Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
1. Zur Begründung einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) gehört insbesondere die Darlegung, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die mit der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage umstritten oder aus anderen Gründen klärungsbedürftig ist.
2. Die schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erfordert, daß substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beschwerdeführer nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, daß bei Berücksichtigung des angeblich nicht beachteten Vortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre und inwieweit der Beschwerdeführer alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich das rechtliche Gehör vor dem FG zu verschaffen.
Normenkette
UStG 1980 § 24 Abs. 2 S. 1; FGO § 96 Abs. 1-2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 Sätze 1, 3, § 155; ZPO § 295 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb seit 1977 neben ihrer eigentlichen Tätigkeit als ... die Haltung und Verarbeitung von ... (Fischen). In sechs Behältern, die in einer eigens dafür gebauten Halle installiert waren, mästete sie ... (Fische), die sie später verarbeitete und verpackt veräußerte. Nachdem die Klägerin zunächst ausschließlich von Dritten bezogene Setzlinge mit einem Gewicht von ... bis ... g auf ein Schlachtgewicht von ca. ... g gemästet hatte, stellte sie aufgrund von Krankheitsbildungen ihre Mast ab 1984 um und mästete nunmehr nahezu ausschließlich von Dritten bezogene Satzfische mit einem Gewicht von ca. ... g. Diese Fische befanden sich bis zur Verarbeitung ca. 15 Tage lang in den Behältern der Klägerin. Daneben bezog die Klägerin ab 1984 in zunehmenden Maße tiefgefrorene ... (Fische), die sie lediglich räucherte und veräußerte. Seit 1990 liefert die Klägerin ausschließlich tiefgefrorene ... (Fische).
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (1984 bis 1989) nahm die Klägerin für ihre Umsätze aus dem Verkauf der ... (Fische) den Kürzungsbetrag nach § 24 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 in Anspruch.
Anläßlich einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, daß der Klägerin der Kürzungsbetrag nicht zusteht. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) folgte der Ansicht des Prüfers und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre durch Umsatzsteueränderungsbescheide entsprechend fest.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Klägerin habe ihre Umsätze in Gestalt der Veräußerung von ... (Fische) nicht im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt, da sie keine Teichwirtschaft unterhalten habe. Die von ihr verwendeten Zuchtbehälter aus ... würden nicht vom Begriff Teich umfaßt, weil bei ihnen die für einen Teich erforderliche Einbindung in die natürliche Umgebung nicht gewährleistet sei. Der Annahme eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes stehe darüber hinaus entgegen, daß die Klägerin überwiegend fremde Erzeugnisse gekauft und weiterveräußert habe, wozu auch die von ihr bezogenen Satzfische gehört hätten.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO zuzulassen.
1. Soweit die Klägerin die Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung stützt, genügt die Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, wonach in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Sache dargelegt werden muß.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. September 1989 II B 77/89, BFH/NV 1990, 513). Hierzu gehört insbesondere die Darlegung, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die mit der Beschwerde herausgestellten Rechtsfragen umstritten sind.
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin stellt in der Beschwerdeschrift vom 5. Dezember 1994 größtenteils lediglich dar, weshalb das Urteil des FG nach ihrer Ansicht fehlerhaft ist. Es fehlt die erforderliche Darlegung, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die mit der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage umstritten (vgl. dazu Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rz. 152 und 153) oder aus anderen Gründen klärungsbedürftig ist.
c) Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 12. Juni 1995 ist nicht zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde dürfen nur die innerhalb der -- nicht verlängerbaren (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291) -- Monatsfrist nach Zustellung der Vorentscheidung (§ 115 Ab. 3 Satz 1 FGO) vom Beschwerdeführer dargelegten oder bezeichneten Gründe beachtet werden. Nach Ablauf der Beschwerdefrist können nur Erläuterungen und Vervollständigungen von rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründen vorgebracht werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 55). Das setzt voraus, daß innerhalb der Beschwerdefrist den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt wird. Nicht bloß eine ergänzende Erläuterung von rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründen, sondern verspätetes Vorbringen liegt vor, wenn -- wie im Streitfall -- innerhalb der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lediglich behauptet wird, die erforderlichen Darlegungen aber erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791, und vom 14. Februar 1989 V B 72/87, BFH/NV 1990, 108, unter 5.). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist (§ 56 FGO) sind nicht ersichtlich.
2. Die Revision kann auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen werden. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn das FG in Anwendung derselben Rechtsnorm mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des BFH aufgestellten -- ebenfalls tragenden -- abstrakten Rechtssatz abweicht (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 63).
