Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob eine Kapelle, die während bestimmter Volksfeste in einem "Festzelt" spielt, zu dem Festzeltinhaber (Gewerbetreibenden) in einem Arbeitsverhältnis steht.
Normenkette
EStG §§ 19, 38
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, die während entsprechender "Feste" ein "Festzelt" betreibt, hat im Jahre 1962 für eine Musikkapelle 13 539 DM aufgewendet. Streitig ist, ob die Mitglieder der Kapelle zu der Steuerpflichtigen in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben oder nicht.
Nach dem Wortlaut des zwischen der Steuerpflichtigen und dem Kapellmeister A abgeschlossenen Vertrags stellt Herr A für das Bierfest, das in der Zeit vom ... bis einschließlich ... 1962 stattfindet, eine Musikkapelle in der Stärke von 1 : 16 Mann. Die Kapelle steht nach besonderer Vereinbarung und Festlegung durch die Steuerpflichtige dieser je nach Programmgestaltung zur Verfügung, wobei die tägliche Spielzeit mindestens vier Stunden beträgt. Für die Spielstunde werden an Herrn A 102 DM vergütet; ferner erhält die Kapelle täglich einen Imbiß und Getränke.
Nach Ansicht des FA standen die einzelnen Mitglieder der Kapelle zu der Steuerpflichtigen in einem Arbeitsverhältnis, so daß Lohnsteuer hätte einbehalten werden müssen. Das FA nahm die Steuerpflichtige wegen 3 723,23 DM (3 384,75 DM Lohnsteuer und 338,48 DM Kirchenlohnsteuer) als Haftende in Anspruch. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG nahm mit dem FA an, daß die Musiker in den geschäftlichen Organismus der Steuerpflichtigen eingegliedert gewesen seien (§ 1 Abs. 3 LStDV). Die Musiker hätten nicht nur gelegentlich, sondern 17 Tage lang mindestens vier Stunden im Tag im Betrieb der Steuerpflichtigen musizieren müssen. Schon in der Erscheinung nach außen hin seien sie in den Organismus des Betriebs der Steuerpflichtigen so eingebaut gewesen, daß ihre Darbietungen als Leistung der Steuerpflichtigen und die Musikanten selbst als fester Bestandteil des Betriebs erschienen wären (vgl. Urteil des BFH IV 504/52 vom 3. Juni 1953, StRK, Einkommensteuergesetz, § 19 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 48). Zum Wesen der von der Steuerpflichtigen auf Volksfesten aufgestellten Festzelte mit Bierausschank gehöre die Darbietung volkstümlicher Musik durch Trachtenkapellen und Bläsergruppen. Es liege hier ähnlich wie bei Konzert-Cafés und Tanzbars, die ihren Charakter und ihre Zugkraft für das Publikum gerade erst durch die musikalischen Darbietungen erhielten. Das gewerbliche, auf Dauer eingerichtete Unternehmen der Klägerin sei nicht mit gelegentlichen Festveranstaltungen von Schützen-, Turn- oder ähnlichen Idealvereinen vergleichbar, die in der Regel nicht Arbeitgeber der Musiker seien, weil sie als lose Personenzusammenschlüsse ohne wirtschaftlichen Zweck kein Personal und keine feste Betriebsorganisation besäßen, in die die Musiker eingegliedert werden könnten (vgl. das Urteil des BFH VI 7/55 vom 11. Januar 1957, StRK, Einkommensteuergesetz, § 19 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 81). Im übrigen seien die Musiker an die Weisungen der Steuerpflichtigen hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer der Darbietungen sowie hinsichtlich der Anzahl der Mitwirkenden gebunden gewesen. Daß die Steuerpflichtige keinen Einfluß auf die Auswahl der im einzelnen zu spielenden Stücke genommen, sondern dies den Musikern und den Wünschen des Publikums überlassen habe, sei ohne Bedeutung. Das Bestehen eines Dienstvertrages ergebe sich ferner daraus, daß die Musiker nicht die einmalige Aufführung eines oder mehrerer bestimmter Werke, sondern nur ein stundenweises Musizieren an einer Reihe von aufeinanderfolgenden Tagen geschuldet hätten und daß auch die Vergütung nur nach der Stundenzahl bemessen gewesen sei. Damit in Zusammenhang stehe, daß allein die Steuerpflichtige das Risiko der Beschäftigung getragen habe. Lediglich für den Fall von musikalischen Sonderveranstaltungen der Stadt habe sich die Steuerpflichtige gemäß Nr. 4 des Vertrags von der Pflicht zur Annahme und damit auch zur Zahlung der Vergütung der Arbeitsleistung freigestellt. Nach alledem seien die Musiker der Klägerin gegenüber nicht als selbständig Tätige - etwa in Form einer BGB-Gesellschaft - aufgetreten. Ebensowenig sei etwa der Kapellmeister Arbeitgeber der Musiker gewesen. Er habe selbst keinerlei Risiko getragen und auch keine höhere Vergütung als jedes andere Kapellenmitglied erhalten. Der Senat folge insoweit der glaubwürdigen Aussage des Zeugen A, wonach die Vergütung von ihm nur nach Köpfen unterverteilt und nicht etwa jedem einzelnen Mitwirkenden nach der Leistung bzw. dem gespielten Instrument zugemessen worden sei. Für die Richtigkeit dieser Bekundung spreche insbesondere die Tatsache, daß die Vergütung mit 102 DM pro Stunde so bemessen gewesen sei, daß