Leitsatz (amtlich)
Zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Mietwohngebäudes (Appartementhaus) zählen auch Küchenspülen. Ob dasselbe für Kochherde gilt, richtet sich nach der regionalen Verkehrsauffassung. Andere Gegenstände der Kücheneinrichtung unterliegen der AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter.
Normenkette
EStG 1965 §§ 7, 9 Nr. 6, § 21 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob für den Fahrstuhl, die Ölheizung und Kücheneinrichtungen in einem Appartementhaus gesonderte Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Anspruch genommen werden können.
Für das vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) im Jahre 1965, dem Streitjahr, erworbene Appartementhaus hat der Beklagte und Revisionskläger (FA) eine einheitliche AfA von jährlich 2 v. H. auf die Anschaffungskosten von 933 421 DM zugrunde gelegt. Die Klage, mit welcher der Kläger eine 20jährige Verteilung der auf die Fahrstuhlanlage und die Ölheizung entfallenden Anschaffungskosten sowie von fünf Jahren hinsichtlich der Anschaffungskosten von 19 Kücheneinbauten begehrte, hatte Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus, alle drei Einrichtungen seien, wie die Augenscheinseinnahme ergeben habe, gegenüber dem Gebäude klar abgrenzbar und einer selbständigen Bewertung fähig. Sie könnten deshalb auch entsprechend ihrer Nutzungsdauer gesondert abgesetzt werden.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 7, 9, 21 EStG.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
1. Fahrstuhl- und Heizungsanlage
Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 31. August 1971 VIII R 61/68 (BFHE 103, 141, BStBl II 1971, 768) die streitige Rechtsfrage gemäß § 11 Abs. 4 FGO dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vorgelegt. Der Große Senat hat mit Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) - übereinstimmend mit der Rechtsauffassung des erkennenden Senats - entschieden, daß solche Gebäudeanlagen grundsätzlich im Rahmen der Gebäude-AfA abzuschreiben sind, sofern es sich nicht um Betriebsvorrichtungen handelt. Im übrigen ist unerheblich, ob das Gebäude zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört. In den Gründen des Beschlusses des Großen Senats wird insbesondere ausgeführt, daß Gebäude nach § 7 EStG einheitlich ihrer Nutzungsdauer entsprechend abzuschreiben sind, obgleich feststeht, daß die einzelnen Teile des Gebäudes, auf die sich die Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage der AfA beziehen, eine verschiedene Lebensdauer haben. Der im Einkommensteuerrecht nicht näher bestimmte Begriff des Gebäudes sei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2 StAnpG) und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu definieren. Danach gehörten zu einem Gebäude auch solche Gebäudeteile und Gebäudeeinrichtungen, die dem Gebäude ein besonderes Gepräge gäben oder deren Fehlen ein negatives Gepräge bewirke, z. B. das Fehlen einer Zentralheizung oder - in einem mehrstökkigen Wohngebäude - eines Fahrstuhls. Hiermit stimmten die im steuerlichen Bewertungsrecht entwickelten Erkenntnisse überein, wie im einzelnen ausgeführt wird.
Mithin können Fahrstuhl und Heizung entgegen der Vorentscheidung und der Ansicht des Klägers nicht gesondert abgeschrieben werden. Diese Anlagen unterliegen vielmehr als unselbständige Teile des Gebäudes dessen AfA. Die Klage ist, da über die Höhe der Gebäude-AfA kein Streit besteht, insoweit unbegründet.
2. Kücheneinbauten
Im Beschluß des Großen Senats GrS 5/71 ist ausgeführt, der Gebäude-AfA unterlägen auch Bäder, Duschen, Toiletten, Saunaanlagen und leicht zu entfernende Trennwände, da diese Einrichtungen sämtlich der Nutzung des Gebäudes dienten und somit wirtschaftlich unselbständige Gebäudebestandteile seien. Kücheneinrichtungen sind in dieser Beispielsaufzählung nicht erwähnt.
