Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Möglichkeit der Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO (Fehleraufdeckung durch die Aufsichtsbehörde) besteht auch für die Vermögensabgabe. Der Senat hält an der in dem Urteil III 165/57 U vom 18. April 1958 (BStBl 1958 III S. 250, Slg. Bd. 66 S. 654) vertretenen Rechtsauffassung fest.
AO § 222 Abs. 1 Ziff. 3.
Normenkette
AO § 222 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von sogenannten "Geschwistergeldern" als Schulden bei der Vermögensabgabe.
Der Abgabepflichtige hat nach dem Testament seines im Jahre 1945 verstorbenen Vaters seinen drei Schwestern "bei ihrem Wegzuge (von dem Erbhofe) oder der Verheiratung" je 5.000 RM zu zahlen. Wegen dieser Verpflichtung hat das Finanzamt bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe zunächst den Betrag von 15.000 DM als abzugsfähig anerkannt. Dies wurde von der Aufsichtsbehörde später beanstandet. Das Finanzamt versagte daraufhin die Abzugsfähigkeit und berichtigte auf Anweisung der Aufsichtsbehörde die rechtskräftige Vermögensabgabeveranlagung unter Hinweis auf § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO.
Der Abgabepflichtige wendet ein, es handle sich bei den Geschwistergeldern rechtlich um Schulden, die ihn am 21. Juni 1948 wirtschaftlich belastet hätten. Da sie auch nicht aufschiebend bedingt gewesen seien, müsse es bei dem zunächst anerkannten Abzuge verbleiben. Die ursprüngliche Veranlagung enthalte keinen "Fehler" im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO und müsse bestehen bleiben.
Auf die Sprungberufung hat das Finanzgericht den Berichtigungsbescheid (ß 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO) aufgehoben und den ursprünglichen Vermögensabgabebescheid wiederhergestellt. Es hat ausgeführt: Die Berichtigung sei durch § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO nicht gedeckt. Die Vermögensabgabe falle als Steuer vom Vermögen unter die einschränkende Vorschrift des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO. Die Auffassung des Bundesfinanzhofs (Urteil III 165/57 U vom 18. April 1958, BStBl 1958 III S. 250, Slg. Bd. 66 S. 654), wonach das Verbot der Fehlerberichtigung nur die laufend veranlagten Steuern betreffe, sei mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Eine Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut sei den Gerichten nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gestattet. Sie komme nur in Betracht, wenn das Ergebnis andernfalls untragbar sei. Davon könne im Falle des Ausschlusses der Fehlerberichtigung (ß 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO) auf die Vermögensabgabe indessen keine Rede sein. Es müsse daher bei der ursprünglichen Vermögensabgabeveranlagung verbleiben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat hat zu der Frage der Fehlerberichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO in seinem zur Kreditgewinnabgabe ergangenen Urteil III 273/57 S vom 7. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 157, Slg. Bd. 66 S. 407, für die Abgaben nach dem LAG Stellung genommen. Er hat in eingehenden Ausführungen dargetan, aus welchen Gründen die Vorschrift des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO nur für die laufend (periodisch) veranlagten Steuern gilt, nicht aber für solche, die durch einen einmaligen, besonderen Anlaß ausgelöst werden. Zu den letzteren gehören die Abgaben nach dem LAG, also auch deren Kernstücke, die Vermögensabgabe. In seinem Urteil III 165/57 U vom 18. April 1958, a. a. O., hat der Senat deshalb in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung die Vorschrift des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 1 AO auch bei der Vermögensabgabe für anwendbar erklärt und damit die Möglichkeit der Fehlerberichtigung bejaht. Die Frage, ob und inwieweit Einheitswertbescheide nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO berichtigt werden können, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und kann deshalb unerörtert bleiben.
Es geht im übrigen an dem Kern des Problems vorbei, wenn sich die Vorinstanz für ihre von der Rechtsprechung des Senates abweichende Auffassung erneut auf den Wortlaut des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO beruft; denn der Wortlaut gibt keinen Hinweis, ob die Vorschrift nur für die dort aufgeführten periodischen Steuern oder auch für solche Abgaben gilt, die ihrem Wesen nach stichtagsbezogen und - unbeschadet ihrer Laufdauer - ihrer Art nach einmalig sind. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, daß die Fehlerberichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO bei der Vermögensabgabe nicht ausgeschlossen, vielmehr möglich ist. Dies hat die Vorinstanz verkannt. Ihre Entscheidung war daher aufzuheben (ßß 296, 288 Ziff. 1 AO).
Die Sache geht unter Hinweis auf § 296 Abs. 4 AO an das Finanzgericht zurück, damit dieses nunmehr prüft, ob der Abzug der Geschwistergelder gerechtfertigt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 410370 |
BStBl III 1962, 250 |
BFHE 1962, 677 |
BFHE 74, 677 |