Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Begriff "Sonderfahrzeug"
Leitsatz (NV)
1. Zum Begriff "Sonderfahrzeug" im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinn.
2. "Sonderfahrzeuge" (1.) sind ausschließlich Fahrzeuge, die sich objektiv nur für den begünstigten land- und forstwirtschaftlichen Zweck eigenen. Fahrzeuge, die für den Transport lebender Fische in Betracht kommen, sind im Hinblick auf die Möglichkeit einer Nutzung für gewerbliche Zwecke keine Sonderfahrzeuge.
Normenkette
KraftStG 1979/1994 § 3 Nr. 7
Tatbestand
Der Antrag des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger), der ein Unternehmen der Binnenfischerei betreibt, ihn für das Halten zweier für ihn zugelassener Nutzfahrzeuge -- Lastkraftwagen und Anhänger mit offenen Ladeflächen und auf diesen fest aufmontierten Fischtransportbehältern -- gemäß § 3 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien, wurde von dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) mit der Begründung abgelehnt, daß es sich nicht um "Sonderfahrzeuge" handele. Die (Anfechtungs- und Verpflichtungs-)Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die -- rein wörtliche -- Auslegung des Begriffs "Sonderfahrzeuge" werde den Besonderheiten des Falles nicht gerecht. Maßgebend sei, daß es hier an einer wirtschaftlichen Eignung für gewerbliche Zwecke fehle. Die Fahrzeuge des Klägers seien lediglich für den Transport lebender Fische geeignet. Ohne Bedeutung sei, daß der Lastkraftwagen verkehrsrechtlich nicht als landwirtschaftliches Sonderfahrzeug anerkannt sei.
Gegenüber diesem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 184 veröffentlichten Urteil bringt das FA in seiner Revision vor, die "ökonomische Eignung" sei kein geeignetes Abgrenzungskriterium; sie könne lediglich als Anhaltspunkt bei der Anerkennung eines Fahrzeugs als land- oder forstwirtschaftliches Sonderfahrzeug angesehen werden. Entscheidend komme es auf die objektive Eignung an. Sinnvoll-praktisch könnten die Fahrzeuge aber auch von einem gewerblichen Fischhandels- oder -zuchtbetrieb verwendet werden. Ihnen könnte die spezifische Eignung und Bestimmung von landwirtschaftlichen Sonderfahrzeugen nicht zuerkannt werden.
Der Kläger hält die Vorentscheidung für zutreffend und meint, nach der Verkehrsauffassung und aus der Sicht eines Gewerbetreibenden seien die Fahrzeuge praktisch nicht für gewerbliche, sondern nur für die eines Fischereibetriebs verwendbar.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat die Fahrzeuge des Klägers nach ihrer festgestellten Beschaffenheit unter Zugrundelegung eines nach Ansicht des Senats nicht zutreffenden rechtlichen Maßstabs als "Sonderfahrzeuge" beurteilt und die Steuerbefreiungsvoraussetzungen für vorliegend erachtet. Die rechtliche Prüfung ergibt, daß Sonderfahrzeuge nicht vorliegen, mit der Folge, daß die angefochtenen Bescheide zu bestätigen sind.
1. Kraftfahrzeugsteuerfrei ist nach § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG 1979 (jetzt: 1994) das Halten bestimmter Fahrzeuge -- darunter "Sonderfahrzeuge" -- bei ausschließlicher Verwendung in landwirtschaftlichen ... Betrieben; zu diesen rechnen auch Betriebe der Fischzucht und der Binnenfischerei (vgl. Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuerrecht, 3. Aufl. 1981, S. 199). Als Sonderfahrzeuge gelten nach der gesetzlichen Definition (§ 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG 1979) Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen nur für die (in Satz 1 a. a. O.) bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind; Fahrzeuge, die auch für andere Nutzungszwecke geeignet -- tauglich, brauchbar -- sind, stellen keine Sonderfahrzeuge dar (Senat, Urteil vom 5. Oktober 1993 VII R 43/93, BFH/NV 1994, 577 m. N.). Auf die verkehrsrechtliche Bewertung kommt es nicht an. Fahrzeuge, die verkehrsrechtlich als Sonderfahrzeuge anerkannt sind, sind nicht notwendig Sonderfahrzeuge im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne (Senat, a. a. O.); in den Fahrzeugpapieren nicht als (landwirtschaftliche) Sonderfahrzeuge ausgewiesene Fahrzeuge sind, wie das FG richtig erkannt hat, bei Vorliegen der Voraussetzungen Sonderfahrzeuge i. S. von § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG 1979. Die Fahrzeuge des Klägers können jedoch nicht als nach § 3 Nr. 7 KraftStG 1979 steuerlich begünstigt angesehen werden; sie sind insbesondere keine Sonderfahrzeuge.