Der erkennende Senat hat in der Entscheidung vom 11. Dezember 1973 VIII R 171/71 (BStBl II 1974, 474) Aufwendungen für Einbauküchen den Gebäudeherstellungskosten im Sinne des § 7b EStG insoweit zugerechnet, als diese Einrichtungen bei vernünftiger Auffassung über die Beschaffenheit eines zeitgemäßen Wohnansprüchen genügenden Bauwerks das Gebäude als zu Wohnzwecken objektiv geeignet erscheinen lassen und wirtschaftlich weder zur Wohnungseinrichtung oder zum Hausrat gehören noch Ausdruck des individuellen Wohnbedürfnisses oder der persönlichen. Interessen der Bewohner sind. Insoweit sind die Aufwendungen für solche Einrichtungen den Herstellungskosten des Wohngebäudes zuzurechnen. Nach dieser Rechtsprechung des Senats sieht die moderne Verkehrsanschauung in der Küche einer jeden Wohnung einen Wasserabfluß in Form einer Spüle als unverzichtbare Einrichtung eines zeitgemäßen Bauwerks an. Ob dies auch für einen Kochherd zutrifft, richtet sich nach der in der jeweiligen Region geltenden Verkehrsanschauung. Daß Küchenmöbel (Schränke, Hängeschränke, Arbeitsplatte usw.) zunehmend in Wohnhäuser eingebaut werden, rechtfertigt hingegen noch nicht, sie deshalb zu den unverzichtbaren Einrichtungen dieser Objekte zu zählen.
Diese Grundsätze haben nach Ansicht des Senats auch für Kücheneinrichtungen in Mietwohngebäuden zu gelten, deren Herstellungs- oder Anschaffungskosten nach § 7 EStG abgeschrieben werden. Diese Auffassung findet eine Stütze im BFH-Beschluß GrS 5/71, wonach dem Rechtsgedanken, welcher der Abgrenzung zwischen Gebäude und Betriebsvorrichtung zugrunde liegt, auch für privatgenutzte Gebäude Bedeutung beizumessen ist. Wie die Annahme einer Betriebsvorrichtung einen unmittelbaren funktionellen Zusammenhang der Anlage mit dem Betrieb voraussetzt, erscheinen Mobiliar und Hausrat im allgemeinen in erster Linie dem Wohnen zugeordnet; sie dienen nicht der Herstellung des Gebäudes. Es gibt auch keine allgemeine Verkehrsanschauung des Inhalts, daß in modernen Appartementhäusern vollständige Kücheneinrichtungen vorhanden sein müßten, um das Gebäude als objektiv zu Wohnzwecken geeignet erscheinen zu lassen. Mithin kommt im vorliegenden Fall eine gesonderte AfA für die Möbel der Kücheneinrichtung außer der Spüle und möglicherweise des Herdes in Betracht.
Die Sache ist noch nicht spruchreif. Die Vorinstanz hat, von ihrem Standpunkt aus zu Recht, keine Feststellungen getroffen, welcher Aufwand auf die Spülen entfällt. Ferner wird das FG noch ermitteln, ob in der dortigen Region Kochherde zur notwendigen Ausstattung eines zeitgerechten Wohnansprüchen genügenden Bauwerks gehören und ggf. welche Kosten hierauf entfallen.
Wenn in der Entscheidung des erkennenden Senats eine Abweichung vom BFH-Urteil vom 1. Dezember 1970 VI R 358/69 (BFHE 101, 1, BStBl II 1971, 162) liegen sollte, bedarf es dennoch keiner Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 3 FGO. Es kann unerörtert bleiben, ob die Entscheidung des VI. Senats durch den Beschluß GrS 5/71 insoweit überholt ist, als sie ausschließlich auf die bürgerlich-rechtliche Beurteilung des Sachverhalts abstellt. Denn das Urteil VI R 358/69 betrifft eine Investitionszulage nach § 19 Abs. 2 des Berlinhilfegesetzes 1964. Für diesen Fragenkreis ist der erkennende Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan 1974 (Ziff. 4 seines Aufgabengebiets) ausschließlich zuständig geworden, so daß sich nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung eine Anrufung des Großen Senats erübrigt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1962 VI 55/61 U, BFHE 75, 112, BStBl III 1962, 310, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 70909 |
BStBl II 1974, 479 |
BFHE 1974, 251 |