sie genau gleichmäßig auf die insgesamt 17 Musiker habe verteilt werden können. Die Kapellenmitglieder hätten auch, wie dargelegt, ihre Arbeitskraft nicht dem Kapellmeister, sondern der Klägerin zur Verfügung gestellt. Der Kapellmeister habe ihnen lediglich die Gelegenheit zum Eingehen dieses Arbeitsverhältnisses nachgewiesen. Ihm gegenüber habe sich eine Weisungsgebundenheit nur auf rein musikalischem Gebiet ergeben. Diese Unterordnung unter den Dirigenten bestehe schon der Sache nach und könne als solche nicht die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zum Kapellmeister rechtfertigen (vgl. das Urteil des BFH IV 106/54 U vom 3. November 1955, BFH 62, 296, BStBl III 1956, 110). Es habe sich hier auch nicht um eine fest geschlossene, unter dem Namen eines Dirigenten bekannte Kapelle gehandelt. Die Musiker seien vielmehr zum Zweck der Erzielung von Nebeneinkünften von Fall zu Fall zusammengetreten, ohne daß eine bestimmte Bindung vorhanden gewesen sei.
Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige unrichtige Anwendung der §§ 19, 38 EStG. Der Sachverhalt, so macht sie geltend, sei zwar zutreffend wiedergegeben worden. Die aus diesem gezogenen Folgerungen aber seien unrichtig. Wenngleich das FG die für oder gegen das Arbeitsverhältnis sprechenden Umstände abgewogen habe, seien doch wesentliche Punkte unberücksichtigt geblieben. Der Kapellenleiter sei ihr gegenüber stets als Unternehmer aufgetreten. Er allein habe den Vertrag unterzeichnet. Die vereinbarte Vergütung sei nur an ihn gezahlt worden, ohne daß sie auf die Verteilung Einfluß gehabt hätte. Die Unternehmereigenschaft des Kapellmeisters ergebe sich auch daraus, daß er über einen bestimmten Stamm von Musikern verfügt habe. Die Kapelle A sei ihr gegenüber als organisierter Klangkörper in Konkurrenz zu anderen Musikkapellen aufgetreten. Sie trete auch heute noch in dieser Form auf und nehme so mit einer nachhaltigen selbständigen Tätigkeit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Die einzelnen Mitglieder der Kapelle seien ihr namentlich überhaupt nicht bekannt gewesen, so daß sie gar nicht in der Lage gewesen wäre, Personalunterlagen zu führen und eine individuelle Einbehaltung von Lohnsteuerabzugsbeträgen vorzunehmen. Die Musiker der Kapelle seien offensichtlich keine Berufsmusiker, sondern nur im Nebenberuf tätig gewesen. Einer Nebentätigkeit aber sei es eigen, daß sie die Arbeitskraft nicht voll in Anspruch nehme und nur eine lose Beziehung zum Betrieb des Auftraggebers begründe. Die Kapellenmitglieder hätten auch keinen Urlaubsanspruch gehabt; es seien keine Sozialversicherungsbeiträge für sie abgeführt worden. Selbst wenn man aber von einem Arbeitsverhältnis ausgehe, sei ihre Inanspruchnahme doch ungerechtfertigt. Das FG habe entgegen ihren Einwendungen ungeprüft gelassen, ob ihre Inanspruchnahme der Billigkeit entspreche. Die Kapelle sei für sie nicht mehr tätig, so daß sie sich nicht mehr an sie halten könne. Außerdem sei der Sachverhalt so zweifelhaft, daß man ihr einen Rechtsirrtum zugute halten müsse, zumal das FA in gleichliegenden Fällen keine Lohnsteuer nachgefordert habe. Schließlich sei aber auch die Höhe der nachgeforderten Beträge entgegen der Feststellung des FG nicht unbestritten. Die Berechnung stütze sich auf die Pauschalierungsvorschrift des § 35 LStDV. Dabei sei von der unbewiesenen Aussage des Zeugen A ausgegangen, wonach die vereinbarten Vergütungen "netto" zu zahlen seien. Wie sich aus dem vorgelegten Vertrag ergebe, könne aber gar keine Rede davon sein, daß sie die Steuern übernommen habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG ein Arbeitsverhältnis zwischen der Steuerpflichtigen und den einzelnen Mitgliedern der Kapelle bejaht hat. Wie das FG unter Anführung der einschlägigen Rechtsprechung dargelegt hat, hat der BFH dort, wo der Inhaber eines Gewerbebetriebs den Gästen seines Betriebs Unterhaltung durch Musik bietet, in aller Regel ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Inhaber und den Mitgliedern der von ihm beschäftigten Musikkapelle angenommen und eine Ausnahme nur dann bejaht, wenn es sich um fest organisierte Musikkapellen mit einem bekannten Namen handelt, die für den Gaststätteninhaber nur von Fall zu Fall tätig sind und gewissermaßen neben ihm auftreten. Dieser Rechtsprechung ist das FG gefolgt. Wenn es auf Grund des von ihm festgestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis gekommen ist, daß ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, so handelt es sich um eine Beweiswürdigung, wie sie gerade dem FG als Tatsacheninstanz obliegt und den BFH als Revisionsinstanz grundsätzlich bindet (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Daß das FG bei seiner Würdigung die Denkgesetze verletzt oder gegen Erfahrungssätze verstoßen hätte, ist weder dargetan noch sonst aus dem Akteninhalt zu ersehen.
Entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen kann dem FG nicht vorgehalten werden, daß es sich mit der Stellung des als Zeugen vernommenen Kapellmeisters A nicht auseinandergesetzt hätte. Denn es hat eingehend dargetan, daß und warum es diesen nicht als Unternehmer und damit nicht als Arbeitgeber der übrigen Mitglieder der Kapelle betrachtet.
Wenn die Steuerpflichtige die Kapellenmitglieder nicht als in ihren Betrieb eingegliedert und also nicht als ihre Arbeitnehmer ansieht, so setzt sie die Akzente anders als das FG. Ihre Ausführungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, daß das FG zu einem mit dem festgestellten Sachverhalt schlechthin unvereinbaren Ergebnis gekommen sei. Das FG konnte zu seinem Ergebnis kommen; daß es zu ihm kommen mußte, ist nicht erforderlich, um den BFH als gebunden anzusehen.
Daß insbesondere die Steuerpflichtige nur mit dem Kapellmeister verhandelt und die Namen der Kapellenmitglieder nicht gekannt hat, ist ebensowenig von Bedeutung wie die Tatsache, daß sie auf die Verteilung der vereinbarten Vergütung unmittelbar keinen Einfluß genommen hat. Die Verhandlung nur mit dem Kapellmeister und die Zahlung der Gesamtvergütung unmittelbar an diesen verstehen sich aus Vereinfachungsgründen und lassen die Würdigung des FG nicht unzutreffend erscheinen. Daß sie die Namen der Kapellenmitglieder nicht gekannt hat, besagt gleichfalls nichts für die Frage, ob die Kapellenmitglieder ihr gegenüber in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben und sie sich um die Namen hätte kümmern müssen.
Bei ihrer Rüge, daß das FG die Frage der Billigkeit ihrer Inanspruchnahme hätte prüfen müssen, verkennt die Steuerpflichtige, daß das FG offenbar von der Nettolohnvereinbarung ausgegangen ist. In einem solchen Falle kann von einer Unbilligkeit bei der Inanspruchnahme des Arbeitgebers anstatt des Arbeitnehmers keine Rede sein, hat doch der Arbeitgeber dann gerade für den Arbeitnehmer die Steuer übernommen.
Aus demselben Grund kann der Rüge der Steuerpflichtigen nicht zugestimmt werden, das FG habe die Höhe des pauschal errechneten Steuerbetrages zu Unrecht als unbestritten bezeichnet. Mit dieser Feststellung hat das FG, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, nur die pauschale Erfassung als solche gemeint, nicht die Tatsache der Nettolohnvereinbarung, die die Steuerpflichtige in der Tat immer bestritten hat. Wie gesagt, ist das FG aber von einer Nettolohnvereinbarung ausgegangen. Wenngleich die Steuerpflichtige die Aussage des Zeugen A für unbewiesen hält, ist das FG doch den Aussagen gefolgt, und zwar eben nicht nur darin, daß je Mann und Stunde ein bestimmter Betrag vereinbart worden sei, sondern auch darin, daß dieser Betrag den Kapellenmitgliedern voll habe ausgezahlt werden sollen. Auch hier handelt es sich um eine Beweiswürdigung, zu der das FG kommen konnte, hatte doch der Zeuge A, wenngleich der schriftliche Vertrag vielleicht nicht ganz eindeutig war, ausdrücklich bekundet, daß er und der Zeuge B, der Geschäftsführer der Steuerpflichtigen, in ihren mündlichen Erläuterungen immer von einem Nettobetrag gesprochen haben. Hierbei fällt besonders ins Gewicht, daß der Zeuge A das gleiche Verfahren (Nettoauszahlung an den Kapellmeister) noch aus der Zeit kannte, als er der Kapelle M angehört hatte und ihm wie allen Kapellenmitgliedern - übrigens auch nach der Aussage des Zeugen - Nettobeträge gezahlt worden waren.
Fundstellen
Haufe-Index 68389 |
BStBl II 1969, 142 |
BFHE 1969, 215 |