2. Der Lastkraftwagen des Klägers ist keine kraftfahrzeugsteuerrechtlich begünstigte Zugmaschine (zum Begriff Senat, Urteil vom 30. November 1993 VII R 49/93, BFH/NV 1994, 741). Der Lastkraftwagen ist aber auch kein Sonderfahrzeug (ebenso -- für Fischtransportwagen, unter Hinweis auf eine entsprechende Verwaltungsentscheidung -- Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, 1994, KraftStG § 3 Rz. 80 f.), weil er nach seiner Beschaffenheit nicht nur für die Verwendung in einem landwirtschaftlichen Betrieb, sondern auch für eine andere (gewerbliche) Nutzung geeignet ist. Hiervon scheint -- unter Zugrundelegung nur des Gesetzeswortlauts -- auch die Vorinstanz auszugehen. Das FG meint jedoch, es liege ein "angesichts des Normzwecks überschießender Wortlaut" vor; bei der gebotenen zweckorientierten Auslegung komme es darauf an, ob das Fahrzeug "zur Erreichung des angestrebten Gesetzeszwecks tauglich" sei; von der Begünstigung ausgenommen sei "nur das Wirtschaftsgut, das genauso gut oder gleichermaßen gewerblich eingesetzt werden" könne. Dem ist nicht zu folgen. Die sogenannte teleologische Reduktion, die das FG anspricht, setzt, ebenso wie die teleologische Extension, eine Divergenz zwischen Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck voraus; beide Verfahren ermöglichen Abweichungen vom Gesetz durch gedankliches Hinzufügen einer Einschränkung -- Reduktion -- oder einer Erweiterung (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., Abgabenordnung § 4 Tz. 133 m. N.; Senat, Urteil vom 7. März 1995 VII R 84/94, BFHE 177, 189, BStBl II 1995, 557). Eine solche Divergenz besteht hier nicht. Der Zweck des Gesetzes hat in dessen Wortlaut Ausdruck gefunden; als Sonderfahrzeug sollen ausschließlich Fahrzeuge gelten, die sich objektiv nur für den begünstigten Zweck eignen, ohne daß die gewollt enge Begrenzung auf Fahrzeuge zurückgeführt werden dürfte, bei denen eine anderweitige "sinnvoll-praktische" Verwendung ausgeschlossen erscheint (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Oktober 1984 II R 156/81, BFHE 143, 147, 149 ff., BStBl II 1985, 313, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; vgl. auch Urteile vom 19. September 1984 II R 139/82, BFHE 142, 181, 183, BStBl II 1985, 108, vom 24. Januar 1973 II R 2/72, BFHE 109, 282 f., BStBl II 1973, 599, und vom 20. März 1974 II R 76/73, BFHE 112, 419 f., BStBl II 1974, 589, alle zur gleichlautenden Vorgängervorschrift in § 2 Nr. 6 Satz 2 KraftStG 1972; siehe ferner Egly/Mößlang, a. a. O., S. 192). Die zweckorientierte Auslegung gestattet es lediglich, Fahrzeugnutzungen außer Betracht zu lassen, die angesichts der Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs entgegen seiner vorgegebenen Bestimmung und eigentlichen Eignung völlig zweckfremd erscheinen müßten (BFHE 112, 419, 420 a. E.; Egly/Mößlang, a. a. O., S. 193; weitergehend nur für die hier nicht einschlägige Ausnahmevorschrift in § 2 Nr. 6 Buchst. d KraftStG 1972 = § 3 Nr. 7 Buchst. d KraftStG 1979 BFH, Urteil vom 17. Januar 1973 II R 53/68, BFHE 109, 78, BStBl II 1973, 461).
In Anwendung dieses nach Ansicht des Senats zutreffenden rechtlichen Maßstabs kann der Lastkraftwagen des Klägers nicht als Sonderfahrzeug gelten. Er ist, wie das FG selbst festgestellt hat, ebenso wie der Anhänger mit seinen Behältern für den Transport lebender Fische geeignet. Die Möglichkeit einer entsprechenden Nutzung -- auch -- für gewerbliche Zwecke ist mithin gegeben. Ob von einer solchen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird oder ob sie -- aus welchen Gründen auch immer -- eher fern liegt (insbesondere am Ort der Zulassung), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Völlig aus dem Rahmen fallend wäre eine solche Verwendung jedenfalls nicht.
3. Auch der Anhänger ist kein Sonderfahrzeug. Zwar können auch Anhänger Sonderfahrzeuge sein (BFH/NV 1994, 577), doch treffen auf den Anhänger des Klägers dieselben Gesichtspunkte zu wie auf den Lastkraftwagen (vorstehend Nr. 2). Nach ihnen kann auch der Anhänger mit seiner festgestellten Beschaffenheit nicht als Sonderfahrzeug beurteilt werden. Da er auch nicht hinter einem Zugfahrzeug oder einem Sonderfahrzeug geführt wird (vgl. § 3 Nr. 7 KraftStG 1979), ist sein Halten gleichfalls nicht kraftfahrzeugsteuerfrei.
Fundstellen
Haufe-Index 420787 |
BFH/NV 1996, 76 |