Entscheidungsstichwort (Thema)
Truppenzollgutverwendung der sowjetischen Streitkräfte
Leitsatz (NV)
1. Inhalt der begünstigenden Norm für die eingangsabgabenfreie Truppenzollgutverwendung der sowjetischen Streitkräfte.
2. Die Beachtung des Barzahlungsverbots kann nicht als Voraussetzung der Bedingung der Eingangsabgabenfreiheit für Lieferungen im Rahmen der Truppenzollgutverwendung der sowjetischen Streitkräfte angesehen werden. Auch für bar bezahlte Lieferungen kommt die Eingangsabgabenfreiheit in Betracht.
3. Das Beschwerdegericht ist auch im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung zur Zurückverweisung an das FG befugt.
Normenkette
AnO-DDR vom 29. August 1990 § 3 Abs. 2; Aufenthalts- und Abzugsvertrag Art. 16 Abs. 2, 12; Aufenthalts- und Abzugsvertrag Anl. 3 Abschn. I; ZG § 55 Abs. 1; UStG § 21 Abs. 2; FGO § 132
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin, ein Handelsunternehmen in Berlin (West), ließ in der Zeit vom Dezember 1990 bis Februar 1991 bei dem Antragsgegner und Beschwerdeführer, einem Hauptzollamt (HZA) im Beitrittsgebiet, Drittlandswaren (Videorecorder, Farbfernsehgeräte, Camcorder) aus besonderen Zollverkehren zur bleibenden Zollgutverwendung zur Verteilung an die sowjetischen Streitkräfte abfertigen. Nachdem festgestellt worden war, daß die Antragstellerin für diese Lieferungen Barzahlungen erhalten hatte, setzte das HZA im Hinblick auf § 3 Abs. 2 der Anordnung (AnO) zur Zoll- und Verbrauchsteuerentlastung von Waren, die an die Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR geliefert werden, vom 29. August 1990 (Gesetzblatt der DDR - GBlDDR - I 1990, 1608) - Unzulässigkeit von Barzahlungen - gegen die Antragstellerin Eingangsabgaben fest. Die Antragstellerin legte hiergegen Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist, und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung, die das HZA ablehnte. Ihrem beim Bezirksgericht (BezG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde durch Vollziehungsaussetzung bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung entsprochen, im wesentlichen mit der Begründung, gegen die Fortgeltung von § 3 Abs. 2 AnO beständigen Bedenken. Diese ergäben sich aus den maßgebenden Vorschriften des Aufenthalts- und Abzugs-Vertrages (AAV) vom 12. Oktober 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (BGBl II 1991, 258).
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des HZA. Dieses wendet sich gegen die Auffassung der Vorinstanz, § 3 Abs. 2 AnO sei durch den AAV verdrängt worden. Die als Bundesrecht fortgeltende Vorschrift mache, entsprechend truppenzollrechtlichen Grundsätzen, die Abgabenbefreiung zusätzlich von dem Nachweis der Herkunft der Zahlungsmittel abhängig. Der AAV treffe keine entgegengesetzte Regelung. Die einschlägigen Vorschriften sähen vielmehr vor, daß der Lieferer die Voraussetzungen der Abgabenbefreiung buchmäßig nachzuweisen habe, was bei Barzahlungen nicht möglich sei. Einen buchmäßigen Nachweis habe die Antragstellerin im übrigen weder geführt noch angeboten. Es lägen keine ordnungsgemäßen Abwicklungsscheine und auch keine Beschaffungsverträge vor. Die vorliegenden sechs Abwicklungsscheine entsprächen nicht den Anforderungen.
Die Antragstellerin führt u.a. aus, auch Barzahlungen seien buchmäßig nachweisbar. Beschaffungsverträge seien, wenn auch nicht in Schriftform, geschlossen worden, wie sich aus den Abwicklungsscheinen ergebe. Begünstigt seien Lieferungen an die sowjetischen Truppen schlechthin. Eine Beschränkung auf bestimmte amtliche Beschaffungsstellen sei erst später und im übrigen ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Die Verfahrensweise bei den Lieferungen sei mit dem HZA abgesprochen, die entsprechende Abwicklung jeweils von einem Zollbeamten beaufsichtigt worden (Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung des Angestellten U).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Zwar ist der rechtlichen Würdigung durch das BezG im Ergebnis beizutreten, doch sind im Beschwerdeverfahren neue Gesichtspunkte vorgetragen worden, die eine weitere - zweckmäßigerweise durch die Vorinstanz vorzunehmende - Beurteilung erforderlich machen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 1 Satz 2 FGO; Gräber/Ruban, FGO, 2. Aufl. 1987, § 132 Anm. 4). Die Antragstellerin hat zwar die Durchführung einer mündlichen Verhandung beantragt, doch erscheint eine solche nicht veranlaßt.
