Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit eines nach Insolvenzeröffnung gestellten PKH-Antrags
Leitsatz (NV)
1. Der Antragsteller als Insolvenzschuldner verliert mit der Insolvenzeröffnung die Prozessführungsbefugnis und Beteiligtenrolle im finanzgerichtlichen Verfahren. Der Verlust der Beteiligtenstellung führt zum Verlust der Antragsbefugnis im PKH-Verfahren und damit zur Unzulässigkeit des Antrags.
2. Stellt der Insolvenzschuldner den PKH-Antrag erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wird das PKH-Verfahren nicht unterbrochen (anders BFH-Beschluss vom 27. September 2006 IV S 11/05 (PKH), BFHE 214 293, BStBl II 2007, 130 für einen vor Insolvenzeröffnung gesellten PKH-Antrag).
Normenkette
FGO §§ 57, 155; ZPO §§ 240, 249; InSO § 80 S. 1
Tatbestand
I. Gegen den Antragsteller erging am 18. März 1999 ein Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr 1995, der zu einer Nachzahlung führte. Nach erfolglosem Klageverfahren hat der Antragsteller am 8. März 2006 gegen das Urteil des Finanzgerichts beim Bundesfinanzhof (BFH) Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und durch Schriftsatz vom 27. April 2006, eingegangen am 2. Mai 2006, begründet.
Am 23. März 2007 wurde über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 18. Juni 2007 hat der Antragsteller beim BFH den vorliegenden Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Antrag ist unzulässig.
Der Antragsteller ist nach der Insolvenzeröffnung nicht mehr Verfahrensbeteiligter im Beschwerdeverfahren (Hauptverfahren) und daher im PKH-Verfahren nicht mehr antragsbefugt.
a) Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter unter weiteren Voraussetzungen PKH. Verfahrensbeteiligter gemäß § 57 Nr. 1 FGO ist im Beschwerdeverfahren (Hauptverfahren) bis zur Insolvenzeröffnung der Insolvenzschuldner, hier also der Kläger und Beschwerdeführer.
b) Der Antragsteller hat mit der Insolvenzeröffnung aber die Prozessführungsbefugnis und Beteiligtenrolle verloren. Der Verlust der Beteiligtenstellung führt zum Verlust der Antragsbefugnis im PKH-Verfahren.
aa) Der Insolvenzverwalter wird mit Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung --InsO--) auf ihn bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes Beteiligter eines die Insolvenzmasse betreffenden anhängigen Rechtsstreits (BFH-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573) und kann ab diesem Zeitpunkt die einem Beteiligten zustehenden Verfahrensrechte wahrnehmen (BFH-Beschluss vom 23. Mai 2000 IX S 5/00, BFH/NV 2000, 1134).
bb) Die Prozessführungsbefugnis und Beteiligtenstellung des Insolvenzverwalters unter Ausschluss des Schuldners für die die Insolvenzmasse betreffenden Verfahren sind uneingeschränkt (Entscheidungen des BFH vom 10. Juni 1970 III R 128/67, BFHE 99, 348, BStBl II 1970, 665; in BFH/NV 2000, 1134; Senatsbeschluss vom 26. Juli 2004 X R 30/04, BFH/NV 2004, 1547). Selbst ein Widerspruch des Insolvenzschuldners gegen die Forderungsanmeldung eines Gläubigers --im Streitfall des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt)-- zur Insolvenztabelle kann nicht dazu führen, dass der Insolvenzschuldner wieder selbst als berechtigt anzusehen wäre, einen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit nach § 180 Abs. 2 InsO fortzuführen und zwar selbst dann nicht, wenn der Insolvenzschuldner im Prüfungstermin als einziger die Forderung bestreitet (BFH-Urteil in BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573). Wird der Schuldner in einem vom Insolvenzverwalter aufgenommenen Prozess tätig, so ist er durch Beschluss aus dem Prozess zu weisen, eine Aufnahmeerklärung des Insolvenzschuldners ist ohne Rechtswirkung (BFH-Urteil in BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573, m.w.N.).
cc) Aus dem Verlust der Beteiligtenstellung im Hauptverfahren ab der Insolvenzeröffnung folgt, dass der Antragsteller bei einem nach Insolvenzeröffnung gestellten PKH-Antrag nicht mehr antragsbefugt ist. Die Beteiligtenstellung im Hauptverfahren gehört zu den subjektiven Zulässigkeitsvoraussetzungen im PKH-Verfahren (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., 1. Teil, E I 2, Rz 40).
2. Der Senat ist nicht aufgrund einer Unterbrechung des Verfahrens (§ 155 FGO i.V.m. §§ 240, 249 ZPO) an einer Entscheidung gehindert. Eine Unterbrechung des PKH-Verfahrens ist im Streitfall nicht eingetreten.
Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird ein Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird (§ 240 Satz 1 ZPO).
Für die im Streitfall vorliegende Konstellation, dass der Insolvenzschuldner den PKH-Antrag erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anbringt, wird das PKH-Verfahren nicht unterbrochen (anders BFH-Beschluss vom 27. September 2006 IV S 11/05 (PKH), BFHE 214, 293, BStBl II 2007, 130 für einen vor Insolvenzeröffnung gestellten PKH-Antrag). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 240 Satz 1 ZPO sind für das vorliegende Verfahren nicht erfüllt, da das zu unterbrechende Verfahren im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits anhängig sein muss (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 240 Rz 4). Verfahren in diesem Sinne ist im Streitfall das erst nach Insolvenzeröffnung anhängig gewordene PKH-Verfahren als eigenständiges Nebenverfahren und nicht das bei Insolvenzeröffnung bereits anhängige Beschwerdeverfahren (das Hauptverfahren).
3. Dieser Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen
Haufe-Index 2005665 |
BFH/NV 2008, 1351 |