Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebs
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen im Falle der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs eine Betriebsaufgabe anzunehmen ist.
2. Der Tod eines Landwirts hat zur Folge, daß seine Erben den landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 EStDV ,,unentgeltlich" erwerben; eine Betriebsaufgabe liegt in diesem Vorgang nicht.
Normenkette
EStG §§ 14, 16 Abs. 3; EStDV § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) sind Miterben nach X (Erblasser). Der Ehefrau des Erblassers gehörte seit 1951 ein 7,7 ha großer landwirtschaftlicher Betrieb bei A, den sie mit dem Erblasser bewirtschaftete. Zum 1. April 1968 verpachteten die Eheleute die landwirtschaftliche Fläche unter Ausnahme der aufstehenden Gebäude und des Gartenlandes auf zunächst 12 Jahre an einen Landwirt; die Verpächter konnten jedoch die Rückgabe einer Teilfläche von 1,62 ha verlangen. Aus Anlaß der Verpachtung verkauften die Eheleute das gesamte lebende und tote Inventar.
In den Jahren 1970 und 1971 verkaufte die Ehefrau mehrere Grundstücke, insgesamt 2,065 ha, an verschiedene Erwerber; auch das Wohn- und Wirtschaftsgebäude wurde verkauft. Anschließend errichteten die Eheleute ein Einfamilienhaus als ,,Altenteilerhaus", in dem sie in der Folge wohnten. Im Jahre 1973 wurde der Pachtvertrag auf die verkleinerte Fläche beschränkt.
Die Ehefrau starb im Jahre 1974; Erbe war ihr Ehemann. Dieser verkaufte das Einfamilienhaus im April 1979. Am 23. November 1979 verstarb auch er. Die Eheleute wurden nicht zur Einkommensteuer herangezogen.
Die Klägerinnen erklärten als Erbinnen die 1980 erzielten Pachteinnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; für 1979 hatten sie kein Pachtentgelt erhalten. 1984 veräußerten sie eine Teilfläche von . . . qm für . . . DM. In der Folge ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) davon aus, daß die Erbinnen den Betrieb zum 23. November 1979 aufgegeben hätten; es errechnete einen Aufgabegewinn von . . . DM und stellte ihn gegenüber den Klägerinnen durch Gewinnfeststellungsbescheid fest.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß der Betrieb schon zu Lebzeiten des Erblassers und seiner Ehefrau aufgegeben worden sei.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision das FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Klägerinnen nicht, wie vom FA angenommen, am 23. November 1979 einen landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben haben. Dabei kann jedoch offen bleiben, ob der Erblasser noch einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt.
1. Das FG ist davon ausgegangen, daß die im Jahre 1968 vorgenommene Betriebsverpachtung nicht zur Betriebsaufgabe geführt habe, weil eine Aufgabeerklärung nicht abgegeben worden sei und der Betrieb nach Beendigung des Pachtverhältnisses wieder in eigene Bewirtschaftung habe genommen werden können; diese Möglichkeit habe jedoch nicht mehr bestanden, nachdem in den Jahren 1970 und 1971 31 v. H. der Nutzfläche und auch die Hofstelle veräußert worden seien; damit sei der Betrieb zwangsweise aufgegeben worden.
Diese Betrachtung setzt allerdings voraus, daß es sich bei der nicht angepachteten Hofstelle um keine wesentliche Grundlage des landwirtschaftlichen Betriebs handelte; denn die Verpachtung eines Betriebes setzt die Überlassung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen voraus. Sieht man dagegen in der Hofstelle eine wesentliche Betriebsgrundlage, läßt sich der Übergang der Nutzfläche und der Hofstelle in das Privatvermögen und damit eine Betriebsaufgabe im Jahre 1968 allenfalls mit der Überlegung vermeiden, daß auch in diesem Fall die Wiederaufnahme der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung mit den verpachteten und den einstweilen zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern möglich sei und deshalb die Grundsätze für die Betriebsverpachtung anwendbar seien. Es läge dann eine Betriebsunterbrechung vor, zu der die Betriebsverpachtung im ganzen nur eine Art Unterfall darstellt (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Anm. 34; vgl. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Oktober 1983 IV R 217/81, BFHE 139, 530, BStBl II 1984, 364). Mit der Veräußerung der Hofstelle könnte es auch in diesem Falle zur Betriebsaufgabe gekommen sein.
2. Der Senat braucht diesen Überlegungen aber nicht weiter nachzugehen. Denn auch wenn in der Hand des Erblassers nach dem Jahre 1971 noch ein landwirtschaftlicher Betrieb bestanden hätte, ist am 23. November 1979 kein Ereignis eingetreten, das zur Aufgabe des Betriebs geführt haben könnte.
An diesem Tage ist der Erblasser verstorben. Dies hatte zur Folge, daß die Klägerinnen als seine Erbinnen einen vorhandenen Betrieb unentgeltlich i. S. von § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) erwarben; in diesem Vorgang liegt keine Betriebsaufgabe (BFH-Urteil vom 23. April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686). Die Klägerinnen haben im Jahre 1979 auch die tatsächlichen Verhältnisse nicht verändert, insbesondere keine Veräußerungen von Grundvermögen vorgenommen; sie haben in diesem Jahre auch nicht die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes erklärt.
Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet die Verpachtung eines Betriebes im ganzen auch eine Betriebsaufgabe, wenn der Verpächter die landwirtschaftliche Tätigkeit auf die Dauer einstellen will oder objektive Umstände ihre Wiederaufnahme nicht gestatten. Aus Beweisgründen wird die Absicht zur dauernden Einstellung der Tätigkeit nur bei einer entsprechenden Erklärung des Verpächters angenommen, die auch noch später während der Pachtzeit abgegeben werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456; vom 15. Oktober 1987 IV R 91/85, BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257).
Eine solche Erklärung haben die Klägerinnen im Jahre 1979 aber nicht abgegeben. Das FA will dafür ersichtlich den Umstand heranziehen, daß die Klägerinnen die für das Jahr 1980 erhaltenen Pachteinnahmen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt haben. Eine einschlägige Steuererklärung kann jedoch frühestens im Jahre 1981 abgegeben worden sein. Sie kann nicht auf das Jahr 1979 zurückbezogen werden; ob die Zuordnung der Pachteinnahmen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in einer Steuererklärung überhaupt als Aufgabeerklärung zu werten ist, kann offenbleiben (vgl. BFH in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456; BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257; vom 18. Dezember 1985 I R 169/82, BFH / NV 1986, 726).
Fundstellen
Haufe-Index 416250 |
BFH/NV 1990, 86 |