1. Im Ergebnis richtig hat das BezG entschieden, daß ernstlich zweifelhaft ist, ob ein Verstoß gegen das (zur Verhinderung von Mißbräuchen aufgestellte) Barzahlungsverbot nach § 3 Abs. 2 AnO die hier in Betracht kommenden Abgabenbefreiungen ausschließt. Diese Befreiungen ergeben sich aus den einschlägigen Vorschriften des AAV, der schon vor seiner Unterzeichnung vorläufig in Kraft gesetzt worden war (Verordnung vom 28. September 1990, BGBl II 1990, 1254). Art. 16 Abs. 2 und 12 i.V.m. Anlage 3 Abschn. I Abs. 2 AAV sieht Eingangsabgabenfreiheit für Waren vor, die sich in ... einem besonderen Zollverkehr befinden und zur Verwendung durch die sowjetischen Truppen sowie ihrer Mitglieder und deren Familienangehörige aufgrund von Verträgen geliefert werden, die eine amtliche Beschaffungsstelle der sowjetischen Truppen mit im Aufenthaltsgebiet (Art. 1 Nr. 4 AAV) ansässigen Personen geschlossen hat; das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vom Lieferer durch eine besondere Bescheinigung der sowjetischen Truppen (Abwicklungsschein) nachzuweisen. Maßgebend ist ferner die AnO, die nach Art. 3 Nr. 15 der Vereinbarung vom 18. September 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrages (BGBl II 1990, 1239) nach Wirksamwerden des Beitritts in Kraft geblieben ist.
Nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres anwendbar erscheint im Streitfall die Abgabenbefreiung nach zwischenstaatlichem Recht (Art. 16 Abs. 2 AAV). Sie gilt für Lieferungen durch Personen im Aufenthaltsgebiet, also nicht für solche durch Unternehmen in Berlin (West). Der Begriff Aufenthaltsgebiet soll zwar nach einer Dienstanweisung des Bundesministers der Finanzen - BMF - (Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung - VSF - Z 6701 Abs. 1) insoweit im Sinne von Bundesrepublik Deutschland verstanden werden. Anweisungen, die - wie diese - norminterpretierenden oder normkonkretisierenden Charakter haben, äußern jedoch keine Außenwirkung und vermögen die Gerichte nicht zu binden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., AO § 4 Tz. 36 m.N.); sie erzeugen keine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung. Die Abgabenbefreiung nach Art. 16 Abs. 2 AAV greift nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift bei Lieferungen von außerhalb des Aufenthaltsgebiets nicht ein (anders womöglich Ehmcke in Bail/ Schädel/Hutter, Zollrecht, D IV Rz. 8). In Betracht kommt insoweit aber § 1 Abs. 1 AnO, der keine entsprechende Beschränkung vorsieht, und erst in Verbindung mit dieser Vorschrift die - später geregelte - Abgabenbefreiung nach zwischenstaatlichem Recht. Die AnO trifft im übrigen auch Bestimmungen über das einzuschlagende Zollverfahren (Truppenverwendung, Zollgutverwendung; § 3 Abs. 3, § 4, § 9, maßgebend auch hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer, § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes), die weder in einer sonstigen innerstaatlichen Rechtsvorschrift noch im Vertragsrecht (AAV) enthalten sind. Truppenzollgesetz und Truppenzollordnung sind in bezug auf die sowjetischen Truppen nicht anwendbar (Ehmcke, a.a.O., Rz. 6).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage kann sich die - vom BezG bejahte - Frage, ob, bezogen auf Lieferungen durch nicht im Aufenthaltsgebiet ansässige Personen, das innerstaatliche Barzahlungsverbot durch die Vorschriften des AAV verdrängt worden ist, nicht stellen. Ist nämlich davon auszugehen, daß die Abgabenbefreiung für entsprechende Lieferungen ihre Grundlage - zunächst - im innerstaatlichen Recht findet, so gilt auch, daß diese ohne vertragsrechtliche Verpflichtung gewährte Vergünstigung nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgestaltet, also auch von Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann, die das Vertragsrecht (hinsichtlich der Lieferungen aus dem Aufenthaltsgebiet) etwa nicht kennt. Gemeinschaftsrecht steht der - auch einseitigen - Einräumung truppenzollrechtlicher Vergünstigungen des innerstaatlichen Rechts nicht entgegen (Art. 136 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 105/1).