Das angefochtene Urteil weicht nicht von der durch die Klägerin zitierten Entscheidung des BFH zur Aufzucht von Fischen als landwirtschaftlicher Betrieb ab (BFH- Urteil vom 13. März 1987 V R 55/77, BFHE 149, 288, BStBl II 1987, 467). Das FG hat das BFH-Urteil zitiert und dessen Rechtsgrundsatz als Obersatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat in Anwendung dieser Rechtsprechung im Streitfall das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs verneint. Der von der Klägerin hervorgehobene Rechtssatz des BFH-Urteils, bei der Fischzucht für die Teichwirtschaft komme es nicht darauf an, ob Fische in künstlichen Behältern oder Teichen bzw. Weihern gehalten werden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin zu verstehen, daß der BFH auch die Fischzucht in künstlichen Behältern als Teichwirtschaft habe beurteilen wollen. Der vorgenannte Rechtssatz bezieht sich nicht auf die Voraussetzungen für eine -- im Streitfall umstrittene -- Teichwirtschaft, sondern für die im Streitfall nicht in Frage kommende Fischzucht für die Teichwirtschaft, die nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 ebenfalls als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gilt.
Die Klägerin folgert zudem aus Ausführungen des BFH im vorgenannten Urteil -- unter 2. a: "Wenn auch unter Teichwirtschaft in erster Linie die planmäßige Erzeugung von Speisefischen in Teichen zu verstehen ist, so umfaßt sie darüber hinaus die Produktion von Fischen als Futtermittel für die in denselben Teichen gezüchteten Speise fische." -- zu Unrecht, der BFH gehe auch dann von Teichwirtschaft aus, wenn Fische in künstlichen Behältern gezüchtet werden. Aus der vorstehend wiedergegebenen Aussage des BFH ergibt sich jedoch lediglich, daß sowohl die "Erzeugung von Speisefischen" in Teichen als auch die "Produktion von Fischen" als Futtermittel für die Aufzucht solcher Speisefische unter den Begriff der Teichwirtschaft fallen.
Hierzu steht das Urteil des FG nicht in Widerspruch. Für den von der Klägerin gezogenen Schluß aus der Verwendung der Worte "in erster Linie" ergeben sich keine entsprechenden Anhaltspunkte. Ob der von der Klägerin hervorgehobene Rechtssatz des FG, Teichwirtschaft sei nur gegeben, wenn die Fischzucht in Teichen betrieben werde, wobei Zuchtbehälter aus Stahl vom Begriff des Teiches nicht erfaßt seien, vom BFH im vorgenannten Urteil ausdrücklich bestätigt wurde, ist für die Frage, ob Divergenz vorliegt, unerheblich. Erforderlich ist eine -- im Streitfall nicht vorliegende -- Abweichung der beiden Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtssätze voneinander.
Mit dem Vortrag, die angefochtene Entscheidung weiche von der Richtlinie für die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BewRL) ab, macht die Klägerin weder Divergenzgründe geltend, noch legt sie das Vorhandensein eines anderen Zulassungsgrundes dar. Sie vertritt damit lediglich die Auffassung, die Entscheidung sei materiell-rechtlich fehlerhaft.
3. Die Klägerin kann die Zulassung der Revision auch nicht wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) erreichen.
a) Die Klägerin macht geltend, das FG habe ihr kein rechtliches Gehör gewährt, weil aufgrund der großen Eile des Gerichts es ihr nicht möglich gewesen sei, dem FG in der Form schriftlicher Auseinandersetzungen mit dem Beklagten eine bessere Entscheidungsgrundlage zu verschaffen.
Die Klägerin hat damit nicht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) schlüssig gerügt.
Zur schlüssigen Geltendmachung einer solchen Rüge gehört, daß substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Außerdem muß dargelegt werden, daß bei Berücksichtigung des angeblich nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Ferner hatte die Klägerin vorzutragen, inwieweit sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich das rechtliche Gehör vor dem FG zu verschaffen (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397; Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Anm. 13 m. w. N.). An derartigen substantiierten Darlegungen fehlt es hier.
b) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe den Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt und die beantragte Anhörung eines Sachverständigen zu Unrecht nicht durchgeführt, hätte sie zur Bezeichnung des Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO auch vortragen müssen, daß nicht etwa ein Verzicht auf Beweiserhebung oder ein Verlust des Rügerechts durch Unterlassung rechtzeitiger Rüge i. S. des § 155 FGO i. V. m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung vorliegt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 1992 V B 35/92, BFH/NV 1993, 308; vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397 -- zur Rüge der unterlassenen Zeugenvernehmung --; zu § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO Senatsurteil vom 29. September 1988 V R 53/83, BFHE 154, 395, BStBl II 1988, 1022). An einem solchen Vortrag fehlt es.
Überdies legt die Klägerin nicht -- wie von der ständigen Rechtsprechung des BFH gefordert (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66) -- dar, was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre und inwiefern das Urteil des FG -- ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts -- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann.
c) Für die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe seinem Urteil nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt und damit gegen § 96 FGO verstoßen, gelten die Ausführungen unter 3. b entsprechend.
4. Soweit die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe materielles Recht verletzt, macht sie damit keinen Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 FGO geltend.
Fundstellen