Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Frist für die eigenwohnliche Nutzung mit Bezugsfertigkeit
Leitsatz (NV)
1. Der Begriff ,,Bezugsfertigkeit" in § 1 Abs. 1 Satz 2 GrEStEigWoG hat keinen anderen Inhalt als derselbe Begriff in den früheren landesrechtlichen Grunderwerbsteuerbefreiungen und im Bewertungsrecht.
2. Tapezieren bzw. Streichen und Verlegen des Teppichbodens sind unerhebliche Restarbeiten, die die Bezugsfertigkeit einer Wohnung nicht ausschließen.
Normenkette
GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Kläger erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 7. September 1978 als Miteigentümer je zur Hälfte eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Die Wohnung gehörte zu einer Appartementhausanlage. Der Kaufpreis betrug 211 000 DM.
Die Schlußabnahme des Bauvorhabens durch die Bauaufsichtsbehörde war am 13. Mai 1980. Ende Juni 1980 waren die Wohnungen des Bauvorhabens weitgehend fertiggestellt. Die Wohnung der Kläger war zweilagig (grob und fein) verputzt. Die Fußböden waren mit schwimmendem Estrich versehen. Im September 1980 wurden die Malerarbeiten nach den Wünschen der Kläger (Anbringung von Textiltapeten, Streichen von Lichtschachtflächen) durchgeführt. Außerdem wurde der Teppichboden verlegt. Danach wurde die Wohnung vorwiegend durch Vermietung an Feriengäste genutzt. Seit September 1984 stand die Wohnung nach den Angaben der Kläger ihrem Sohn zum Wohnen zur Verfügung. Ob und inwieweit dieser die Wohnung tatsächlich genutzt hat, ist strittig und vom Finanzgericht (FG) nicht festgestellt.
Die Kläger beantragen zunächst Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 2 Nr. 2 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes (GrESBWG) i. d. F. vom 16. September 1974 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein - GVBl SH -, S. 353), geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1977 (GVBl SH, S. 502). Das beklagte Finanzamt (FA) stellte die Erwerbe intern durch Verfügung vom 8. März 1979 von der Grunderwerbsteuer frei. Da die Kläger die vorgeschriebene eigenwohnliche Nutzung nicht nachwiesen, setzte das FA durch Bescheide vom 10. April 1984 nach § 7 Abs. 1 Nr 4 und Abs. 4 GrESBWG die Grunderwerbsteuer, einschließlich eines Zuschlags von 25 %, gegen jeden der Kläger auf 9 231,20 DM fest. Im Einspruchsverfahren beantragten die Kläger, die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) von der Grunderwerbsteuer freizustellen. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 2 GrESBWG sei wegen der zunächst erfolgten Vermietung nicht zu gewähren. Die Vergünstigung des GrEStEigWoG scheitere daran, daß mit dem Bewohnen durch den Sohn zu spät begonnen worden sei.
Hiergegen richtete sich die Klage.
Während des Klageverfahrens änderte das FA durch Bescheide vom 17. Juli 1986 die Steuerbescheide. Es ermäßigte die Steuer gegen jeden der Kläger auf 7 385 DM. Da die Kläger nunmehr Steuerbefreiung nach dem GrEStEigWoG beantragt hätten, entfalle der Zuschlag nach § 7 GrESBWG.
Die Kläger beantragten, nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die geänderten Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Das FG wies die Klage ab.
Die Steuervergünstigung nach dem GrEStEigWoG sei schon deswegen nicht zu gewähren, weil die Eigentumswohnung innerhalb von fünf Jahren nicht mindestens ein Jahr von einem Angehörigen bewohnt worden sei. Die Fünfjahresfrist habe mit der Bezugsfertigkeit der Wohnung begonnen. Diese sei Ende Juni 1980 bezugsfertig gewesen. Eine Nutzung durch den Sohn der Kläger ab September 1984 sei mithin zu spät gewesen.
Mit der Revision rügen die Kläger falsche Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStEigWoG. Die Wohnung sei im Juni 1980 noch nicht bezugsfertig gewesen. Sie beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG die Grunderwerbsteuerbescheide vom 17. Juli 1986 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Steuerbescheide vom 17. Juli 1986 sind rechtmäßig. Das FG hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuervergünstigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStEigWoG verneint. Diese Steuervergünstigung steht den Klägern schon deswegen nicht zu, weil mit der erforderlichen Nutzung zu Wohnzwecken durch bestimmte Angehörige nicht rechtzeitig begonnen wurde.
Nach der genannten Vorschrift ist grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt der Erwerb einer Eigentumswohnung, wenn sie vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und zu mehr als 66 1/3 v. H. Wohnzwecken dient. Die Frist von fünf Jahren beginnt mit dem Erwerb oder, wenn zu diesem Zeitpunkt die Eigentumswohnung noch nicht fertiggestellt war, mit der Bezugsfertigkeit (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GrEStEigWoG). Im Streitfall ist für den Beginn der Fünfjahresfrist der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit maßgeblich.
Der Begriff der Bezugsfertigkeit ist vom Gesetzgeber des GrEStEigWoG nicht näher erläutert. Es besteht jedoch kein Anlaß, dem Begriff in diesem Gesetz einen anderen Inhalt beizumessen als demselben Begriff in den früheren landesrechtlichen Grunderwerbsteuerbefreiungen und im Bewertungsrecht.
Gebäude sind dann als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen. Dies ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden. Eine Wohnung ist dann als bezugsfertig anzusehen, wenn die wesentlichen Bauarbeiten ausgeführt sind und nur noch unerhebliche Restarbeiten verbleiben (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152).
Von dieser Rechtsauffassung ist auch das FG ausgegangen. Nach den von ihm dazu getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, konnte es ohne Rechtsverstoß annehmen, daß im Streitfall die Wohnung bereits im Juni 1980 bezugsfertig war. Nach diesem Zeitpunkt wurden - wie vom FG festgestellt - nur noch Tapezieren bzw. Streichen und Verlegen des Teppichbodens durchgeführt. Diese Arbeiten sind unerhebliche Restarbeiten. Für diese Annahme spricht, daß gerade diese Arbeiten regelmäßig bereits entsprechend den Vorstellungen des künftigen Nutzers der Wohnung ausgeführt und deshalb meist erst kurz vor dessen Einzug vorgenommen werden. Dies bedeutet nicht, daß im Einzelfall mit den Restarbeiten bis zu diesem Zeitpunkt gewartet oder ihr Beginn gar hinausgezögert werden muß. Auch eine spätere Erneuerung des gesamten Anstrichs und des gesamten Teppichbodens führt zwar zu einer erheblichen Belästigung für den Bewohner, regelmäßig aber nicht zu einer Unterbrechung der Wohnnutzung als solcher. Auch diese Überlegung spricht dafür, die Bezugsfertigkeit einer Wohnung bereits vor Ausführung des Erstanstrichs und Verlegung des Teppichbodens anzunehmen.
Unerheblich ist es, ob die für die Bezugsfertigkeit nicht mehr maßgeblichen Restarbeiten vom Veräußerer (kauf-)vertraglich geschuldet werden, da für die Bezugsfertigkeit allein objektive Kriterien maßgeblich sind.
Da der Sohn der Kläger die Wohnung frühestens ab September 1984 bewohnt hat, konnte er die vorgeschriebene einjährige Nutzung innerhalb der Fünfjahresfrist nicht mehr vollenden. Damit fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für die Gewährung der begehrten Steuervergünstigung.
Fundstellen
Haufe-Index 416567 |
BFH/NV 1990, 523 |