Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Haben Ehegatten einwandfrei ein Gesellschaftsverhältnis vereinbart, ohne das in der Buchführung klar zum Ausdruck zu bringen, so kann das gegen die Ernsthaftigkeit des Gesellschaftsvertrags sprechen, sofern nicht die Ehegatten innerhalb einer vom Finanzamt zu bestimmenden angemessenen Frist eine einwandfreie buchmäßige Darstellung nachholen.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Die Bgin., eine OHG, ist durch Umwandlung aus dem Einzelunternehmen des Kaufmanns A entstanden. An dem Gewinn der OHG sind nach dem privatschriftlichen Gesellschaftsvertrag vom 23. Februar 1951 der Ehemann A mit 60 v. H., die Ehefrau mit 30 v. H. und die Tochter mit 10 v. H. beteiligt. Der Vertrag wurde im Jahre 1951 dem Finanzamt vorgelegt, das daraufhin ab 1951 einheitliche Gewinnfeststellungen vornahm und 90 v. H. des Gewinns den Eheleuten A gemeinsam und 10 v. H. der Tochter zurechnete. Das Finanzamt lehnte den Antrag der Eheleute, den Gewinnanteil für jeden von ihnen gesondert festzustellen, ab, weil der Gesellschaftsvertrag vom 23. Februar 1951 nicht wie vereinbart durchgeführt worden sei; in der Buchführung sei nicht für jeden Ehegatten getrennt ein Kapital- und Entnahmekonto geführt worden; es habe vielmehr nur ein gemeinsames Kapital- und Privatentnahmekonto "R. und H. A." bestanden.
Auf die Sprungberufung stellte das Finanzgericht antragsgemäß die Gewinnanteile getrennt mit 60 v. H. für den Ehemann und mit 30 v. H. für die Ehefrau fest. Es führte zur Begründung aus: Der Gesellschaftsvertrag sei ernsthaft geschlossen worden: beide Ehegatten seien seit 1951 als persönlich haftende Gesellschafter im Handelsregister eingetragen: sie seien auch Geschäftsführer; jeder von ihnen könne allein die Firma vertreten. Die Ernsthaftigkeit der Gesellschaft könne nicht, wie das Finanzamt wolle, allein wegen des Fehlens getrennter Kapital- und Privatkonten verneint werden. Die Buchführung könne wohl bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit im Einzelfall von Bedeutung sein, insbesondere wenn bereits andere Tatsachen die Ernsthaftigkeit des Gesellschaftsvertrags zweifelhaft erscheinen ließen. Davon könne aber im Streitfall nicht die Rede sein. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 294/53 U vom 30. September 1954 (BStBl 1954 III S. 344, Slg. Bd. 59 S. 345) ergebe sich, daß es der steuerlichen Anerkennung von Gesellschaftsverhältnissen zwischen nahen Familienangehörigen nicht entgegenstehe, daß nur ein einziges Kapital- und Entnahmekonto geführt worden sei. Das von den Ehegatten für 1952 vorgelegte Entnahmekonto sei nach bestimmten Gruppen aufgeteilt und lasse diese einwandfrei erkennen, so daß die jeden der beiden Ehegatten betreffenden Entnahmen festgestellt werden könnten. Eine Ausnahme mache nur der für den gemeinsamen Haushalt verbrauchte Betrag von rd. 11.000 DM.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß Gesellschaftsverhältnisse zwischen Ehegatten, sofern sie ernsthaft vereinbart und durchgeführt werden, auch steuerlich zu beachten sind (Urteil des Senats I 116/58 U vom 26. August 1958, BStBl 1958 III S. 445, Slg. Bd. 67 S. 450). Ob ein Gesellschaftsverhältnis ernsthaft geschlossen und durchgeführt ist, muß im einzelnen Fall unter Berücksichtigung aller Umstände festgestellt werden; bei dieser Entscheidung kann nicht nur ein Gesichtspunkt allein ausschlaggebend sein. Die Feststellung und Würdigung der für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit insgesamt bedeutsamen Tatsachen obliegt grundsätzlich dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz. Der Bundesfinanzhof ist an die Würdigung des Finanzgerichts gebunden, soweit diesem keine Verfahrensverstöße unterlaufen sind, es alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände in die Würdigung einbezogen hat und das Ergebnis der Würdigung nicht offensichtlich der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht.
