Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungsbescheid im NZB-Verfahren; Rügen im Zusammenhang mit Beweiswürdigung und Schätzung
Leitsatz (NV)
1. Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein Änderungsbescheid zu Lasten des Steuerpflichtigen wird er in entsprechender Anwendung des § 68 FGO Gegenstand des Beschwerdeverfahrens; die Vorentscheidung ist aber dann nicht entsprechend § 127 FGO aufzuheben, wenn der Bescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist.
2. Beweiswürdigung und Schätzung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und können deshalb grundsätzlich im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden; es können in diesem Verfahren jedoch Verfahrensfehler gerügt werden, die im Zusammenhang mit der Feststellung von Indiztatsachen begangen worden sind.
Normenkette
FGO §§ 68, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 127
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
I. Der Konkursverwalter hat das durch die Eröffnung des Konkursverfahrens unterbrochene Beschwerdeverfahren (§ 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) aufgenommen; es war deshalb fortzusetzen.
1. Die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) am 21. Juni 2004 erlassenen Änderungsbescheide sind in entsprechender Anwendung des § 68 FGO Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden (vgl. dazu u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 2003 II B 31/00, BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237). Sie sind den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) zwar ggf. erst nach dem Beschluss über die Einleitung eines Insolvenzeröffnungsverfahrens vom 22. Juni 2004 12.00 Uhr bekannt gegeben worden. Die Bescheide sind deshalb aber nicht unwirksam; das Insolvenzeröffnungsverfahren hat das Beschwerdeverfahren mangels eines allgemeinen Verfügungsverbots nicht unterbrochen (§ 240 Satz 2 ZPO und dazu u.a. Bundesarbeitsgericht --BAG--, Urteil vom 25. April 2001 5 AZR 360/99, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 532; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 63. Aufl., § 240 Rz. 3). Unterbrochen wurde das Beschwerdeverfahren erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. November 2004.
2. Die Sache war hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 21. Juni 2004 nicht an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen (zur entsprechenden Anwendung des § 127 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237, und vom 18. Januar 2005 VIII B 97/03, juris). Eine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthalten diese Änderungsbescheide nur hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1997. Diese Verböserung ist vom FG zwar noch nicht überprüft worden; sie berührt jedoch nicht die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
II. Die Revision war nicht zuzulassen.
1. Das FG musste den Beweisanträgen zur Vernehmung der ausländischen Zeugen nicht entsprechen. Es konnte verlangen, dass diese Zeugen vor dem Gericht persönlich erscheinen und dem Gericht vom Kläger zur Aussage gestellt werden (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 26. Februar 1992 I R 155/90, BFH/NV 1992, 581; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2000 VIII B 141/99, BFH/NV 2001, 463). Diese Entscheidung war --wie auch die Entscheidung, den Zeugen vom Hörensagen M zu diesem Beweisthema nicht zu vernehmen-- im Rahmen der Beweiswürdigung zu treffen, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist und deshalb im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden kann (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82, 83, m.w.N.).
Die Beweiswürdigung betrifft auch die Rüge, das FG habe zu Unrecht angenommen, der Kläger sei Inhaber der Nummernkonten. Das FG hat dies daraus geschlossen, dass keine Anhaltspunkte oder berücksichtigungsfähigen Beweismittel vorlagen, die eine gegenteilige Annahme nahe gelegt hätten. Die diesen Schluss rechtfertigenden Indizien sind nachvollziehbar, die Schlussfolgerung deshalb nicht objektiv willkürlich (zu dieser Voraussetzung einer Zulassung der Revision wegen schwerwiegender Fehler des FG vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Die dieser Sachverhaltswürdigung zugrunde liegende Annahme, dass derjenige, der im Besitz der Depotauszüge von Nummernkonten ist, auch deren Inhaber sei, ist kein Rechtssatz, sondern Teil der Beweiswürdigung und rechtfertigt schon deshalb die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht.
2. Das FG hat die seiner Beweiswürdigung zugrunde liegenden Indizien auch ohne Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze ermittelt.
a) Soweit es den auf den Depotauszügen angebrachten Vermerken keine Bedeutung zugemessen hat, beruht dies auf seiner materiell-rechtlichen Auffassung, dass solche Vermerke bei Nummernkonten nicht der Identifizierung des Depotinhabers dienten. Von dieser Auffassung ist bei der Beurteilung von Verfahrensfehlern auszugehen, mag sie richtig oder falsch sein (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 96, m.w.N.). Es kam deshalb für die Entscheidung im Streitfall weder darauf an, wer diese Vermerke angebracht hat, noch darauf, dass der Kläger keine Angaben zu den in diesen Vermerken genannten Gesellschaften machen konnte.
Das FG war nicht verpflichtet, die Kläger auf seine Beurteilung der Vermerke hinzuweisen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht i.S. des § 76 Abs. 2 FGO verlangen nicht, dass das Gericht die maßgeblichen Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet, soweit es sich um vertretbare rechtliche Gesichtspunkte handelt, die ein Verfahrensbeteiligter von sich aus in Betracht ziehen muss (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383, m.w.N.). So liegt der Fall hier.
b) Stand für das FG aufgrund der vertretbaren Würdigung des Sachverhalts fest, dass die Nummernkonten dem Kläger zuzurechnen waren, konnte es auch davon ausgehen, dass der Kläger seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Vorlage von Beweismitteln bei Vorgängen im Ausland (§ 90 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) nicht nachgekommen ist. Diese Verpflichtung zur Beweisvorsorge und Beweisbeschaffung begrenzt die Amtsermittlungspflicht des FG (vgl. dazu u.a. Klein/ Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 90 Rz. 10, m.w.N.). Das FG musste deshalb keine weiteren Ermittlungen zum Einkünftetatbestand anstellen und konnte das Vermögen und die Zinseinnahmen schätzen (§ 162 AO 1977). Dazu musste es kein Sachverständigengutachten einholen. Ob das FG die Höhe der Einnahmen zutreffend geschätzt hat, kann im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden; die dabei zu beachtenden Grundsätze sind revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. u.a. Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz. 31, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1403432 |
BFH/NV 2005, 1832 |