch bei unregelmäßigen Aufenthalten in einer inländischen Wohnung besteht ein Wohnsitz im Inland.
2. In einer Wohnung kann sich eine Betriebsstätte befinden. Eine inländische Wohnung alleine begründet aber noch keine inländische Betriebsstätte.
3. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs schützt nicht davor, daß das Gericht dem Vortrag eines Beteiligten eine unrichtige Bedeutung beimißt.
4. Zum Umfang der notwendigen Darlegungen, wenn Verletzung des Amtsermittlungsprinzips gerügt wird.
Normenkette
AO 1977 §§ 8, 12; DBA USA 1954/1965 Art. 2 Abs. 1 c aa; DBA USA 1989 Art. 5; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76; ZPO §§ 165, 160 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet, so daß sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.
1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung. Diese setzt voraus, daß es sich um klärungs bedürftige und im Revisionsverfahren klärungsfähige Fragen handelt. Die vom Kläger im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs "Wohnsitz" aufgeworfenen Fragen sind nicht klärungsbedürftig. Mit Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94 (BFHE 178, 294, BStBl II 1996, 2) hat der Senat entschieden, daß ein inländischer Wohnsitz auch dann anzunehmen ist, wenn eine im Inland beibehaltene Wohnung so ausgestattet ist, daß diese jederzeit als Bleibe dienen kann. Voraussetzung für die Annahme eines Wohnsitzes ist danach nicht, daß der Steuerpflichtige auch tatsächlich in jedem Veranlagungszeitraum die Wohnung bewohnt. Die Frage des Klägers, ob bei unregelmäßigen Aufenthalten in der inländischen möblierten Wohnung ein inländischer Wohnsitz begründet werden könne, ist daher eindeutig zu bejahen.
Die Frage des Klägers, ob aus der Annahme eines inländischen Wohnsitzes zugleich auf eine inländische Betriebsstätte zu schließen ist, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Sie ist zu verneinen. "Wohnung" und "Betriebsstätte" sind keine identischen Rechtsbegriffe (vgl. §§ 8, 12 der Abgabenordnung -- AO 1977 --; Art. II Abs. 1 c aa des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika -- DBA-USA -- 1954/1965; Art. 5 DBA-USA 1989).
Die Frage, ob aus dem Beruf eines Steuerpflichtigen, der im Inland nur eine Wohnung und keine Betriebsräume unterhält, und aus der Benutzung eines Telefons bzw. eines Faxgerätes auf eine Betriebsstätte geschlossen werden könne, ist keine im allgemeinen Interesse zu klärende Rechtsfrage. Insoweit handelt es sich um vom Finanzgericht (FG) zu würdigende Umstände des Einzelfalles, mithin um Tatfragen.
Irgendwelche Fragen rechtlicher Art, die sich bei Anwendung des Art. II Abs. 1 c aa DBA-USA 1954/1965 bzw. Art. 5 DBA- USA 1989 stellen könnten, hat der Kläger nicht dargetan und erlauben daher auch nicht die Zulassung der Revision.
2. Unbegründet ist die Rüge, das FG habe Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt.
Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Dies verlangt einerseits, daß der Prozeßbeteiligte ausreichend Gelegenheit erhalten muß, sich zur Streitsache zu äußern, und andererseits, daß das Gericht die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt. Art. 103 Abs. 1 GG schützt aber nicht davor, daß das Gericht den behaupteten tatsächlichen Umständen nicht die richtige Bedeutung beimißt (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. März 1994 I R 53/93, BFH/NV 1995, 210).
Der Kläger beanstandet, daß ihm seitens des Gerichts keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, zum Besteuerungsverfahren in Florida (keine Steuerbescheide, keine Genehmigung der abgegebenen Steuererklärungen) Bestätigungen einzuholen und daß das FG die englischsprachige Fassung der Steuererklärungen gerügt habe. Daraus folgt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im oben dargestellten Sinn.
Laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung hat das FG den Vortrag des Klägervertreters, daß Steuerbescheide nicht vorliegen und ihm nicht bekannt sei, daß die Steuererklärungen abgestempelt würden, zur Kenntnis genommen. Das Protokoll enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß dem Klägervertreter für weiteren Vortrag das Wort abgeschnitten worden sei. Aufgrund der Beweiskraft des Protokolls nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§ 165, 160 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger Ver tagung zur Einholung von Bestätigungen beantragt hat.
Dem Protokoll läßt sich ferner entnehmen, daß der Klägervertreter im Anschluß zu seinen Ausführungen zum USA-Steuerrecht Sachanträge gestellt hat. Erst im Anschluß hieran wurde die mündliche Verhandlung geschlossen. Es ist daher nicht festzustellen, daß dem Kläger in irgendeiner Weise das Wort abgeschnitten worden sei.
Im übrigen hat das FG die Angaben des Klägers in seiner amerikanischen Steuererklärung trotz Fassung in englischer Sprache zur Kenntnis genommen und -- wenn auch nicht im Sinne des Klägers -- gewürdigt. Das FG ist zwar insoweit möglicherweise einem Irrtum unterlegen, als es davon ausgegangen ist, daß in den USA aufgrund der eingereichten Steuererklärungen Steuerbescheide ergingen. Dieser Irrtum tatsächlicher Art bedeutet aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Mit seinem Hinweis, daß in den amerikanischen Steuererklärungen die jeweiligen Gesamtgewinne erklärt worden seien und das FG aus diesem Grund für die inländische Betriebsstätte keinen Gewinn habe hin zuschätzen dürfen, rügt der Kläger die Unrichtigkeit der Schätzung, aber keinen Verfahrensfehler im Sinne eines error in procedendo.
3. Die Sachaufklärungsrügen sind unzulässig, weil sie nicht in der notwendigen Form erhoben worden sind.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf die Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes gestützt, so muß in der Beschwerdebegründung gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt werden, welche Tatfragen klärungsbedürftig sind, welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, warum der Beschwerdeführer -- insbesondere dann, wenn er durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war -- nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum die Beweiserhebung sich dem FG -- ggf. auch ohne besonderen Antrag -- hätte aufdrängen müssen, inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können und, da auf weitere Sachaufklärung verzichtet werden kann, daß ein solcher Verzicht nicht vorliegt (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 11. April 1994 I B 195/93, BFH/NV 1995, 188; vom 30. März 1992 V B 127/90, BFH/NV 1995, 683; vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34). Danach genügt es für eine ordnungsgemäße Rüge, die Sachaufklärungspflicht sei verletzt, nicht, global einen Verstoß gegen § 76 FGO zu behaupten und darzulegen, daß bei weiterer Sachaufklärung ein anderer Prozeßausgang zu erwarten gewesen wäre.
5. Die Rüge, das FG habe die Regeln der objektiven Beweislast verletzt, ist deswegen unbegründet, weil es ausweislich seiner Entscheidungen ausdrücklich nicht nach den Regeln der objektiven Beweislast entschied.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 421751 |
BFH/NV 1997, 96 |