Es bestehen indessen zumindest Zweifel, ob das Barzahlungsverbot Bestandteil der begünstigenden Norm für das hier in Betracht kommende Zollverfahren der (bleibenden) Zollgutverwendung ist. Eine verwendungsrechtliche Begünstigungsvorschrift kennzeichnet sich dadurch, daß nach ihr die Zollvergünstigung von einer zollamtlich zu überwachenden Verwendung abhängig ist (§ 55 Abs. 1 des Zollgesetzes - ZG - bzw. § 45 Abs. 2 ZG-DDR vom 22. Juni 1990, GBlDDR I 1990, 451; Senat, Urteil vom 2. September 1986 VII R 125/83, BFHE 147, 559, 563). Abhängig ist die hier zu beurteilende Abgabenbefreiung jedoch - nur - von den in § 2 Satz 1 AnO bezeichneten Voraussetzungen. Die Zahlungsweise stellt sich nicht als eine Modalität der Verwendung des Zollguts dar. Es ist auch nicht oder zumindest nicht hinreichend deutlich ersichtlich, daß es sich hierbei um eine Voraussetzung (ggf. Bedingung) der Abgabenbefreiung handelt. Der Umstand, daß im Abwicklungsschein (§ 2 Satz 2, § 9 Satz 2 AnO) die unbare Zahlung zu bestätigen ist, reicht nicht aus, sie in diesem Sinne zu verstehen. Wesentlich näher liegt es, eine an die Beteiligten des Liefergeschäfts gerichtete reine Sollvorschrift anzunehmen, wobei - soweit die Streitkräfte angesprochen sind - eine entsprechende Vereinbarung vorauszusetzen ist, wie sie später in Art. 3 Abs. 1 des Verwaltungsabkommens vom 25. November 1991 zwischen dem BMF und dem sowjetischen Truppenkommando über Zoll- und Steuervergünstigungen der sowjetischen Truppen (VSF Z 6604) getroffen worden ist. Jedenfalls unterscheidet sich die hier vorliegende Regelung von derjenigen in Art. 67 Abs. 3 lit.a, i des NATO-Zusatzabkommens (Abhängigkeit der Abgabenvergünstigung von der Entrichtung des Entgelts in der Währung des Entsendestaates). Die von der Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. März 1974 V R 144/69, BFHE 112, 88, 92, BStBl II 1974, 437; Beschluß vom 19. Juli 1990 V B 136/88, BFH/NV 1991, 778, 779 a.E.) hierzu entwickelten Grundsätze - Erfordernis der unbaren Zahlung - sind somit entgegen der Ansicht des HZA nicht einschlägig.
Aus den gleichen Gründen läßt sich auch das Gebot des buchmäßigen Nachweises durch den Lieferer (Anlage 3 Abschn. I Abs. 2 AAV; vgl. auch § 11 Abs. 1 AnO) nicht als Bestandteil der begünstigenden Vorschrift auffassen. Im übrigen ist nicht erkennbar, aus welchem Grunde Barzahlungen nicht buchmäßig erfaßbar sein sollten.
2. Ergibt sich somit, daß der vom HZA bisher herangezogene rechtliche Gesichtspunkt - Verstoß gegen das Barzahlungsverbot - bei summarischer Beurteilung die Abgabenfestsetzung nicht zu rechtfertigen vermag, so bleibt gleichwohl offen, ob an ihrer Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel bestehen. Das HZA hat im Beschwerdeverfahren - zulässigerweise - neue Gründe angeführt, die die Abgabenfestsetzung stützen könnten. In diesem Zusammenhang bedarf es für die Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfung der hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Antragstellerin. Insbesondere kommt es darauf an, ob trotz der Mängel der Abwicklungsscheine unter Berücksichtigung der vorgetragenen besonderen Umstände davon ausgegangen werden kann, daß die Lieferungen aufgrund von Verträgen mit (seinerzeit noch nicht näher bestimmten) amtlichen Beschaffungsstellen der sowjetischen Truppen erfolgt sind.
Da diese Prüfung im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegt, hält es der Senat für angebracht, sie der Vorinstanz zu überlassen, und von der auch im Beschwerdeverfahren wegen Aussetzung der Vollziehung gegebenen Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch zu machen (hierzu Senat, Beschluß vom 8. Juli 1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657).
Fundstellen