Im Streitfall hat das Finanzgericht aus der Entstehungsgeschichte des Vertrags, seinem Inhalt und seiner Durchführung, vor allem aber auch aus der Tatsache, daß der Vertrag im Jahre 1951 offenbar ohne jedes steuerliche Ziel geschlossen und dem Finanzamt vorgelegt wurde, die Ernsthaftigkeit gefolgert. Der unzureichenden Darstellung des Gesellschaftsverhältnisses in der Buchführung hat es demgegenüber keine Bedeutung beigemessen. Der Vorsteher des Finanzamts betont gerade diesen Gesichtspunkt bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit des Vertrags besonders und beruft sich zur Stützung seiner Auffassung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 294/53 U a. a. O. Dort ging es indessen um eine andere Frage. Streitig war damals nämlich, ob und inwieweit die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung dadurch berührt würde, daß die Kapital- und Entnahmekonten haushaltszugehöriger Verwandter nicht klar getrennt waren; die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ihrerseits war Voraussetzung für die Gewährung von steuerlichen Sondervergünstigungen. Im vorliegenden Fall ist nicht streitig, ob die Buchführung der Bgin. infolge des vom Finanzamt gerügten Mangels noch als ordnungsmäßig anerkannt werden kann. Es geht vielmehr darum, ob der unstreitig vorhandene formale Mangel der Buchführung die Ernsthaftigkeit des zwischen den Ehegatten vereinbarten Gesellschaftsverhältnisses ausschließt. Eine solche Schlußfolgerung, die das Finanzamt ziehen will, ist aber nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Im allgemeinen kann man in solchen Fällen folgern, daß das, was die Eheleute gewollt und durchgeführt haben, in der Buchführung nur unzureichend oder gar unrichtig zum Ausdruck gekommen ist und besser dargestellt werden muß. Der Schluß aber, daß, weil die Buchführung in der Darstellung eines sonst ernsthaften Betriebsvorfalls mangelhaft ist, dieser Betriebsvorfall dadurch den Charakter der Ernsthaftigkeit verliere, ist nicht ohne weiteres gerechtfertigt.
Wenn auch vieles für die Würdigung der Vorentscheidung spricht, so hat das Finanzgericht doch, als es der mangelhaften buchmäßigen Darstellung des Gesellschaftsverhältnisses keine Bedeutung beimaß, möglicherweise nicht ausreichend beachtet, daß auch der Gesellschaftsvertrag selbst nicht in allen Punkten klar ist, insbesondere wenn er bestimmt, daß Frau A ihre Ansprüche aus dem eingebrachten Gut in die Gesellschaft einlege, ohne daß diese Ansprüche beziffert und in der Eröffnungsbilanz der Gesellschaft ausgewiesen sind. Zu einem ernsthaften Gesellschaftsverhältnis gehört, daß die kapitalmäßige Beteiligung der Gesellschafter zu jeder Zeit festgestellt werden kann. Das Finanzgericht glaubt, daß aus dem gemeinsamen Konto der Eheleute ihre Kapitalanteile entwickelt werden könnten, mit Ausnahme des Betrags von 11.000 DM, der für den gemeinsamen Haushalt ausgegeben worden sei. Der Vorsteher des Finanzamts bestreitet die Richtigkeit dieser Annahme. Der Senat ist der Auffassung, daß unter Berücksichtigung aller Feststellungen des Finanzgerichts die Ernsthaftigkeit des Gesellschaftsvertrags steuerlich nur anerkannt werden kann, wenn die Eheleute wenigstens nachträglich die kapitalmäßige Beteiligung jedes von ihnen buchmäßig klar darstellen und damit nach außen zum Ausdruck bringen, daß sie auch die zu einer echten Gesellschaft gehörende Vermögensteilung zwischen den Gesellschaftern ernsthaft gewollt und durchgeführt haben.
Die Vorentscheidung wird wegen möglicher unrichtiger Anwendung des § 15 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes aufgehoben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zur Entscheidung im Einspruchsverfahren zurückverwiesen. Dieses hat den Beteiligten aufzugeben, innerhalb angemessener Frist für die Zeit ab 1. Januar 1951 ein Kapitalkonto für jeden Ehegatten zu entwickeln. Die Kosten für den gemeinsamen Haushalt können, wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbaren, jedem von ihnen zur Hälfte zugerechnet werden. Legt die Bgin. die Kapitalkonten vor, so ist der Gesellschaftsvertrag für das Streitjahr steuerlich anzuerkennen; andernfalls ist er steuerlich nicht zu beachten.
Fundstellen
Haufe-Index 409481 |
BStBl III 1960, 35 |
BFHE 1960, 93 |
BFHE 70, 93 |