Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme des Verfahrens
Leitsatz (NV)
Zur Besetzungsrüge als Wiederaufnahmegrund für eine Nichtigkeitsklage bei einem nicht überbesetzten Senat.
Normenkette
FGO § 134; ZPO §§ 578-579, 589
Tatbestand
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die unter dem Aktenzeichen I R ... geführte Revision der Klägerin wegen Einkommensteuer 1990 mit Beschluß vom 19. Juli 1995 gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluß wurde am 6. September 1995 mit Einschreiben zur Post gegeben.
Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1995 beantragte die Klägerin das Wiederaufnahmeverfahren, weil bei Ergehen des Beschlusses das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei. Die Klägerin erklärte, die Begründung bis zum 4. Januar 1996 nachreichen zu wollen. Sie beantragte, das Verfahren bis zur Entscheidung des Plenums des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in dem Verfahren 1 BvR 1644/94 auszusetzen. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 teilte der Vorsitzende des I. Senats dem Bevollmächtigten der Klägerin mit, der I. Senat sei nur mit fünf Berufsrichtern besetzt, so daß nicht erkennbar sei, worin die unvorschriftsmäßige Besetzung liegen solle. Deshalb bestehe die Absicht, alsbald über den Antrag zu entscheiden und die Plenumsentscheidung des BVerfG nicht abzuwarten.
Entscheidungsgründe
Die Zuständigkeit für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist mit Wirkung ab dem 1. Januar 1996 auf den VI. Senat übergegangen, weil der I. Senat seitdem nur noch für die Einkommensteuer betreffend die Tarifvorschrift gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und nicht mehr -- wie zuvor -- für § 32 b EStG insgesamt zuständig ist. Nach der unter A IV. 1. des Geschäftsverteilungsplans 1996 (BStBl II 1996, 43 ff., 46) getroffenen Regelung gehen anhängige Streitsachen von dem bisher zuständigen Senat auf den aufgrund der Änderung des Geschäftsverteilungsplans neu zuständig gewordenen Senat in der Verfahrenslage über, in der sie sich befinden.
Die Klage ist unzulässig und deshalb gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 589 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu verwerfen.
Die statthafte und fristgemäß erhobene Klage ist unzulässig, weil der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig dargelegt worden ist (§§ 578, 579, 589 ZPO i. V. m. § 134 FGO). Die schlüssige Behauptung eines nach §§ 579, 580 ZPO erheblichen Wiederaufnahmegrundes gehört zur Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, m. w. N.).
Die Nichtigkeitsklage kann gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erhoben werden, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen ist. Die Klägerin hat eine nichtvorschriftsmäßige Besetzung bei der Beschlußfassung zwar pauschal behauptet; sie hat jedoch keine Tatsachen oder sonstigen Umstände vorgetragen, die diesen Wiederaufnahmegrund ergeben könnten.
Tatsächlich ist der Beschluß des I. Senats vom 19. Juli 1995 I R ... in der dafür vorgesehenen Besetzung (vgl. Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG) von fünf Richtern ergangen. Der I. Senat war im Jahr 1995 mit nur fünf Richtern besetzt (vgl. Geschäftsverteilungsplan 1995 unter B I. Senat, BStBl II 1995, 157 ff., 161).
Fundstellen
Haufe-Index 421335 |
BFH/NV 1996, 690 |