Entscheidungsstichwort (Thema)
Zolltarifliche Einordnung von Warenzusammenstellungen aus technischen Elementen
Leitsatz (NV)
1. Zur Anwendung von AV 3 b bei Warenzusammenstellungen von technischen Erzeugnissen (,,Stereo-Baustein-Set").
2. Welcher Bestandteil der Warenzusammenstellung (1.) charakterbestimmend ist, richtet sich vor allem nach der Bedeutung, die der Bestandteil nach dem Verwendungzweck der Zusammenstellung hat, in zweiter Linie nach der Art jedes einzelnen Elements unter Berücksichtigung der ihm eigenen Funktion. Andere Beurteilungskriterien (Menge, Wert) treten demgegenüber zurück.
Normenkette
KN Unterpos. 8519 9910; KN Pos. 8527; KN AV 3 b
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion - OFD - erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr. . . . - über ein aus ,,Compactdisc"-Spieler (Wert 164 DM), Verstärker (Wert 175 DM), Tuner (Wert 130 DM), Doppel-Kassettentonbandgerät (Wert 180 DM) und Plattenspieler (Wert 60 DM) bestehendes ,,Stereo-Baustein-Set", das sie als Warenzusammenstellung nach dem innerhalb der mengen- und wertmäßig überwiegenden Bestandteile der Position 8519 der Kombinierten Nomenklatur - KN - als charakterbestimmend beurteilten CD-Spieler als ,,anderes" Tonbandwiedergabegerät mit Laser-Tonabnehmersystem" der Unterposition 8519 9910 zuwies (in der Änderungsverfügung der Code-Nummer 8519 9910 0100 des Deutschen Gebrauchszolltarifs - DGebrZT -). Die OFD bestätigte diese auf die Allgemeinen Vorschriften - AV - 3 b, 6 gestützte Einreihung mit Einspruchsentscheidung vom 24. Januar 1991.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin ausführt, bei der von der OFD vorgenommenen Tarifierung der vorliegenden Warenzusammenstellung würde diese dem Antidumpingzoll für CD-Spieler unterworfen. Diese Wertung sei unzutreffend. Werde nach AV 3 b verfahren, so müsse der Tuner als charakterbestimmender Bestandteil angesehen werden, mit der Folge, daß die insoweit zutreffende Position 8527 - Rundfunkempfangsgeräte - anzuwenden sei. Die CD- und Plattenspieler (Unterpositionen 8519 9910 und 3900) dürften nicht, wie geschehen, mengen-, umfang- oder wertmäßig einerseits als Einheit, dann aber wieder einzeln behandelt werden. Selbst zusammengenommen liege kein eindeutiges Übergewicht dieser beiden Elemente vor. Einzeln betrachtet wäre das Doppel-Kassettentonbandgerät (Unterposition 8520 3190) als teuerstes Einzelelement charakterbestimmend. Würde die technische Funktionalität berücksichtigt, so hätte der Verstärker (als Transfer-Medium für die übrigen vier Elemente) Vorrang. Jedenfalls lasse sich eine technische Dominanz des CD-Spielers im Verhältnis zu Verstärker, Doppel-Kassettentonbandgerät und Tuner nicht feststellen. Als Empfangsgerät wäre - möglicherweise - der Tuner charakterbestimmend. Indessen lasse sich insgesamt kein Übergewicht feststellen. Dies führe zu einer Einreihung gemäß AV 3 c, d. h. zur Anwendung der Position 8527.
Die OFD meint, die beiden zu Position 8519 gehörenden Elemente seien bei der Ermittlung der vierstelligen Position der KN als ein Bestandteil anzusehen und aufgrund der Anzahl, des Umfangs und des Werts gegenüber den drei weiteren Bausteinen - je einem einer anderen Position - charakterbestimmend für die Warenzusammenstellung. Unter technischen Kriterien seien alle Einzelelemente, ausgenommen möglicherweise der Plattenspieler, einander gleichwertig. Im übrigen ergebe sich auch aus einer Antidumpingzollregelung (Verordnung - EWG - Nr. 819/92 des Rates vom 30. März 1992, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 87/1), daß innerhalb von ,,Rack"-Systemen der CD-Spieler dem Ganzen den wesentlichen Charakter verleihe.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungklage ist begründet.
Die hier vorliegende Warenzusammenstellung (Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu AV 3 Rz. 25.0 ff.) kann nicht gemäß AV 3 b tarifiert werden, weil unter ihren Elementen, deren Einzeleinreihung unstreitig ist, ein charakterbestimmender Bestandteil nicht gefunden werden kann. Die auf AV 3 b gestützte Tarifierung der OFD - Unterposition 8519 9910 KN bzw. Code-Nummer 8519 9910 0100 DGebrZT (§ 28 Satz 2 der Allgemeinen Zollordnung) - ist somit nicht zutreffend und auch anderweitig nicht zu rechtfertigen. Die angefochtene vZTA ist demnach zusammen mit der Einspruchsentscheidung aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, daß die vorrangige AV 3 a hier zu keinem Ergebnis führt. Bei Anwendung von AV 3 b ist zu beachten, daß das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimmt, je nach deren Art verschieden ist; in Betracht kommen - allgemein - etwa Art und Beschaffenheit der Bestandteile, ihr Umfang, Gewicht, Wert, ihre Menge oder Bedeutung in bezug auf die Verwendung der Ware (ErlHS, a. a. O., Rz. 19.0; wegen sonstiger Kriterien Senat, Urteil vom 8. Mai 1984 VII K 2/82, BFHE 141, 96, 99). Bei der Einreihung von Warenzusammenstellungen ist auf die Ware oder die zur selben Position gehörenden, hinsichtlich ihrer Bedeutung für die betreffende Zusammenstellung zusammengefaßten Waren abzuheben, die unter Beachtung der vorstehend bezeichneten Merkmale als charakterbestimmend für die gesamte Warenzusammenstellung angesehen werden können (ErlHS, a. a. O., Rz. 38.0). Sind die einzelnen Waren - wie hier - im wesentlichen nach ihren Funktionen in den zutreffenden Einzelpositionen des Zolltarifs erfaßt, so ist als vorrangiges Kriterium die Bedeutung anzusehen, die die Waren im Hinblick auf den Verwendungszweck der Zusammenstellung haben; andere Merkmale wie die Wertanteile der Elemente treten demgegenüber zurück (Senat, Urteile vom 1. September 1987 VII K 15/87, BFHE 151, 258 - zusammengesetzte Ware: Taschenrechner-Radiokombination -, und vom 2. Juli 1987 VII K 17/86, BFHE 150, 244, 248 - Gerätekombination: Videoturm -; vgl. auch Urteil vom 3. Juli 1984 VII K 4, 12-13/82, BFHE 141, 388, 390 f. - Radiouhren -).
Da das ,,Stereo-Baustein-Set" zu mehreren, voneinander unabhängigen Verwendungen (Spieler, Empfänger, Tonband) geeignet ist, läßt sich unter diesem Gesichtspunkt nicht feststellen, daß eines der Elemente eine das Ganze prägende Bedeutung habe. Auch die nachrangig zu berücksichtigenden Kriterien führen zu keinem Ergebnis. Hinsichtlich der Art jedes einzelnen Elements (unter Berücksichtigung seiner ihm eigenen Funktion) - nach Ansicht des Senats hier das zweitwichtigste Beurteilungskriterium - ergibt sich gleichfalls kein klares Bild. Dieser Auffassung ist offenbar auch die OFD, die alle Einzelelemente (ggf. ohne Plattenspieler) als technisch gleichwertig beurteilt. Zwar können Plattenspieler und Verstärker bei dieser Betrachtung möglicherweise ausgeschieden werden - dieser im Hinblick auf seine rein ,,dienende" Funktion (dazu Senat, Urteil vom 26. Juni 1990 VII K 3/90, BFH/NV 1991, 279 - Camera-Recorder -), jener wegen seiner Beschaffenheit als bloßer Halbautomat -, nicht aber das Doppel-Kassettentonbandgerät und schon gar nicht der Tuner (Rundfunkempfangsgerät).
Von den verbleibenden Kriterien sind Gewicht und Umfang von vornherein als ungeeignet auszuschließen. Wert und Menge (Anzahl) haben hier keine wesentliche Bedeutung (BFHE 151, 258); sie sind somit zumindest grundsätzlich nicht geeignet, den ,,wesentlichen Charakter" (AV 3 b) einer Zusammenstellung technischer Erzeugnisse zu bestimmen. Ob es sich anders verhielte, wenn bestimmte Bestandteile gegenüber den anderen ganz erheblich wert- oder mengenmäßig überwögen, kann offenbleiben. Denn jedenfalls haben CD- und Plattenspieler, selbst zusammen gewertet, kein solches Übergewicht gegenüber den anderen technischen Elementen (2 : 1 : 1 : 1; Wert ca. 20 % über dem der nächstteueren Einzelelemente Doppel-Kassettentonbandgerät aus Position 8520, Verstärker aus Position 8518). Entsprechendes würde für den Umfang (Volumen) gelten, falls es hierauf ankäme.
Da hiernach weder die beiden Spieler noch eines der anderen Geräte den wesentlichen Charakter der Zusammenstellung bestimmen, kann diese nicht - wie geschehen - aufgrund von AV 3 b eingereiht werden. Die von der OFD angeführte Antidumpingzollregelung ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Ihr läßt sich überdies noch nicht einmal entnehmen, daß nach Auffassung des Verordnungsgebers CD-Spieler im Rahmen eines bestimmten Systems (,,Rack") für dieses stets charakterbestimmend seien (vgl. den zweiten und dritten Erwägungsgrund der Verordnung). Die Regelung bezweckt lediglich, CD-Spieler dem Antidumpingzoll zu unterwerfen.
Die von der OFD vorgenommene Einreihung läßt sich schließlich auch nicht auf AV 3 c stützen. Position 8519 ist nicht die zuletzt in der KN aufgeführte Position (dies ist vielmehr die für den Tuner zutreffende Position 8527).
Der Senat hält es nicht für veranlaßt, der Anregung der OFD zu folgen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einzuholen. Zweifel bei der Auslegung des maßgebenden Gemeinschaftsrechts - insbesondere AV 3 b - bestehen (auch im Hinblick auf die vorbezeichnete Antidumpingzollregelung) nicht. Es geht im Streitfall allein um die Anwendung eindeutiger Vorschriften, wobei die spezifischen Merkmale der Einzelelemente der hier vorliegenden Zusammenstellung zu berücksichtigen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 418523 |
BFH/NV 1992, 853 |